Anklage gegen Donald Trump: Trump trifft seinen Richter
Ex-US-Präsident Donald Trump sieht sich mit 34 Anklagepunkten konfrontiert. Er bestreitet jede Schuld und poltert gegen Staatsanwalt und Richter.
Es ist das erste Mal in der 247-jährigen Geschichte der USA, dass ein ehemaliger Präsident angeklagt wird. Insgesamt werden ihm 34 Straftatbestände vorgeworfen. Sie haben mit Betrug und Fälschung zu tun. Vor den Wahlen von 2016, bei denen er der 45. Präsident der USA wurde, soll er mindestens drei Leuten Geld gegeben haben, um zu verhindern, dass sie Details über Affären enthüllten, die er gehabt haben soll.
Die Schweigegeldzahlungen selbst sind nicht illegal. Was sie in den Augen der New Yorker Justiz zu Straftaten macht, ist die Tatsache, dass Trump anschließend Dokumente gefälscht hat, um die Transaktionen zu verstecken. Damit habe er versucht, die „Integrität der Wahlen auszuhöhlen“, erklärt Anwalt Christopher Conroy vom Team des Staatsanwaltes im Gerichtssaal.
In der Anklage „Das Volk von New York gegen Donald Trump“ ist von mehr Fällen die Rede als nur jenem der Pornodarstellerin Stormy Daniels. Sie will eine Affäre mit Trump gehabt haben (was er bestreitet) und hat 130.000 Dollar Schweigegeld bekommen (was er zugibt). Außer ihr hat die Staatsanwaltschaft auch das Model Karen McDougal in das Verfahren gebracht. Damit auch sie über ihre Affäre mit Trump schwieg, bekam sie 150.000 Dollar. Der dritte im Bunde ist ein ehemaliger Türsteher von Trump. Er wollte über ein außereheliches Trump-Kind auspacken und bekam 30.000 Dollar Schweigegeld.
Reichlich Gelegenheit für Wahlkampf
Beide Männer, die für das Zustandekommen der Anklage gegen den Ex-Präsidenten verantwortlich sind, gehören zu Minderheiten, die Trump immer wieder angefeindet hat. Der New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg, der die oft tot gesagten Ermittlungen in New York bis zu der Anklage geführt hat, ist Afroamerikaner. Richter Juan Merchan, der das Verfahren gegen Trump führt, ist als junger Mensch aus Kolumbien nach New York gekommen.
Trump hat versucht, die Herkunft der beiden zu nutzen, um sie einzuschüchtern und zu diffamieren. In den Tagen bevor er sich am Dienstag der Justiz in New York stellt, für die Dauer seiner Anklage förmlich verhaftet wurde und die 13-seitige Auflistung der ihm vorgeworfenen Straftaten bekommt, veröffentlichte Trump unter anderem ein Posting auf seinen sozialen Medien, auf dem er mit einem Baseballschläger neben einem Foto von Bragg zu sehen ist. Abgesehen davon hat Trump dem Staatsanwalt vorgeworfen, er betreibe eine „Hexenjagd“. Er habe politische Motive. Und er sei von dem Investor George Soros ferngesteuert. Er hat ihm auch gedroht, seine Verhaftung könne zu „Tod und Zerstörung“ führen.
Richter Merchan schlägt am Dienstag einen versöhnlichen Ton an. Mehrfach fragt er Trump, ob er verstanden habe. Der antwortet mit „Ja“. Der Richter erspart Trump auch die übliche erniedrigende Prozedur von Handschellen und erkennungsdienstlichen Fotos. Und er erteilt ihm weder einen Maulkorb für bestimmte Themen noch ein Reiseverbot. Allerdings mahnt der Richter den Angeklagten, er möge von einer Sprache absehen, die zu Gewalt anstiftet. Merchan formuliert das als Bitte. Aber er macht deutlich, dass er Zuwiderhandlungen ahnden könnte.
Trump hat es jahrzehntelang geschafft, Anklagen zu entgehen. Wann immer ihm eine drohte, sei es wegen diskriminierenden Umgangs mit Mietern oder wegen betrügerischen Umgangs mit Geschäftspartnern, schickte er seine Anwälte los und arbeitete selbst mit Einschüchterungen, um Verfahren abzuwenden. Mit diesem Vorgehen ist er im Alter von 76 Jahren in New York zum ersten Mal gescheitert. Jetzt versucht er die Anklage in seine Kampagne für den Präsidentschaftswahlkampf für 2024 einzubauen. Das Gericht gibt ihm dazu reichlich Zeit und Gelegenheit. Der nächste Gerichtstermin für Trump ist erst Anfang Dezember. Bis dahin wird die Staatsanwaltschaft die Verteidigung mit ihren Unterlagen versorgen.
Trump beleidigt alle am Verfahren Beteiligten
Sollte Trump für schuldig befunden werden, drohen ihm im für ihn ungünstigsten Fall mehrere Jahre Gefängnis. Aber zu einem Prozess kann es frühestens Anfang nächsten Jahres kommen. Möglicherweise auch erst später, wenn der Präsidentschaftswahlkampf bereits in vollem Gang ist.
Vor Gericht hat Trump seine drei Anwälte sprechen lassen und geschwiegen. Aber kaum ist die Anklageverlesung am Dienstag abgeschlossen, fliegt er nach Florida zurück. Am Abend hält er dort vor einem handverlesenen Publikum in seinem Golfclub in Mar-a-Lago eine Rede, die von mehreren Medien live übertragen wird. Sie gerät zu einer ersten Machtprobe von Trump mit Richter Merchan und zu einer aggressiven Kostprobe dessen, was Trump in den nächsten Monaten vorhat.
Trump beginnt mit einer Beleidigung gegen die Frau, die er für verantwortlich hält. Er nennt Stormy Daniels ein „Pferdegesicht“. Dann verlangt er Anklagen sowohl gegen Präsident Joe Biden als auch gegen Ex-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Und hetzt gegen sämtliche Juristen, die sonst noch gegen ihn ermitteln.
Den Sonderermittler des US-Justizministeriums, der seine Rolle bei dem gewalttätigen Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 und seine Mitnahme von Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus nach Mar-a-Lago untersucht, nennt er einen „Verrückten“. Auch für die Juristen in Atlanta, die seine Versuche untersuchen, das Wahlergebnis von 2020 zu fälschen, benutzt er diese Unflätigkeit. Auf dem aggressiven Höhepunkt seiner Rede bezeichnet Trump den New Yorker Staatsanwalt Bragg als „Kriminellen“. Und beschimpft den Richter Merchan als „höchst parteiisch“. Als würde das noch nicht genügen, bezeichnet der Angeklagte auch noch dessen Gattin als „Trumphasserin“ und dessen Tochter als „Mitarbeiterin von Kamala Harris“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung