Anhebung der Lohnuntergrenze: Ab Januar mehr Mindestlohn
9,50 Euro pro Stunde beträgt der deutsche Mindestlohn ab dem nächsten Jahr. Damit bleibt er weit unter den Vorstellungen der EU-Kommission.
Die Regierung setzt mit der Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Empfehlung der Mindestlohnkommission von Ende Juni um. In dem Gremium sitzen drei von den Arbeitgebern entsandte Vertreter, drei Gewerkschafter, der Vorsitzende sowie zwei nicht stimmberechtigte Wissenschaftler. Die Kommission berät alle zwei Jahre über eine Anpassung der Lohnuntergrenze. Sie orientiert sich dabei an der Tarifentwicklung und berücksichtigt die wirtschaftliche Lage.
Heil will einen Mindestlohn von 12 Euro erreichen. „Fünf Jahre nach der Einführung entspricht der Mindestlohn immer noch 46 Prozent des Durchschnittseinkommens“, sagte er. „Ich halte 12 Euro dann für ein erreichbares Etappenziel.“ Damit würde die Schere zu den Durchschnittslöhnen, die in Deutschland gerade bei 19,76 Euro lägen, deutlich verkleinert. Er setze darauf, dass 2022 die Pandemie und die Wirtschaftskrise so weit überwunden seien, dass so ein Schritt dann richtig sei.
„Dazu werde ich Vorschläge machen, die wir dann auch in der Koalition zu besprechen haben“, erklärte Heil. Auch künftig solle im Grundsatz aber die Mindestlohnkommission unter Einbeziehung der Sozialpartner in Deutschland Vorschläge für den Mindestlohn machen.
EU-Kommission: Mindestlohn für Wohnort angemessen
Heil begrüßte das Eintreten der EU-Kommission für konkrete Mindestlohn-Vorgaben. Die Behörde gab am Mittwoch in Brüssel bekannt, dass Geringverdiener überall in der EU mindestens 50 Prozent des Durchschnittslohns oder 60 Prozent des sogenannten mittleren Lohns im eigenen Land bekommen sollen. Der mittlere Lohn ist eine Rechengröße: 50 Prozent der Arbeitnehmer*innen verdienen mehr, 50 Prozent weniger. In Deutschland liegt der Mindestlohn derzeit deutlich unter den genannten Werten.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte versprochen, dass alle Arbeitnehmer in der Europäischen Union Mindestlöhne erhalten sollen, mit denen sie an ihrem Wohnort angemessen leben können. Nach Angaben der Kommission gilt jede sechste Arbeitskraft in der EU als Geringverdiener, die Mehrheit davon Frauen. Laut Statistischem Bundesamt erhielten im April 2019 rund 1,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindestlohn. Das entspricht rund 3,5 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind