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Angriff auf eine Kaserne in VenezuelaMilitär und Staatsgewalt

Militäraufstand oder Wiederherstellung der Demokratie? Ein ehemaliger Kommandant lehnt sich in Venezuela gegen Präsident Nicolás Maduro auf.

Die Militärbasis der 41. Brigade in Valencia Foto: reuters

Buenos Aires taz | Es ist eine konfuse Geschichte. Am Sonntagmorgen hatte eine Gruppe von Personen eine Kaserne in der venezolanischen Stadt Valencia angegriffen. AnwohnerInnen berichteten von Schusswechseln und von zur Kaserne rasenden Ambulanzen. Der Militäreinheit vor Ort gelang die Niederschlagung des Angriffs und die Wiederherstellung der Ordnung. In einer Stellungnahme der Armee heißt es, die Aktion „wurde von einer Gruppe von zivilen Kriminellen in Militäruniformen und einem desertierter Leutnant“ ausgeführt.

Zur gleichen Zeit wurde auf YouTube ein Video eingestellt, das eine Gruppe von offensichtlichen Militärangehörigen zeigt, deren Anführer von einer „Erhebung zur Wiederherstellung der Demokratie“ spricht. Schnell machte das Gerücht vom Beginn eines Militäraufstands oder eines Putsches die Runde.

Präsident Nicolás Maduro sprach im Fernsehen von „20 Söldnern“, die am frühen Sonntagmorgen kurz vor vier Uhr Ortszeit mit ihren Angriff begonnen hatten. Zwei der Angreifer seien erschossen worden, einer wurde verletzt, so Maduro. Von den übrigen wurden sieben verhaftet. Zehn konnten mit einigen erbeuteten Waffen und Munition entkommen, darunter der Anführer.

Bei dem Anführer handelt es sich offensichtlich um den ehemaligen Kommandanten der 41. Brigade in Valencia, Juan Caguaripano, der sich in dem Video als solcher zu erkennen gibt. „Dies ist kein Putsch, sondern eine zivile und militärische Aktion zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung, aber vor allem um das Land vor der totalen Zerstörung zu retten“, sagt er. Es sei eine legitime Rebellion gegen die mörderische Tyrannei von Nicolás Maduro.

Caguaripano ist kein Unbekannter. Schon vor drei Jahren war er in einem Video zu sehen, als er während der damaligen Protestwelle die Militärs dazu aufrief, sich nicht als Instrument für die Repression legitimer Demonstrationen und Forderungen missbrauchen zu lassen. Damals sei er „wegen Vaterlandsverrat und Rebellion“ seines Postens enthoben worden, nach Miami geflüchtet und werde seither gesucht, heißt es in einem weiteren Kommuniqué der Streitkräfte.

Die militärische Elite unterstützt die Regierung

Der Angriff fand zwei Tage nach der Bildung der umstrittenen Verfassunggebenden Versammlung statt, mit der sich die Regierung ihre zukünftige Alleinherrschaft gesichert hatte. Sollten die Angreifer darauf gehofft haben, dass der Funke der Rebellion auf andere Kasernen oder Teile der Militärs überspringt, wurden sie enttäuscht.

Der Vorfall rückt jedoch die Rolle der Streitkräfte in dem Karibikstaat in den Vordergrund. Die sind angesichts der sozialen und politischen Gewalt alles andere als ein monolithischer Block. Die militärische Elite unterstützt offen das politische Vorgehen der Regierung und ist unmittelbar an ihr beteiligt.

Zugleich kontrolliert das Oberste Kommando alle strategischen Bereiche: Ernährung, Importe, Zölle, innere Sicherheit, Strom- und Energieversorgung. Seine wirtschaftliche Macht wurde mit der Gründung der militäreigenen Camimpeg im Februar 2016 noch erheblich erweitert, die inzwischen im Bergbau und bei der Öl- und Gasförderung eine zentrale Rolle spielt.

Dagegen herrscht in den mittleren Rängen schon seit Langem eine große Unzufriedenheit. Dazu tragen auch die ständigen Korruptionsvorwürfe gegen die ranghohen Militärs und deren mutmaßliche Verwicklung in den Drogenhandel bei.

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1 Kommentar

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  • Welche und wessen Demokratie in Venezuela wiederherstellen?

     

    Erkundigen wir uns bei Friedrich Engels: „In der demokratischen Republik übt der Reichtum seine Macht indirekt, aber um so sicherer aus, und zwar erstens durch ‚direkte Beamtenkorruption und zweitens durch die Allianz von Regierung und Börse.“ Und ergänzen wir mit Lenins: „Heute haben Imperialismus und Herrschaft der Banken diese beiden Methoden, die Allmacht des Reichtums in jeder beliebigen demokratischen Republik zu behaupten und auszuüben, zu einer außergewöhnlichen Kunst ‚entwickelt‘.“

     

    Was aber passiert, wenn die Menschen dieses Spiel endlich durchschaut haben werden? Wenn der von bürgerlichen Politikern, gut-geschmierten Lobbyisten und Medienvertretern der Bevölkerung immer wieder eingebläute Glaubenssatz, demzufolge „wir“ ‚in der besten aller Welten‘ leben, seine narkotisierende Wirkung verliert? Was, wenn der berühmte Groschen fällt und sich die Einsicht durchzusetzen beginnt, dass diese Demokratie und Freiheit nicht unsere Demokratie und Freiheit ist? Dass diese kapitalistischen Demokratie und Freiheit – jetzt drücken wir es wieder mit den Worten Lenins aus – „unvermeidlich eng ist, die die Armen im Stillen beiseite schiebt und daher durch und durch heuchlerisch und verlogen ist“?

     

    Nicolai Bucharin, einer der klügsten Köpfe der russischen Revolution wurde im Zuge der antikommunistischen Säuberungen hingerichtet. Bucharin starb als Kommunist und das genügt, um ihn über seinen Tod hinaus zu ächten. Hier nun sein Satz: „Die Demokratie ist die Staatsform des Bürgertums, wenn es keine Angst hat, der Faschismus, wenn es Angst hat.“

     

    Immer dann, wenn Grundwerte der Demokratie aufgelistet werden sollen, kommt der Begriff „Freiheit“ ins Spiel, ein Synonym für alle Worte, die mit dem Präfix „Privat“ beginnen: Privatinitiative, Privateigentum, Privatinteressen.

     

    [Eine Modifikation, vgl.]

     

    Vgl.: Demokratie – welche und wessen? http://www.dielinke-steglitz-zehlendorf.de/fileadmin/sz/2011/Demokratie.pdf