Angriff auf Fenerbahce Istanbul: Fußballer unter Beschuss
Nach dem Angriff auf Fenerbahce Istanbul wird über die Hintergründe gerätselt. Gibt es Verbindungen zu dem nicht aufgearbeiteten Manipulationsskandal?
Gerüchte gibt es viele. Aber erst einmal zu den Fakten: Samstagnacht, nach dem 5:1 in Rize am Schwarzen Meer, wurde der Bus, in dem sich Spieler und Offizielle von Fenerbahce Istanbul befanden, auf der Fahrt zum Flughafen nach Trabzon mit einer Schusswaffe angegriffen und offenbar auch mit Steinen beworfen. Es gab Einschläge in der Frontscheibe und der Seitenscheibe, der Busfahrer wurde leicht im Gesicht verletzt. Am Sonntag fanden Ermittler rund 150 Meter entfernt von der Stelle, wo der Bus von einem geistesgegenwärtigen Sicherheitsmann von Fenerbahce schließlich zum Stehen gebracht worden war, ein selbst gebautes Gewehr.
Wer hinter dem Anschlag steckt und ob es sich um einen oder mehrere Täter handelt, ist noch nicht ermittelt. Türkische Medien bezeichneten den Vorfall als den „größten Skandal“ in der Sportgeschichte des Landes. Am Sonntag aber lief der Spielbetrieb in der Süperlig erst einmal weiter. Erst Sonntagabend sagte der Türkische Fußballverband (TFF) die beiden kommenden Spiele von Fenerbahce ab. Auch die Einstellung des kompletten Spielbetriebs sei nach dieser „feigen Tat“ eine „Option“, sagt Sportminister Cagatay Kilic.
Auch wenn über die Hintergründe des Vorfalls noch nichts bekannt ist, sind einige Verschwörungstheorien im Umlauf. Weil der Vorfall sich in Trabzon abgespielt hat, sehen viele Fenerbahce-Fans radikale Anhänger von Trabzonspor als Täter. Die Fans beider Vereine verbindet eine verbitterte Feindseligkeit. In der Skandalsaison 2010/11 soll sich Fenerbahce Istanbul den Meistertitel erkauft haben, Trabzonspor wurde damals Zweiter. Fener-Präsident Aziz Yildirim war wegen der „Bildung einer kriminellen Bande“ zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Die Uefa hatte den Klub für zwei Jahre von ihren Wettbewerben ausgeschlossen. Diese Sperre wurde vom Internationalen Sportsgerichtshof in Lausanne bestätigt, der Einspruch von Fenerbahce vom Schweizer Bundesgericht abgeschmettert.
Der TFF hatte einen Zwangsabstieg der Großklubs Fenerbahce und Besiktas, das das Pokalfinale 2011 gekauft haben soll, damals durch handstreichartige Statutenänderungen verhindert – nachdem der langjährige Besiktas-Präsident Yildirim Demirören überraschend Verbandschef geworden war. Fenerbahce wurde der Titel bis heute vom TFF nicht aberkannt. Trabzonspor als damaliger Vizemeister aber beansprucht den Titel für sich.
Hoffen auf die Fifa
Den Beschuss des Fenerbahce-Buses nehmen nun viele zum Anlass, einen Schlussstrich unter die seltsame, bereits dreieinhalb Jahre dauernde Aufarbeitung des Manipulationsskandals zu fordern. Trabzonspor hofft indes auf die Einmischung der Fifa. Am Sonntag erklärte ein Jurist des Klubs: „Wir werden den Kampf um unsere Rechte wie bisher auf legaler Ebene fortsetzen. Niemand darf uns davon abhalten.“
Auf Seiten der Trabzonspor-Fans machen Verschwörungstheorien die Runde, nach denen Fenerbahce selbst den Vorfall inszeniert habe, um sich als Opfer zu stilisieren. Das Verfahren gegen Fener-Boss Yildirim wird nach einem Gerichtsbeschluss vom Januar neu aufgerollt. Wie die damalige Regierung Erdogan inszeniert sich Fener-Präsident Yildirim nun als Opfer eines Komplotts – beide vermuten hinter den jeweiligen Vorwürfen die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen.
Einst Weggefährte von Erdogan, ist Gülen, der in den USA lebt, mit dem Staatschef verfeindet. Angeblich sollen Gülen-Anhänger den Justizapparat unterwandert haben. In den letzten Monaten wurden Tausende Staatsanwälte und Richter versetzt oder entlassen, unter anderem auch jener Staatsanwalt, der den Manipulationsprozess im Fußball geführt hat. Es gibt sogar Stimmen, die Gülen hinter dem Beschuss auf den Fener-Bus vermuten.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!