Anleitung für AktivistInnen: How to klimanotstand
Klimaschutz ist gar nicht so schwierig. So können BürgerInnen in ihrer Stadt oder Gemeinde die Politik zum „Notstand“ bewegen.
BERLIN taz | Für deutsche Ohren hört sich „Klimanotstand“ vermutlich etwas alarmistisch an. Das hat vor allem historische Gründe. Hier klingt die Kontroverse über die Notstandsgesetze nach, die die Große Koalition im Mai 1968 beschloss, begleitet von heftigen Protesten im Land. Acht Wochen zuvor waren in Frankfurt am Main Brandsätze in zwei Kaufhäusern in die Luft geflogen, dann brannten in Berlin Lieferwagen der Bild-Zeitung, eine Reaktion auf das Attentat auf Rudi Dutschke.
Union und SPD waren sich – auch – wegen der Tumulte einig, dass die Bundesrepublik Notstandsgesetze brauche, um den Staat in Krisen handlungsfähig zu halten. Die KritikerInnen fürchteten jedoch, dass eine Art Ermächtigungsgesetz wie zum Ende der Weimarer Republik irgendwann einem Despoten die Macht geben könnte, die Demokratie zu untergraben.
Eine Nummer kleiner gedacht ist der „Notstand“, den Gemeinden unter Berufung auf Artikel 20a des Grundgesetzes ausrufen können. Dann müssten, je nach Antrag, zum Beispiel alle Entscheidungen der Kommune auf ihre Enkeltauglichkeit abgeklopft werden. Wie so ein Beschluss verabschiedet werden kann, erklärt die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Badum in einem Musterantrag auf ihrer Homepage. Der „Notstand“ bilde „die Grundlage, um Klimaschutzmaßnahmen in den Gemeinden und Städten schneller umzusetzen“, schreibt Badum.
Klimaschutz in jedem Dorf ist laut Paragraf 18b der deutschen Gemeindeordnung (GO) gar nicht so schwer. Danach können nämlich alle EinwohnerInnen das Thema in jedem Gemeinderat auf die Tagesordnung bringen. Da nur die Unterschriften von einem Prozent der EinwohnerInnen nötig sind, ist das vor allem in kleineren Orten relativ leicht.
Bei Fraktionen im Stadtrat um Unterstützung werben
Ebenfalls einfach: Laut GO können auch Einzelpersonen auf Bürgerversammlungen das Thema zur Sprache bringen, alle GemeindebürgerInnen sind hier stimmberechtigt. Eine weitere Möglichkeit: An eine oder mehrere Fraktionen im Stadt- oder Kreisrat herantreten und hier um Unterstützung werben. Vielleicht ist das sogar der schnellste Weg, um das Thema in der Lokalpolitik zu verankern.
Der „Notstand“ kommt längst vielfach im deutschen Recht vor: Im Grundgesetz gibt es Regelungen für den äußeren (Verteidigungsfall) und den inneren Notstand (Unruhen, Naturkatastrophen). Es gibt auch den polizeilichen Notstand, während dem Versammlungen verboten werden können. Oder den rechtfertigenden Notstand, nach dem Krankenwagen im Einsatz rote Ampeln missachten dürfen.
Leser*innenkommentare
05354 (Profil gelöscht)
Gast
Ich bin jetzt nicht auf dem Laufenden: Wie rettet man nochmal das Klima? Sry, wenn die Frage dumm sein sollte :)
Andi S
Also gibt es den kommunalen Klimanotstand nicht?!?
Age Krüger
Wir schön.
Man kann den Klimawandel per Gemeindeordnung stoppen.
"Klimawandel wird verboten."
So einfach habe ich mir politisches und gesellschaftliches Engagement immer gewünscht. Man muss nur irgendwas beschließen und sofort wird alles besser.
Warum nicht gleich so?
Gibt es eigentlich irgendwelche Daten, wie sich die CO2-Werte z.B. in den Städten und Gemeinden geändert haben, die diesen Notstand ausgerufen haben?
dasdada
@Age Krüger Eine Frau von Storch, die den menschen gemachten Klimawandel leugnet, brachte den Vorschlag einfach mit der Sonne zu reden damit sie nicht so heiß scheint.
Warum machen wir das nicht endlich - parlamentarisch beschlossen ?
Wellmann Juergen
Dieser "Klimanotstand" bewirkt bestenfalls gar nichts. Schlimmstenfalls werden Entscheidungen in der Gemeinde erschwert - und das schadet den Einwohnern in der Regel.
Hanno Homie
@Wellmann Juergen Ich nehme an, dass bestimmte Entscheidungen erschwert, andere aber erleichtert werden.
Ich kann mir spontan sehr viele Entscheidungen vorstellen, die auf Gemeindeebene einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz zur Folge hätten.
Wellmann Juergen
@Hanno Homie Erleichtert wird nur das werden, was das Leben erschwert. Weniger statt mehr Staat - das sollte stets die Devise sein!
Pfanni
„So können BürgerInnen in ihrer Stadt oder Gemeinde die Politik zum „Notstand“ bewegen.“
Lieber nicht! Ein paar Gegenargumente hat der Autor bereits selbst genannt, das wichtigste aber nicht erwähnt: Wie werden wir diesen Notstand wieder los? Nämlich erst dann, wenn das Klima „wirklich gerettet“ ist. Und wann wäre das? Ich prophezeie: NIE!
Denn wenn die „Notstandsverwalter“ erst gemerkt haben, wie bequem das Regieren mit Notverordnungen ist, werden sie nicht mehr davon lassen wollen. Mit etwas Fantasie lässt sich doch jeder Sachverhalt irgendwie und um drei Ecken mit Klima und Umwelt in Verbindung bringen.
Spätestens dann hätten wir DIKTATUR!
80576 (Profil gelöscht)
Gast
@Pfanni Jaaaa, aber doch eine Diktatur mit den besten Zielen. Das wäre schon was anderes. ;-)