Anklage im Mordfall Marwa El Sherbini: "Ausgeprägter Hass auf Moslems"
Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft dem 28-jährigen Alexander W. Mord an der Ägypterin vor und rechnet mit lebenslanger Haft. Laut psychatrischem Gutachten ist er voll schuldfähig.
BERLIN taz | Acht Wochen nach der tödlichen Messerattacke auf Marwa El Sherbini erhebt die Dresdner Staatsanwaltschaft nun Anklage. Sie wirft dem 28-jährigen Alexander W. Mord an der Ägypterin und versuchten Mord an deren Ehemann vor. Als Motiv sieht die Staatsanwaltschaft "ausgeprägten Hass auf Nichteuropäer und Moslems".
Der in Russland geborene Deutsche hatte die 31-Jährige im Dresdner Landgericht mit mindestens 16 Messerstichen getötet, darunter Stiche in den Rücken und die Brust. Ihr dreijähriger Sohn musste die Tat mit ansehen. El Sherbinis Ehemann Elwy O. versuchte dazwischenzugehen und wurde laut Staatsanwaltschaft ebenfalls mit mindestens 16 Messerstichen schwer verletzt. Ein Polizist, der dazugeholt wurde, schoss zudem nicht dem Angreifer ins Bein, sondern dem Ehemann. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten ist laut Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen.
Die Tat hatte international für Aufsehen gesorgt, in Ägypten gingen tagelang Demonstranten auf die Straße. Kritiker warfen Politik und Presse vor, nicht angemessen und rasch genug reagiert zu haben.
Vorausgegangen war ein Streit auf einem Spielplatz vor einem Jahr, bei dem Alexander W. die kopftuchtragende Marwa El Sherbini als "Islamistin" und "Terroristin" beleidigt hatte. Die Ägypterin zeigte W. an. Eine vom Amtsgericht verhängte Geldstrafe akzeptierte er nicht. Im Berufungsprozess machte W. deutlich, dass Muslime für ihn kein Lebensrecht in Deutschland hätten, und bekannte sich als NPD-Anhänger. Kurz darauf stach er zu, ein Küchenmesser mit einer 18 Zentimeter langen Klinge hatte er in einem Rucksack mitgebracht.
Alexander W. sei nach einem vorläufigen psychiatrischen Gutachten voll schuldfähig und müsse mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Sie spricht von einem Mord aus niedrigen Beweggründen. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke sei erfüllt, da die beiden Opfer nicht ansatzweise mit einem Angriff gerechnet hätten.
In der Presse aufgetauchte Spekulationen, Alexander W. habe als Soldat im Tschetschenien-Krieg gekämpft, haben sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Auch eine Verbindung zur NPD oder einer anderen rechtsextremen Organisation sei bisher nicht festgestellt worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Alexander W. selbst schweigt zu der Tat. Mit dem Prozessbeginn wird nach Angaben des Dresdner Landgerichts Ende 2009 oder Anfang 2010 gerechnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“