Linken-Landesparteitag in Hamburg: Drei Viertel wollen Politik machen
Nach viel Streit und einem Eklat: Beim Parteitag der Hamburger Linken setzten sich die pragmatisch Orientierten klar durch.

Stehen für pragmatische Politik: die neuen Landessprecher:innen Thomas Iwan und Sabine Ritter Foto: Markus Scholz/dpa
HAMBURG taz | Bei der Hamburger Linken sind die Kräfteverhältnisse nach dem Landesparteitag am Wochenende fürs Erste geklärt: Nach hitzigen und teils wuterfüllten Debatten samt einem Eklat, der mit körperlichem Einsatz beendet wurde, haben sich die an pragmatischer Politik interessierten Strömungen durchgesetzt: Sabine Ritter und Thomas Iwan aus diesem Lager sind die neuen Landessprecher:innen.
Sowohl mit dem Leitantrag, nach dem sich die Hamburger Linke mehr auf die konkrete Arbeit an realpolitischen Problemen konzentrieren solle, als auch bei der Wahl der beiden LandessprecherInnen am Samstag setzten sich deutlich die pragmatisch Orientierten durch. Ritter wurde mit 70,4 Prozent, Iwan mit rund 72 Prozent gewählt. Ihre Gegenkandidat:innen aus dem antiimperialistischen Lager, deren Vertreter:innen am Wochenende vor allem über den „Wirtschaftskrieg“ des Westens gegen Russland diskutieren wollten, erhielten jeweils rund 25 Prozent der Stimmen.
Bereits am Freitag beim Resümee über die Arbeit der scheidenden LandessprecherInnen waren die Fronten klar: Die Mehrheit der Delegierten äußerte heftige Kritik an Żaklin Nastić und Keyvan Taheri. Sie hätten in den vergangenen zwei Jahren kaum etwas unternommen, um für Ruhe im Landesverband zu sorgen, und stattdessen die Konflikte selbst befeuert.
Zum Eklat kam es bei der Wahl der Landessprecherin: Bijan Tavassoli ließ mitteilen, er habe kürzlich das Geschlecht gewechselt und kandidiere nun für den weiblichen Spitzenposten. Gegen Tavassoli lief in der Vergangenheit bereits ein Parteiausschlussverfahren: Er hatte Querfront-Ansichten beim verschwörungsideologischen russischen Propagandasender RT geteilt und im vergangenen Jahr den Sieg der Taliban in Afghanistan gefeiert.
Eine mit Maske und Kapuze vermummte Person verlas eine wirre Erklärung
Weil der Wahlvorstand den Wahrheitsgehalt der behaupteten Geschlechtsumwandlung kurzfristig nicht überprüfen konnte, ließ er die Kandidatur zu. Stellvertretend für Tavassoli las dann eine mit Maske und Kapuze vermummte Person eine wirre Erklärung Tavassolis vor, in der auch Linke-Mitglieder mit persönlichen Beleidigungen überzogen wurden.
Tavassolis Abwesenheit soll, so die Erklärung, daran liegen, dass er beziehungsweise sie an „Corona und wahrscheinlich Affenpocken“ erkrankt sei. Weil der Redner das Vorlesen trotz Ermahnungen nicht unterbrach, wurde er mit körperlichem Einsatz vom Pult entfernt. Später ließ Tavassoli mitteilen, dass die vorgelesene Rede nicht von ihm stamme.
Leser*innenkommentare
Manfred MIlde-Büttcher
Dies dürfte einer der Höhepunkte dieser Kasperletheater-Partei gewesen sein. Eine Partei, die am lautesten nach Gerechtigkeit schreit (Definition abzuholen bei der Kirche bzw. im Jenseits) wird durchgeschüttelt von Mobbing, Sexismus, Rassismus und lustigen Genderanekdoten. So eine Partei ist nicht einmal eine Alternative für Deutschland.
knackwurst
"Weil der Wahlvorstand den Wahrheitsgehalt der behaupteten Geschlechtsumwandlung kurzfristig nicht überprüfen konnte, ließ er die Kandidatur zu." - Wäre so eine "Überprüfung" nicht transfeindlich gewesen? Und in welcher Form hätte die stattfinden sollen? Inaugenscheinnahme?
Anne Pipenbrinck
@knackwurst Na, durch das Einsehen des entsprechenden Datensatzes. Da ist das Geschlecht erfasst und auch eventuelle Änderungen m(
Ichbinderichbin
@knackwurst oh und ergänzend die Szene der Kandidatur
www.facebook.com/b...s/454039940076197/
Ichbinderichbin
@knackwurst Tavassolli hatte in der per sms eingereichten Bewerbung gschrieben eine Geschlechtsänderung bereits im November der Partei gemeldet zu haben, das sollte geprüft werden
Manfred MIlde-Büttcher
@knackwurst Man muss sich nur die Chromosomen anschauen: xx oder xy, schon weiß man Bescheid.
herstory
@Manfred MIlde-Büttcher Man weiß heute, dass es viel mehr Kombinationen gibt als nur diese zwei.