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Anklage gegen NSU-Mitglied ZschäpeGleichberechtigt gemordet

Beate Zschäpe und mutmaßliche Unterstützer der Terrorzelle NSU sind nun angeklagt. Zschäpe soll Mittäterin bei dem Morden des Neonazi-Trios gewesen sein.

Das aktuellste Bild von Zschäpe: auf dem Weg zum Haftrichter (November 2011). Bild: dapd

KARLSRUHE taz/afp | Generalbundesanwalt Harald Range hat Anklage gegen Beate Zschäpe wegen Mittäterschaft bei zehn Morden der rechten Terrorgruppe NSU erhoben. Das teilte er am Donnerstag vor Journalisten in Karlsruhe mit. Außerdem hat Range vier NSU-Unterstützer angeklagt, den ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S. und André E. Der Prozess wird voraussichtlich im Frühjahr 2013 beim Oberlandesgericht (OLG) München beginnen.

Die heute 37-jährige Beate Zschäpe sei von Beginn an gleichberechtigtes Mitglied des Nationalsozialistischer Untergrunds (NSU) gewesen, sagte Range. Die zehn Morde an migrantischen Kleingewerblern und einer Polizistin wurden zwar von ihren Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos ausgeführt.

Doch die drei seien ein „einheitliches Tötungskommando“ gewesen. Die Morde seien als „gemeinsame Taten“ zu werten, die in einer „abgestimmten Arbeitsteilung“ verübt wurden.

Zschäpe wird vor allem vorgeworfen, dass sie für die Gruppe eine „unauffällige Fassade“ schaffte. Sie haben einen „Anschein von Normalität“ geschaffen und den Nachbarn die häufige Abwesenheit von Böhnhardt und Mundlos erklärt. Außerdem habe sie die Logistik der Terrorgruppe „maßgeblich“ organisiert. Sie soll die Finanzen der Gruppe verwaltet haben.

Auch Ausweispapiere und mindestens eine Waffe soll sie organisiert haben. Zuletzt soll sie die CD, in der sich der NSU zu den Morden bekannte, an Zeitungen und andere Empfänger verschickt haben.

Dreifacher versuchter Mord

Neben Mitwirkung an den Morden wird Zschäpe auch die Mittäterschaft an zwei Sprengstoffanschlägen in Köln und 15 Banküberfällen vorgeworfen. Schließlich habe sie am 4. November 2011, nach dem Auffliegen des NSU, das Wohnhaus in Zwickau in Brand gesteckt, in dem das Trio die letzten Jahre lebte, Dies wertete Range als dreifachen versuchten Mord. Nur durch Zufall überlebten eine Nachbarin, die auch in dem Haus wohnte, sowie zwei im Haus tätige Handwerker.

Wenn Zschäpe tatsächlich wegen Mordes verurteilt wird, muss die Strafe auf "lebenslänglich" lauten. Eine Milderung ist dann nur möglich, wenn Zschäpe vor Eröffnung des Hauptverfahrens als Kronzeugin auspackt. Doch danach sieht es bisher nicht aus. Offensichtlich wollen die Anwälte den Mordvorwurf im Prozess erschüttern. So könnten sie argumentieren, dass Zschäpe nur von den Banküberfällen wusste, nicht aber von den Morden.

Welche Beweise die Bundesanwaltschaft in petto hat, ergibt sich aus der fast 500 Seiten dicken Anklage. Zu der wollte Range jedoch keine Fragen beantworten, weil sie den Anwälten noch nicht zugestellt ist.

Ku-Klux-Klan

Range betonte aber, dass es keine Hinweise auf Helfer vor Ort gab. Böhnhardt und Mundlos hätten die Tatorte jeweils selbst ausgekundschaftet. Auch eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, etwa dem Ku-Klux-Klan oder der NPD, konnten die Ermittler nicht feststellen. An den Ermittlungen hatten zehn Staatsanwälte und über vierhundert Polizisten teilgenommen.

Sie vernahmen mehr als 1.200 Personen und prüften 6.800 „Beweisgegenstände“. Im Schutt des Wohnhauses in Zwickau und im zuletzt benutzten Wohnmobil fanden die Ermittler auch zahlreiche Datenträger. Diese dürften Aufschluss über die Kommunikation der Gruppe gegeben haben. Eine Vorratsdatenspeicherung war hier offensichtlich nicht erforderlich.

Zschäpe kam Berichten zufolge am 2. Januar 1975 in Jena zur Welt. Ihre Mutter war beim Studium in Rumänien eine Liaison mit einem rumänischen Kommilitonen eingegangen – Zschäpes Vater. Nur zwei Wochen nach der Geburt ging Zschäpes Mutter zurück nach Rumänien. Ihre kleine Tochter wuchs zunächst bei der Großmutter auf. Sie sei ein „Oma-Kind“, sagte Zschäpe in den Vernehmungen.

Als 1989 die Wende in der DDR kam, wandte sich die damals 14-Jährige immer stärker der in Jena erstarkenden Rechtsextremen-Szene zu. Mit 16 Jahren lernte sie Uwe Mundlos kennen, er wurde ihr Freund. Beruflich fasste Zschäpe nie Fuß. Sie wollte Kindergärtnerin werden, fand aber keine Lehrstelle, jobbte als Malerin und machte eine Lehre als Gärtnerin. In dieser Lehrzeit trennte sie sich von Mundlos und verliebte sich in Uwe Böhnhardt, dessen besten Freund. Ab 1995 traten sie fast nur noch als Trio auf. In Vernehmungen bezeichnete Zschäpe die Männer als ihre „Familie“.

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7 Kommentare

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  • N
    neppendorfer

    Es muss überhaupt noch alles bewiesen werden. Gar nix ist fix. Und wenn die zschäpe schweigt, dann ists aus mit der "NSU". Zu einer Vereinigung gehören zumindest 3. Und im BT hat mean ein Theater veranstaltet und Merkel hat "um Verzeihung" gebeten, als hätte der deutsche Staat die Morde in Auftraggegeben. Wenns da nicht noch Überraschungen gibt. Dann stehn aber manche schön blamiert da.

    Es gilt die Unschuldsvermutung.

  • B
    Brandeis

    @Hallo??:

     

    Ich glaube "Freiheit für Zschäpe" fordert hier niemand. Ich habe mich nur gefragt, woher die taz weiß, dass Zschäpe NSU-Mitglied war/ist. Das wissen zurzeit noch nicht einmal die Richter. Ich war selber mal eine Zeit lang bei der Staatsanwaltschaft und habe dort festgestellt, dass die Anklageschrift und das anschließende Urteil in vielen Fällen nicht korrespondieren.

     

    Deutschland sollte sich hier an den Norwegern orientieren und - wie im Fall Breivik - ein faires, rechtsstaatliches Verfahren durchführen, auch wenn es weh tut.

     

    Die Sache wird sicher noch ein wenig dauern, da noch dem Urteil des OLG München sicher noch mal der BGH über den Fall entscheiden wird. Das ist der Rechtsstaatlichkeit geschuldet.

  • H
    Hallo??

    Schon traurig was hier für stumpfe Nazikommentare veröffentlicht werden. Wer Freiheit für Zschäpe fordert oder behauptet der NSU wäre gar nicht sooo schlimm und nur staatlich gelenkt verkennt die Realitäten und möchte, warum auch immer, die rechte gefahr nicht sehen. ich sage nur auf dem rechten Auge blind, wie der VS und unsere werte Pozilei

  • RM
    Robert Morgenstern

    Irgendwie will ich nicht verstehen, daß behauptet wird, "die NSU" habe 10-13 Personen mit Migrationshintergrund ermordet. Daß die Personen getötet wurden, steht außer Frage. Aber bislang gab es nicht einen einzigen Nachweis, daß die 3 Betreffenden die Täter sind. Bitte nicht vergessen: Zunächst war es doch jahrelang so, daß von einem "Phantom" die Rede war, daß mordend durch Deutschland ziehen würde. Dann plötzlich waren es mit DNA kontaminierte Teststäbchen.

    Kaum war dies durch die Presse und man wunderte sich über die Dummheit der Ermittler, dann wurde uns plötzlich eine Neonazi-Gruppe namens NSU präsentiert, von der zuvor noch nie jemand etwas gehört hatte. Als dann erste Fragen zu Unstimmigkeiten aufkamen, kam häppchenweise heraus, daß das gesamte NSU-Umfeld V-Männer waren, die "Terroristen" sogar selbst anzuwerben versucht wurde, ein V-Mann Sprengstoff lieferte, ein V-Mann-Führer bei einem Mord im Raum war, natürlich rein zufällig. Als nächstes plötzlich überall bei den Geheimdiensten übereilte Aktenvernichtungsaktionen.

    Ich habe den Eindruck, nicht "die NSU", sondern Mitarbeiter der Geheimdienste sind die wirklichen Terroristen. So gern viele natürlich "rechte Terroristen" verurteilt sehen möchten, würde ich aber sagen, in diesem Fall hier wäre es wichtiger, daß wirklich die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Es steht zu befürchten, daß beim Münchner Gericht diese Punkte gar nicht zur Sprache kommen, sondern im Eildurchgang eine politisch gefällige Verurteilung durchgepeitscht wird. Insoweit sollten alle aufmerksam sein, ob nicht etwas unter den Tisch gekehrt wird. Denn wer weiß, ob nicht in einiger Zeit eine "linke NSU" plötzlich auftaucht, um die Linkspartei oder gleichgelagerte Organisationen in Terrornähe zu rücken....

  • H
    Hubi_Freiflug

    Kopf eines am Boden Liegenden zu Brei treten: Körperverletzung mit Todesfolge. Der mutmaßliche Täter geht in Berlin spazieren.

    Ein Haus anzünden:Dreifacher versuchter Mord. Die mutmaßliche Täterin sitzt seit Monaten in Haft.

    Fällt Jemanden was auf?

  • B
    @brandeis

    "Muss es nicht "mutmaßliches NSU-Mitglied Zschäpe" heißen?" Nicht in der taz. "Mutmaßlich" gilt nur für Tottreter wie die vom Alex, RAF-Terroristen und Kopfabhacker. Da fällt auch nie das Wort Mord.

  • B
    Brandeis

    Muss es nicht "mutmaßliches NSU-Mitglied Zschäpe" heißen? Die Mitgliedschaft muss, wie alles andere auch, in dem Prozess erst noch nachgewiesen werden. Mögen sie Spiele beginnen...