Angebliche Verbindungen zu Russland: Antifa-Gruppen wehren sich
Russland soll zwei Berliner Antifagruppen unterstützen, berichteten mehrere Medien. Eine seltsam klingende Behauptung – und offenbar völlig haltlos.
Kreml-Unterstützung für die Antifa West Berlin und die North-East Antifascists (NEA), zwei Berliner Kiez-Antifagruppen mit überschaubarer Größe und Einfluss? Eine seltsam klingende Behauptung. In einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung verwehren sich die beiden Gruppen gegen diese Unterstellung. „Wir widersprechen ganz entschieden den Medienberichten, die über unsere vermeintliche Nähe zur russischen Regierung berichtet haben“, heißt es dort.
„Mit einer solchen Berichterstattung wird ein Narrativ verbreitet, in dem linke und rechte Kräfte als diffuser, komplizenhafter Feind der bürgerlichen Gesellschaft auftreten“, schreiben die Gruppen weiter. Keins der deutschen Medien, die über den Fall berichteten, habe die vorher Kontakt zu ihnen aufgenommen.
Grundlage der Mutmaßungen ist die Tatsache, dass beide Gruppen für ihre Webseiten einen Server nutzen, der 2016 auch von russischen Hackern genutzt worden sein soll. Wie die auf Fact-Checking spezialisierte Journalistin Karolin Schwarz berichtet, liegen dort allerdings mehr als 130 weitere Internetseiten. Die beiden Gruppen haben ihre Domain außerdem bereits 2013 beziehungsweise 2015 registriert.
Falschinformationen über Falschinformationen
Die Vorwürfe sind also offenbar technisch kaum begründbar. Inhaltlich absurd sind sie allemal, für eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen und der russischen Regierung gibt es nicht den kleinsten Hinweis – und dass Antifa-Gruppen zu einer Demonstration gegen die AfD aufrufen, ist wohl kaum bemerkenswert. Watson.de hatte zwischenzeitlich sogar berichtet, die beiden Gruppen hätten von dem Server aus „Falschinformationen zur Europawahl“ verbreitet – eine Behauptung, die aus der Berichterstattung der New York Times nicht hervorgeht und inzwischen zurück genommen wurde.
„Ja, wir wollen die kommenden EU-Wahlen beeinflussen, vor allem zu Ungunsten der AfD und anderer Parteien, die sich (…) für die Festung Europa einsetzen“, heißt es in der Erklärung von Antifa Westberlin und NEA zum Schluss. Für ihre nächsten Aktivitäten – eine Demo zum Ort der AfD-Wahlparty oder ein Tresen mit Küfa (Küche für alle) und Tischtennis – werden sie wohl kaum auf die Unterstützung der russischen Regierung zurück greifen müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Fortschrittsinfluencer über Zuversicht
„Es setzt sich durch, wer die bessere Geschichte hat“