Anerkennung von Clubs als Kulturstätten: Mehr als Schweiß und Drinks
Bremens Regierungsparteien wollen, dass Clubs als Kulturstätten anerkannt werden. Das könnte die Clubs vor Verdrängung schützen.
Musikclubs gelten in Bremen und nahezu allen anderen Bundesländern momentan als sogenannte Vergnügungsstätten. Sie werden damit beim Baurecht bewertet wie Spielhallen, Wettbüros oder Bordelle. Das kann für einen Club oft ein schnelles Aus bedeuten, wenn beispielsweise auf dem Nachbargrundstück ein Wohngebiet entstehen soll. Gibt es dann Beschwerden über Lärm, muss der etablierte Club als Vergnügungsstätte den Lärmschutz selber zahlen oder dichtmachen.
Um das zu verhindern, fordern Grüne, Linke und SPD der Bremer Bürgerschaft nun, die Clubs in Bremen als Kulturstätten anzuerkennen. Als Kulturstätten wären Clubs weniger leicht zu verdrängen. „Die momentane Einordnung von Clubs in die Baunutzungsverordnung als Vergnügungsstätten erschwert auch die Neuansiedlung von Clubs“, sagt Victor Frei, Leiter der Geschäftsstelle bei Clubverstärker Bremen, ein Verbund von Musikspielstätten und Festivals aus Bremen, Oldenburg und dem Bremer Umland. „Bisher geht immer alles nur mit Ausnahmegenehmigungen.“ Eine Einordnung in der Baunutzungsverordnung als Kulturstätte hätte große Vorteile, sagt er.
Berlin legte letztes Jahr vor: Im November 2020 fasste die rot-rot-grüne Regierungskoalition den Beschluss, Clubs und Livemusik-Locations nicht mehr als Vergnügungs-, sondern als Kulturstätten anzuerkennen. „Es ist enorm wichtig, dass die Clubs Anerkennung dafür bekommen, dass sie Kultur machen“, sagt Frei. „Der Antrieb der Betreiber ist die kulturelle Arbeit und nicht das rein Wirtschaftliche.“
Die Antragssteller*innen der Regierungsfraktionen betonen noch eine andere wichtige Funktion: Viele Musikclubs in Bremen seien auch zivilgesellschaftlich aktiv und setzten sich für Antifaschismus und Antidiskriminierung im Allgemeinen ein. „Sie bilden somit auch wichtige Schutz-und Identifikationsorte für Personen, die in der Mehrheitsgesellschaft von Diskriminierung betroffen sind“, heißt es in dem Antrag.
Berlin ist das erste und bisher einzige Bundesland, das Clubs als Kulturstätten einschätzt, diskutiert wird die idee aber auch anderswo.. Sollte Bremen heute als zweites Bundesland folgen,,würde damit ein wichtiges Zeichen gesetzt, sagt Kai Wargalla, kulturpolitische Sprecherin der Bremer Grünen. „Momentan werden die Belange von Clubs hier im Wirtschaftsressort besprochen und gar nicht im Kulturressort“, sagt sie. Das müsse sich ändern. „Wir wollen uns endlich auch kulturpolitisch über die Clubs unterhalten.“
Bremen und Berlin würden damit eine Richtung vorgeben, die sich die ganze Clubszene in Deutschland wünschen würde. Auf Bundesebene hat sich nämlich bisher wenig getan. Ein parteienübergreifendes „Parlamentsforum Clubkultur“ versucht seit einiger Zeit vergebens, Innenminister Horst Seehofer (CSU) dazu zu bewegen, bei der sogenannten Baunutzungsverordnung Änderungen vorzunehmen.
Bis das geschehen ist, mag eine solche Entscheidung auf Landesebene zwar für Freude sorgen, bleibt aber gegebenenfalls symbolisch. Denn sollte es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen, etwa mit Anwohner*innen oder Investor*innen, könnte die Baunutzungsverordnung die Einstufung als Kulturstätte auf Landesebene womöglich stechen: Nach der Bundesregelung gelten Clubs nach wie vor als Vergnügungsstätten.
Bundesweite Anerkennung gefordert
Gemeinsam mit Berlin will man in Bremen darum auch eine bundesweite Anerkennung fordern, sagt Wargalla. „Es ist aber auch schon mal gut, wenn wir als Bundesland ein Zeichen setzen.“
Momentan haben die Clubs noch andere Probleme. „Die Clubs sind jetzt zu Corona natürlich sehr betroffen“, sagt Wargalla. „Sie mussten als Erstes schließen und werden als Letzte aufmachen dürfen.“ Viele würden auch in Bremen um ihre Existenz bangen. „Wir wollen mit der Anerkennung für hinterher bessere Perspektiven schaffen“, so Wargalla.
Wenn sie denn kommt, die Anerkennung: Bereits drei Mal wurde die Debatte über den Antrag der Parteien in der Bremer Bürgerschaft jetzt schon verschoben. Ob es eine Entscheidung geben wird, bleibt auch für den 6. Mai noch unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen