Anke Engelke wird 60: Die Erlöserin vom Schenkelklopfhumor
Anke Engelke hat Deutschlands männlich dominierte Comedy revolutioniert. Und sich dann auch im ernsten Fach bewiesen. Eine Würdigung zum 60. Geburtstag.
Die deutsche Fernsehunterhaltung entstand in den 50er Jahren – dementsprechend wirkte sie auch. Sogar noch in den 90ern: Männer machten von Schenkelklopfhumor dominierte Witze und moderierten Spielshows für die Familie. Als man die Hoffnung auf einen Nachweis für die Existenz lustiger Frauen schon fast aufgegeben hatte, erschien endlich Anke Engelke auf dem Bildschirm.
Entdeckt wurde sie schon vorher, wenngleich bei fragwürdigen Anlässen: Die dreisprachig aufgewachsene, musikalische Kölnerin begann 1975, mit zehn Jahren, in professionellen Fernsehchören zu singen, unter anderem begleitete sie den Schlagersänger Heino.
Wer zwischen 1979 und 1980 wider besserer Alternativen die „Hitparade“ im ZDF verfolgte, konnte zudem beim Auftritt der Gruppe „Pony“, die monatelang ihren grausigen Überhit „Das Lied vom Manuel“ performte, hinter dem stupsnasigen Sopranisten vier Chorsängerinnen erkennen, alle mit Pony (sic). Die mit der schönsten Fönfrisur war Anke. Ihr gequältes Lächeln schien angesichts Zeilen wie „Wir kennen deine Stimme / wir kennen dein Gesicht / Aber mögen mögen wir dich nicht“ nachvollziehbar.
Engelke moderierte sich hernach durch Radio- und Fernsehsendungen, unter anderem fesselte sie während der langen, leeren Sommerferienwochen herumgammelnde Schulkinder in den 80er Jahren beim „ZDF-Ferienprogramm“ verlässlich an die Glotze.
Nachahmungstalent
In den 90ern gehörte sie einem Radio-Comedy-Ensemble des SWR an. Das, und die frühen Fernsehshow-Erfahrungen mögen ihr überbordendes Nachahmungstalent und ihren Blick für die Künstlichkeit und hölzerne Übertreibung vieler TV-Prominenter verstärkt haben: Als Engelke ab 1996 mit Kollegen wie Ingolf Lück und Bastian Pastewka bei der Sat 1-Sketchsendung „Die Wochenshow“ auftrat, wollte man vor Glück den Fernseher umarmen, wenn man nicht so hätte lachen müssen. (Aus mangelnder weißer Sensibilität auch über Parodien, von denen sich Engelke inzwischen distanziert – unter anderem die „Rickys Pop Sofa“-Sketche, in denen ein Mitglied der Girlband „Tic Tac Toe“ veräppelt wurde.)
Nachdem Engelke mit Comedyserien wie „Anke“, „Ladykracher“ und dem Impro-Format „Blind Date“ mit Olli Dietrich weiterhin Schlagfertigkeit und Textsicherheit bewies, widmete sie sich verstärkt dem Schauspiel. Zunächst wurde sie meist in Komödien besetzt – dabei stehen ihre Herzenswärme und ihr Humor tragischen Geschichten ebenso: In der Miniserie „Das letzte Wort“ spielte sie 2020 eine Witwe, die als Trauerrednerin bei einem Bestattungsinstitut beginnt, und Zwiegespräche mit ihrem toten Ehemann führt. Was ein gutmütiger Abklatsch der US-Serie „Six Feet Under“ sein könnte (und es in schwachen Momenten auch ist), wird vor allem durch das großartige Schauspiel Engelkes empfehlenswert.
Bis heute spielt Engelke in Filmen, Kurzfilmen und Serien, macht Witze und Podcasts und wirbt in charmanten DB-Spots für mehr Toleranz gegenüber den Angestellten. Und natürlich ist sie nach dem Tod von Elisabeth Volkmann 2006 die einzige Wahl für die Synchronstimme von Marge Simpson.
Dass ihr Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk im letzten Jahr ungnädig die Ohren langziehen wollte, weil sie in einer von ihr verfassten Neuversion des Kinderbuchs „Die Häschchenschule“ den Fuchs als Veganer rehabilitierte und chemische Düngemittel verteufelte, macht sie umso sympathischer. Der Geburtstagskuchen zu ihrem 60., den sie am Sonntag hoffentlich gebacken bekam, schmeckt bekanntlich auch ohne Ei.
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