Clubs und Festivals in Niedersachsen: Alles nur Spaß?

Clubs und Festivals sind rechtlich gesehen lediglich Vergnügungsstätten. Niedersachsens Grüne wollen das ändern – aber ihr Antrag dazu ist chancenlos.

Eine stark geschminkte junge Frau mit einem Mund-Nasen-Schutz aus Metall.

Aus heutiger Sicht visionär: Besucherin des Hildesheimer M'era Luna-Festivals im Jahr 2008 Foto: dpa | Peter Steffen

OSNABRÜCK taz | Wenn Niedersachsens Club- und Festivalszene derzeit Zahlen schreibt, sind viele von ihnen rot. Auch schon vor Corona hatte sie es schwer. Aber die Pandemie, die alles lähmt, bringt sie an den Rand des Aus. Existenzangst geht um.

Sinnvoll also, dass die Grünen am Donnerstag im niedersächsischen Landtag für diese leidende Branche den Hut in den Ring werfen und den Antrag „Förderung der Club- und Festivalkultur – nicht nur unter Corona“ einbringen. Aber: Dieser Antrag hat keine Chance. Bereits Ende November haben SPD und CDU im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur dagegen votiert, im Plenum werden sie dieses Sperrfeuer wiederholen. „Oppositionsarbeit“, sagt Eva Viehoff bitter, kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, „ist manchmal ganz schön frustrierend.“

Viehoffs Antrag fordert den Landtag in Hannover auf, Mittel für eine „direkte und unbürokratische Förderung“ bereitzustellen. Lärmschutzfonds sollen Clubs bei der energetischen sowie akustischen Sanierung unterstützen. Die Kernforderung: Clubs sollen künftig „rechtlich als Kulturstätten anerkannt“ werden, wie Schauspielhäuser etwa oder wie Programmkinos.

Auch auf Bundestagsebene ist das ein Thema, dem sich die Grünen angenommen haben. Das Problem: Als „Vergnügungsstätten“ stehen Clubs derzeit noch immer auf einer Stufe mit Pornokinos, Spielhallen, Wettbüros und Bordellen. Dass sie aber ein „Motor für die Genese neuer Kunst und Kultur“ sind, so steht es in Viehoffs Antrag, bleibt unberücksichtigt. Eine Einstufung als Kulturstätte würde mehr Schutz bedeuten, wenn sich Bebauungspläne ändern, würde Genehmigungen erleichtern und beispielsweise auch einer Verdrängung in Gewerbegebiets-Randlagen entgegenwirken. Geschehe nichts, könne es „in Niedersachsen sehr still werden“.

Clubs bloß „Vergnügungsstätten“

Viehoff hat solche Warnungen schon oft im Landtag vorgetragen. Das letzte Mal Mitte November, in ihrer sehr emotionalen Rede zum Grünen-Antrag „Kunst und Kultur sind kein Sahnehäubchen – Kulturfördergesetz jetzt!“. Niedersachsen gebe der Kultur keine Perspektive, hat sie da gesagt, „nicht eine einzige“. Ihr Fazit, ziemlich zornig: „Wir werden am Ende dieser Pandemie vielleicht kein Kulturfördergesetz mehr brauchen, weil wir in Niedersachsen gar keine Kultur mehr haben.“

Statt des Grünen-Antrags wird aber heute im niedersächsischen Landtag der Antrag „Nachhaltige Hilfen für die Kultur- und Kreativbranche“ der Großen Koalition durchgehen, in dem die Landesregierung sich erst mal selbst lobt. Was dann folgt, klingt teils ziemlich vage. „Das zeigt, wie gespalten die Groko da ist“, sagt Viehoff. „Das sind die einzigen Kompromisse, zu denen sie fähig war.“

Antrag folgt auf Antrag

Viehoff ärgert vor allem, dass Monat um Monat ins Land geht, ohne dass sich für die Betreiber*inner von Clubs etwas ändert. „Seit Beginn der Pandemie stellen wir in Sachen Kultur Einzelantrag auf Einzelantrag“, sagt sie. „Aber das dauert und dauert.“ Ihr Antrag „Förderung der Club- und Festivalkultur“ ist beispielsweise schon von Mitte Juni. Der Antrag „Sonderfonds Kultur Jetzt – Niedersachsens lebendige Kulturszene retten“, auch er von den Grünen, ist sogar schon von Ende April. Auch dieser Antrag steht heute zur Entscheidung an. Auch bei ihm ziehen SPD und CDU nicht mit. Stattdessen wortreiche Absichtserklärungen, die nicht nach schnellem, effizientem Handeln klingen.

Aufgeben wird Eva Viehoff nicht. Sie weiß: Viele Kulturschaffende fallen derweil durchs Raster, melden Ansprüche gar nicht erst an, weil sie an den bürokratischen Hürden der Coronaprogramme verzweifeln. Und sie weiß auch: Das Problem ist nicht nur Corona – es ist der Missstand, dass die Kultur für die Kommunen keine Pflichtaufgabe ist. Ist das Geld knapp, steht sie daher oft als Allererstes auf der Einsparungsliste. Viehoff sieht die Kultur dadurch marginalisiert: „Ich kann mir denken, was passiert, wenn in den Kommunen nach der Pandemie überall die freiwilligen Leistungen gestrichen werden.“

„Naturkatastrophe in Zeitlupe“

Der Landtagsantrag der Grünem ist im Schulterschluss mit dem Hannoveraner Verein „KlubNetz“ entstanden, dem Verband der niedersächsischen Konzertkulturschaffenden. „Die Coronakrise wurde schon als ‚Naturkatastrophe in Zeitlupe‘ bezeichnet“, sagt Klubnetz-Vorsitzender Gunnar Geßner. „Ganz ähnlich fühlt es sich für die Club- und Festivalkultur an.“

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