Anhörung zu Netzwerk „Blood & Honour“: Eine sehr gefährliche Organisation
Eine Anhörung im sächsischen Landtag gewichtet die Rolle der Nazis von „Blood & Honour“ neu. Die Behörden zeigen sich dabei weitgehend ahnungslos.
DRESDEN taz | Man müsse die „ideologieprägende Wirkung von ’Blood & Honour‘ genau beleuchten, um den NSU-Terror zu verstehen“. Mit dieser zentralen These trat der Rechtsextremismus-Experte (und taz-Autor) Andreas Speit am Donnerstag als Sachverständiger in einer Anhörung des Sächsischen Landtag auf.
Auch der Kieler Anwalt Alexander Hoffmann und Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen wandten sich gegen die Auffassung, es handele sich bei dem seit den achtziger Jahren von England aus expandierenden Netzwerk lediglich um eine subkulturelle Erscheinungsform der rechten Musikszene.
Von B-&-H-Gründer Stuart Donaldson stammt das Bekenntnis, Musik sei „das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser, als das in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann“.
Blaupause des Terrorismus
Speit zitierte Aufforderungen von „Combat 18“, dem militärischen Arm von „Blood & Honour“, sich zu bewaffnen und Geld zu beschaffen. In diesen Ungeist sei auch das spätere Terrortrio vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) hineingewachsen. Schon 1996 sei gewissermaßen eine „Blaupause“ des Terrorismus erkennbar gewesen.
Die deutsche B-&-H-Division wurde zwar im Jahr 2000 verboten. Die sächsische Sektion war aber zuvor schon aus dem Bundesnetzwerk ausgeschert, was die Verfolgung erschwerte. Harmloser war sie deshalb nicht; personell gibt es bis heute Kontinuitäten. Mit Thomas Persdorf und „Front Records“ Wurzen sowie „PC-Records“ Chemnitz haben zwei führende europäische Versandfirmen der Neonaziszene in Sachsen ihren Sitz. Auch der früher von B & H organisierte Konzertbetrieb ist keinesfalls zum Erliegen gekommen.
Vor allem Kerstin Köditz, Antifa-Sprecherin der Linksfraktion, hat früh und wiederholt auf die bis heute völlig unterschätzte Rolle von „Blood & Honour“ hingewiesen. Die Linke fragte deshalb schon im März das sächsische Innenministerium an. Auf zwei Seiten Fragen kam eine halbe Seite Antwort. Man sehe sich außerstande, die Fülle der gewünschten Details zu beschaffen und habe aktuell Wichtigeres zu tun, zum Beispiel ein NPD-Verbot zu prüfen.
Ermittlungen versickert
So ahnungslos wie das Innenministerium gaben sich Klaus Käfferlein vom Landeskriminalamt und Abteilungsleiter Olaf Vahrenhold vom Verfassungsschutz in der Anhörung nicht. Vahrenhold nannte „Blood & Honour“ eine „selbstverständlich sehr gefährliche Organisation“ und stellte auch nach dem Verbot noch eine „hartnäckige Struktur“ fest. Ähnliches gelte für die zahlenmäßig allerdings sehr kleine und dafür elitäre „Hammerskin Nation“, die ebenfalls Objekt der Anhörung war.
Käfferlein, Mitglied der Sonderkommission Rechtsextremismus, musste einräumen, dass fast alle eingeleiteten Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Dresden versickerten. Die unterlag allerdings 2009 auch einmal mit einer Beschwerde wegen einer nicht eröffneten Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht.
Anwalt Alexander Hoffmann hält es für notwendig, die B-&-H-Strukturen damals wie heute vollständig aufzudecken. Danilo Starosta vom Kulturbüro resümierte: „Sachsen hat in dieser Hinsicht die Entwicklungen der neunziger Jahre komplett verschlafen!“
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