Angriffe auf Linke in Griechenland: Neonazis wüten in Hellas
Das Ziel sind Antirassisten und Flüchtlingshelfer: Mit Äxten und Messern sind Angreifer in den vergangenen Tagen gegen ihre Opfer vorgegangen.
Dann seien etwa 15 Männer mit Brechstangen auf die Keerfa-Mitglieder losgegangen und hätten sie mit Faustschlägen traktiert, berichteten Augenzeugen. Nach Keerfa-Angaben haben mehrere Personen Verletzungen erlitten.
Die Polizei traf erst nach dem Angriff ein. Am Montag nahm sie einen Tatverdächtigen fest. Medienberichten zufolge sei der 30-Jährige Mitglied der rechtsextremen Gruppierung „Propatria“.
Erst wenige Stunden zuvor hatte im Vorort Ilioupolis der nordgriechischen Metropole Thessaloniki ein halbes Dutzend mit Baseballschlägern und Eisenketten bewaffneter Männer eine Gruppe von Mitgliedern der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) angegriffen.
Die Parteijugend hatte Flugblätter mit antifaschistischem Inhalt verteilt. Vier Personen seien bei dem Angriff der mutmaßlichen Neonazis verletzt worden, so die KKE. Auch hier soll die griechische Polizei auffällig passiv geblieben sein, wie Beobachter klagten.
Nazigruß auf Schulgelände
Die Angriffe auf Linke, Antirassisten und Antifaschisten in Griechenland hatten am Montag vergangener Woche im Westen Thessalonikis, einem sozialen Brennpunkt der Stadt, begonnen. Schwarz gekleidete Jugendliche und Männer hatten aus einer Berufsschule im Vorort Stavroupolis heraus mit Eisenstangen, Äxten, Messern und Steinen Linke attackiert, die vor der Schule Flugblätter gegen die Bildungs- und Schulpolitik der konservativen Regierung unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis verteilten. Bilder zeigen, wie sie völlig unbehelligt auf dem Areal der Schule mit Nazigruß ihre Gesinnung preisgaben.
Am folgenden Morgen kam es in und vor der Berufsschule erneut zu schweren Ausschreitungen zwischen Neonazis und nun gegen die Vorfälle vom Vortag protestierenden Linken. Am Mittwoch wütete dann ein Stoßtrupp der Neonazis in der Berufsschule in Evosmos, einem weiteren Vorort Thessalonikis. Die Polizei nahm mehrere Personen in Gewahrsam. Im benachbarten Stavropoulis konnte der Unterricht nur unter starker Bewachung durch die Bereitschaftspolizei stattfinden.
Bedeutender Jahrestag steht an
Die rechtsextremen Angriffe ereignen sich im Vorfeld des ersten Jahrestags des denkwürdigen Gerichtsurteils aus dem Oktober 2020 zur berühmt-berüchtigten Ex-Parlamentspartei „Goldene Morgenröte“. Das Athener Berufungsgericht hatte unter anderem die gesamte Führungsriege unter Parteiführer Nikos Michaloliakos nach einem Mammutprozess zum Mord am linken HipHop-Sänger Pavlos Fyssas 2013 in Athen wegen der Bildung und Leitung einer kriminellen Vereinigung sowie Waffenbesitzes zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren und acht Monaten für schuldig gesprochen. Gegen den Mörder Georgios Roupakias wurde eine lebenslängliche Haftstrafe plus 14 Jahre verhängt.
Nach dem Urteil waren nicht zuletzt die im Athener Parlament vertretenen Parteien davon ausgegangen, dass das Unwesen der griechischen Neonazis damit beendet sei – offenbar ein Trugschluss, wie die Ereignisse der letzten Tage belegen.
Wie aktiv die Rechtsextremen in Griechenland auch nach der Inhaftierung der Führungsspitze der „Goldenen Morgenröte“ bleiben, belegt ein weiterer Umstand: Vor einem Lyzeum in Pylaia, einem Vorort von Thessaloniki, versuchten Neonazis am 22. September, Schüler zu rekrutieren. Ungestört konnten sie vor Unterrichtsbeginn Flugblätter verteilen, auf denen unter dem Titel „Wie du ein Krimineller wirst“ stand: „Verabscheust du deinen Lehrer, dem beim Wort Nation und Rasse übel wird? Willst du, dass deine Mutter und Schwester keine Angst haben, abends auf die Straße zu gehen? Glückwunsch! Dann bist du auch ein ‚Mitglied einer kriminellen Vereinigung‘“ – offenkundig ein ironischer Verweis auf die Verurteilung der Mitglieder der „Goldenen Morgenröte“ vor fast einem Jahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé