piwik no script img

Angeblich Strafanzeige erstattetSchlammschlacht bei der Linken

Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić wirft dem Hamburger Vorstand vor, ihr Büro betreten und durchsucht zu haben. Es gibt Zweifel an ihren Aussagen.

Sauer auf die Hamburger Parteigenoss:innen: Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić (Linke) Foto: Christian Thiel/Imago

Hamburg taz | Der Streit in der Hamburger Linken hat in den vergangenen Monaten schon für viele Eklats gesorgt, nun geht es munter weiter: Die Hamburger Bundestagsabgeordnete Žaklin Nastić wirft Teilen ihres Landesvorstandes vor, ihr Büro illegal betreten zu haben und möglicherweise gar ihre Unterlagen durchsucht zu haben. Sie habe daraufhin Anzeige gegen den Geschäftsführer, dessen Stellvertreterin sowie gegen unbekannt wegen Landfriedensbruchs gestellt.

Das teilte sie dem Hamburger Abendblatt mit. Der Geschäftsführer Christoph Timann bestreitet die Vorwürfe, vermutet darin eher ein weiteres Manöver von Nastić, gegen den ihr verfeindeten Landesvorstand zu wettern. „Das entwickelt sich zur Schlammschlacht“, sagt Timann.

Gegenüber der taz bestätigt Nastić ihre Vorwürfe. „Es handelt sich hierbei nicht um eine Vermutung, dass mein Wahlkreis-Büro wiederholt unbefugt von Dritten betreten wurde“, sagt Nastić. „Der Landesgeschäftsführer Christoph Timann ist erwischt worden, als er gerade dabei war, mein Büro zu betreten.“

Dass dabei auch ihre Unterlagen durchsucht worden seien, hält sie für denkbar: „Herr Timann – und auch andere – hätten unzählige Gelegenheiten gehabt, dort auch Unterlagen anzusehen und zu vervielfältigen“, sagt Nastić. Gegenüber dem Abendblatt sprach sie gar von „Stasi-Manier“.

Hat Timann bloß ein Paket angenommen?

Nastićs Büro befand sich in den Räumlichkeiten der Landesgeschäftsstelle. „Dort ist sie kürzlich ausgezogen und uns noch Miete schuldig“, sagt Timann. Als Geschäftsführer hat er einen Schlüssel für dieses Büro – „für Notfälle, etwa wenn es brennt, oder auch um an Frau Nastić adressierte Pakete abzulegen.“ Das sei auch von früheren Geschäftsführern und früheren Bundestagsabgeordneten so gehandhabt worden.

Mitte März sei ein sperriges Paket für Nastić angekommen. Timann und ein Mitarbeiter hätten es angenommen und in ihr Büro gestellt. „Daraufhin ist sie offenbar auf die Idee gekommen, diese Vorwürfe zu erheben“, sagt Timann.

Nastić wiederum betont, Timann sei dort ohne Post in der Hand gesehen worden. Und schließlich habe sie ja ein Postfach für diese Zwecke. Timann verweist darauf, dass das besagte Paket dort nicht hineingepasst hätte. Den Vorfall habe sie mit dem Landesvorstand und auch der Spitze der Bürgerschaftsfraktion besprechen wollen, doch der habe Nastićs Vorwürfe nicht ernst genommen. Da wiederum widerspricht Timann: Nastić habe sofort mit einer Anzeige gedroht, Einladungen zu Vorstandssitzungen habe sie nicht angenommen.

Dass die zum Flügel um Sahra Wagenknecht gehörende Nastić nun die Vorwürfe öffentlich macht, geschieht wenige Tage, nachdem die Bundesspitze sich erstmals klar von Wagenknecht distanziert hatte. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, beschloss die Spitze einstimmig.

Flügelstreit lähmt Partei seit Monaten

Seit Monaten ist die Partei – insbesondere auf Bundesebene – gelähmt durch den Flügelstreit. Die Parteispitze zeigte sich bislang machtlos gegenüber dem Wagenknecht-Flügel. Der lanciert seit Längerem die Idee einer Abspaltung von der Partei, die aus ihrer Sicht nurmehr von Lifestyle-Linken dominiert würde – die hätten die pazifistischen Wurzeln der Partei verraten und den Bezug zu den Problemen der vermeintlich einfachen Leute verloren.

Auch in Hamburg geht dieser Riss durch die Landespartei. Hier sind die Machtverhältnisse jedoch gegenwärtig eindeutig: Auf dem Parteitag im vergangenen September wurden die Wagenknecht-Anhänger:innen an den Rand gedrückt. Der dort gewählte neue Landesvorstand um die beiden Vorsitzenden Sabine Ritter und Thomas Iwan hat sich nun klar hinter den Beschluss die Bundespartei gestellt.

Damit verbunden hat er die Aufforderung an Nastić, auch sie solle nun ihr Bundestagsmandat niederlegen, das sie bei der vergangenen Bundestagswahl über die linke Landesliste erhalten hatte: „Die Bundespartei fordert alle Bundestagsabgeordneten auf, die an konkurrierenden Parteiprojekten arbeiten, ihr Mandat niederzulegen“, heißt es in einer Mitteilung des Vorstands. „Dieser Beschluss geht auch an unsere Hamburger Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić, um ihr die Gelegenheit zu geben, sich zur Frage einer Mandatsniederlegung vor dem Hintergrund der auch ihr geltenden Aufforderung des Parteivorstands zu verhalten.“

Nastić ruft Bundesvorstand zum Rücktritt auf

Nastić reagierte gegenüber der Jungen Welt umgehend: „Mit diesem Beschluss, von dem ich über Twitter erfahren habe, hat sich der geschäftsführende Landesvorstand in Hamburg genau wie der Bundesvorstand endgültig als politisch verantwortungslos geoutet“, sagte Nastić. Den Bundesvorstand wiederum ruft sie nun zum Rücktritt auf.

Auch in anderen Landesverbänden im Norden geht das Ringen nun weiter: So poltert etwa der frühere Landesvorsitzende der niedersächsischen Linken, Lars Leopold, gegen den Beschluss der Parteispitze. „Die vom Parteivorstand forcierte und von unserem Landesvorstand beklatschte Spaltung unserer Partei lehnen wir strikt ab“, gab Leopold zusammen mit weiteren Hildesheimer Linken-Mitgliedern bekannt.

Zwar sind Nastićs Vorwürfe gegenüber dem Landesvorstand nun in der Welt, es gibt jedoch Zweifel daran, ob sie das tatsächlich strafrechtlich überprüfen lassen will. Zwar bestätigt sie auf Nachfrage am Mittwoch auch der taz, sie habe Anzeige erstattet. Und das bei der Staatsanwaltschaft Hamburg.

Zum Stand der Ermittlung befragt, wissen jedoch weder die Hamburger Polizei noch die Staatsanwaltschaft etwas von der angeblichen Strafanzeige. „Uns liegt dazu nichts vor“, heißt es auf Nachfrage bei der Polizei. „Wir haben dazu keine Informationen“, gibt die Staatsanwaltschaft bekannt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!