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Angst der Autoindustrie vor VorschriftenEwiges Schreckgespenst

Schon seit den 1970ern jammert die Autoindustrie, dass neue Vorschriften und Technologien sie in den Ruin treiben. So auch jetzt.

Das Ende ist nah! Foto: dpa

Bleifreies Benzin galt den Herstellern in den 70er Jahren als Teufelszeug. Es werde zur „Existenzfrage für Millionen von Motoren“, erklärten damals die Techniker der Autobauer gegenüber den Umweltbehörden. Diese wollten das giftige Blei aus dem Sprit entfernen und setzten sich durch – auch weil „unleaded fuel“ etwa in den USA längst Standard war.

Bei den Plänen für den 3-Wege-Katalysator für Benzinmotoren in den 80er Jahren prophezeite der damalige Autolobby-Chef Achim Diekmann, ein Pkw mit Kat werde „etwa 5.000 Mark mehr kosten“, das Gerät müsse alle fünf Jahre ausgetauscht werden. Der ADAC meinte, bei schneller Fahrt werde der Kat sinnlos. Die Autos wurden geringfügig teurer, die Autobranche florierte weiter.

Gegen Partikelfilter in Dieselfahrzeugen wetterte die Industrie Anfang der 2000er. Das Gerät sollte die Gefahr durch Feinstaub eindämmen. Es werde aber Kosten erhöhen, den Autoabsatz bremsen und damit Jobs kosten, hieß es. Nach einem jahrelangen Tauziehen zwischen Regierung und Herstellern zahlte der Staat schließlich eine Prämie für den Einbau der Filter. Auch das hat der Industrie nicht geschadet.

Branchengejammer erzeugte auch die Hardware-Nachrüstung beim Dieselskandal. Stickoxidfilter seien technisch nicht machbar und zu teuer, warnen Hersteller und Ver­kehrsministerium. Milliarden-Strafzahlungen wie in den USA nach dem Betrug bei ­Dieseltests durch VW gibt es hier ebenfalls nicht. Sie könnten die wichtigste deutsche Industrie ­ruinieren, meinen Industrie und Politik. Das wiederum stimmt vielleicht sogar.

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5 Kommentare

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  • Um zwei Menschen plus schützender Hülle von A nach B zu bewegen, ist rein physikalisch eine ganz bestimmte Mindestmenge an Energie vonnöten. Wenn die Vorschriften sich dieser Grenze nähern, wird es immer schwieriger, Fortschritte zu erzielen. Und irgendwann ist ganz Feierabend. Sie können einfach keinen riesigen Öltanker mit einem Automotor bewegen und ein normales Auto nicht mit einem Motor, der sonst einen kleinen Fön antreibt. Jetzt haben die Konzerne jahrzentelang aus Gewohnheit gejammert, weil sie einfach kein Geld ausgeben wollten, aber nun kommen so langsam die Grenzen der Physik in Sicht.

    • @Thomas Schöffel:

      Sorry. "Physik" ist geduldig.

      Solange irgendetwas zwischen einer und zweieinhalb Tonnen als "notwendige Hülle" erscheint um zwischen sechzig und hundertzwanzig Kilo Fleisch durch die Gegend zu transportieren scheint ein Fehler im System zu sein.

      Nein, das Auto, wie wir es gewohnt sind ist's halt nicht mehr. Das wissen alle, und daher rührt die Panik der Autoindustrie (und all derer, die wir uns davon abhängig gemacht haben).

      Die "Physik" hier zu bemühen ist unredlich.

      • @tomás zerolo:

        Ich verstehe Ihren Einwurf nicht. Auch ein Elektroauto hat eine Energiebilanz, die nicht rosig aussieht. Wollen Sie, daß wir alle wieder in der Kutsche unterwegs sein sollen ?

        • @Thomas Schöffel:

          > Auch ein Elektroauto hat eine Energiebilanz, die nicht rosig aussieht.

          Eben. Deshalb macht es keinen Sinn, den ganzen Quatsch zu wiederholen, diesmal halt "auf Elektro".

          > Wollen Sie, daß wir alle wieder in der Kutsche unterwegs sein sollen?

          Also: "mein Auto oder Steinzeit". Sagte ich nicht "unredlich"?

          Nein. Kleinere Autos. Wesentlich weniger Autos. In dem Masse, in dem Menschen immer mehr in Ballungsräumen zusammenkommen macht es immer weniger Sinn, sich eine bis zweieinhalb Tonnen Schrott (die dafür ausgelegt sind, 1000 Kilometer zu fahren) unter den Hintern zu klemmen, um vielleicht 30 Km zu fahren.

          Öffis. Viel mehr Öffis. Das Auto, wie wir es kennen, ist ein Auslaufmodell (so wie es mal die Kutsche war). Da helfen auch keine Akkus. Da müssen wir Deutsche halt mal durch.

          • @tomás zerolo:

            Auch "kleinere" Autos benötigen Energie um bewegt zu werden. Diese Energie kann nicht wahllos verkleinert werden, sondern ergibt sich aus dem Gewicht, Reibungswiderstand etc. D.h., das ein bestimmter Energiewert nicht unterschritten werden kann. Daß große Autos ökologisch nicht sinnvoll sind, dagegen sagt ja keiner was. Aber daß die Regierung jetzt einfacgh mal so beschließt, daß soundsoviel Prozent bestimmter Abgase reduziert werden müssen, deutet nicht gerade auf viel Wissen bezüglich der Physik hin.