Anklage gegen NSU-Mitglied Zschäpe: Gleichberechtigt gemordet
Beate Zschäpe und mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle NSU sind nun angeklagt. Zschäpe soll Mittäterin bei dem Morden des Neonazi-Trios gewesen sein.
KARLSRUHE taz/afp | Generalbundesanwalt Harald Range hat Anklage gegen Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft bei zehn Morden der rechten Terrorgruppe NSU erhoben. Das teilte er am Donnerstag vor Journalisten in Karlsruhe mit. Außerdem hat Range vier NSU-Unterstützer angeklagt, den ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S. und André E. Der Prozess wird voraussichtlich im Frühjahr 2013 beim Oberlandesgericht (OLG) München beginnen.
Die heute 37-jährige Beate Zschäpe sei von Beginn an gleichberechtigtes Mitglied des Nationalsozialistischer Untergrunds (NSU) gewesen, sagte Range. Die zehn Morde an migrantischen Kleingewerblern und einer Polizistin wurden zwar von ihren Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ausgeführt.
Doch die drei seien ein „einheitliches Tötungskommando“ gewesen. Die Morde seien als „gemeinsame Taten“ zu werten, die in einer „abgestimmten Arbeitsteilung“ verübt wurden.
Zschäpe wird vor allem vorgeworfen, dass sie für die Gruppe eine „unauffällige Fassade“ schaffte. Sie haben einen „Anschein von Normalität“ geschaffen und den Nachbarn die häufige Abwesenheit von Böhnhardt und Mundlos erklärt. Außerdem habe sie die Logistik der Terrorgruppe „maßgeblich“ organisiert. Sie soll die Finanzen der Gruppe verwaltet haben.
Auch Ausweispapiere und mindestens eine Waffe soll sie organisiert haben. Zuletzt soll sie die CD, in der sich der NSU zu den Morden bekannte, an Zeitungen und andere Empfänger verschickt haben.
Dreifacher versuchter Mord
Neben Mitwirkung an den Morden wird Zschäpe auch die Mittäterschaft an zwei Sprengstoffanschlägen in Köln und 15 Banküberfällen vorgeworfen. Schließlich habe sie am 4. November 2011, nach dem Auffliegen des NSU, das Wohnhaus in Zwickau in Brand gesteckt, in dem das Trio die letzten Jahre lebte, Dies wertete Range als dreifachen versuchten Mord. Nur durch Zufall überlebten eine Nachbarin, die auch in dem Haus wohnte, sowie zwei im Haus tätige Handwerker.
Wenn Zschäpe tatsächlich wegen Mordes verurteilt wird, muss die Strafe auf "lebenslänglich" lauten. Eine Milderung ist dann nur möglich, wenn Zschäpe vor Eröffnung des Hauptverfahrens als Kronzeugin auspackt. Doch danach sieht es bisher nicht aus. Offensichtlich wollen die Anwälte den Mordvorwurf im Prozess erschüttern. So könnten sie argumentieren, dass Zschäpe nur von den Banküberfällen wusste, nicht aber von den Morden.
Welche Beweise die Bundesanwaltschaft in petto hat, ergibt sich aus der fast 500 Seiten dicken Anklage. Zu der wollte Range jedoch keine Fragen beantworten, weil sie den Anwälten noch nicht zugestellt ist.
Ku-Klux-Klan
Range betonte aber, dass es keine Hinweise auf Helfer vor Ort gab. Böhnhardt und Mundlos hätten die Tatorte jeweils selbst ausgekundschaftet. Auch eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, etwa dem Ku-Klux-Klan oder der NPD, konnten die Ermittler nicht feststellen. An den Ermittlungen hatten zehn Staatsanwälte und über vierhundert Polizisten teilgenommen.
Sie vernahmen mehr als 1.200 Personen und prüften 6.800 „Beweisgegenstände“. Im Schutt des Wohnhauses in Zwickau und im zuletzt benutzten Wohnmobil fanden die Ermittler auch zahlreiche Datenträger. Diese dürften Aufschluss über die Kommunikation der Gruppe gegeben haben. Eine Vorratsdatenspeicherung war hier offensichtlich nicht erforderlich.
Zschäpe kam Berichten zufolge am 2. Januar 1975 in Jena zur Welt. Ihre Mutter war beim Studium in Rumänien eine Liaison mit einem rumänischen Kommilitonen eingegangen – Zschäpes Vater. Nur zwei Wochen nach der Geburt ging Zschäpes Mutter zurück nach Rumänien. Ihre kleine Tochter wuchs zunächst bei der Großmutter auf. Sie sei ein „Oma-Kind“, sagte Zschäpe in den Vernehmungen.
Als 1989 die Wende in der DDR kam, wandte sich die damals 14-Jährige immer stärker der in Jena erstarkenden Rechtsextremen-Szene zu. Mit 16 Jahren lernte sie Uwe Mundlos kennen, er wurde ihr Freund. Beruflich fasste Zschäpe nie Fuß. Sie wollte Kindergärtnerin werden, fand aber keine Lehrstelle, jobbte als Malerin und machte eine Lehre als Gärtnerin. In dieser Lehrzeit trennte sie sich von Mundlos und verliebte sich in Uwe Böhnhardt, dessen besten Freund. Ab 1995 traten sie fast nur noch als Trio auf. In Vernehmungen bezeichnete Zschäpe die Männer als ihre „Familie“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin