Angezündete Autos in Berlin: Mit Feuer und Flamme dabei
Aktuelle Zahlen zeigen: Autos abfackeln ist meist keine linke politische Aktion, sondern Versicherungsbetrug, Racheakt – oder ein rechter Angriff.
Auch in Berlin werden mal mehr, mal weniger Autos abgefackelt. Es gab Jahre, da schien – so der erste Eindruck – linksradikale Politik nur aus dem Anzünden von Fahrzeugen zu bestehen. Jedenfalls überboten sich die Boulevardmedien mit Hetze gegenüber den vermeintlichen Tätern und Häme gegenüber Politik und Polizei, die kaum einen der gewünschten Täter fassen konnte.
Was daran lag und liegt, dass der gerne pauschal unterstellte politische linke Hintergrund in viel weniger Fällen besteht als von der von Autobränden angeheizten Kleinbürgerseele gewünscht. Bislang galt die Faustregel, dass dies etwa für ein Drittel aller Autobrandstiftungen angenommen wird; laut den Zahlen für dieses Jahr, die nach dem Hamburger Gipfel besonders neugierig betrachtet werden, ist es sogar lediglich jede fünfte.
151 Autos wurden in Berlin laut Polizei bis 21. Juli angezündet; bei 22 Taten mit 33 attackierten Wagen vermutet sie eine politische Motivation. 14 davon werden dem linken Spektrum zugeordnet, 8 dem rechten. Unter letztere Kategorie fallen auch die Anschläge auf Fahrzeuge von Linken in Neukölln. Das den Deutschen „heilige Blechle“ zu zerstören ist auch für Nazis kein Tabu mehr.
Diese Zahlen zeigen aber eben auch, dass der bei Weitem größte Teil der Taten unpolitisch ist. Es handle sich laut Polizei um Vandalismus, Versicherungsbetrug oder Racheakte im privaten Umfeld.
Wer länger über diese Bilanz nachdenkt, kann glauben, dass es mit der Liebe der Deutschen zum Auto doch nicht ganz so weit her sein kann. Sonst würde man doch nicht so lieblos damit umgehen. Schön wär’s. Wahrscheinlich ist das Gegenteil der Fall: Die Beziehung ist so innig wie eh und je. Und der Schaden, den ein anderer erleidet, soll mindestens so schmerzen wie eine Brandwunde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück