Androiden an der Rezeption: Roboterrevolution in Japan
Sie arbeiten im Hotel und betreuen Senioren: Japan setzt auf Dienstleistungsroboter. Die Humanoiden sollen den Mangel an Arbeitskräften beheben.
TOKIO taz | Die glänzende Metallschlange kriecht aus dem Rohr heraus, knickt zwei Glieder ab, lässt sie über eine Kante baumeln und gleitet auf den Boden herab. Im April soll dieser Spezialroboter erstmals einen Fukushima-Reaktor von innen erkunden.
Das von Hitachi entwickelte Technikwesen könnte auch Japans verlorene Ehre als Roboternation wiederherstellen. Bis zum Atomunfall hatte die Inselnation die Welt mit ihrem Androiden-Knowhow beeindruckt. Hondas „Asimo“ zum Beispiel kann ein Treppe hochhüpfen und Kaffee einschenken. Aber nützliche Roboter für verstrahlte Umgebungen hatte Japan nicht entwickelt – AKW-Unfälle waren ja offiziell unmöglich.
An der Vorliebe der Japaner für Androiden hat Fukushima aber wenig geändert: Die „Roboterrevolution“, die die Regierung im Januar ausrief, konzentriert sich auf Serviceroboter. Bis 2020 soll das Geschäftsfeld um den Faktor 20 auf knapp 9 Milliarden Euro wachsen. Die Vision des Fünfjahresplans: Roboter als Freund und Helfer im Alltag.
Noch ist der Weg weit, aber in Ansätzen lässt sich die neue Welt schon erleben. So rollt in Filialen des Mobilfunkanbieters Softbank und des Kaffeeverkäufers Nestlé ein Android namens „Pepper“ auf die Kunden zu. Die 121 Zentimeter große und 28 Kilogramm schwere Maschine erkennt Stimmlagen, Gesichtsausdrücke und Gesten und verwickelt die Kunden in Gespräche über Smartphones und Kaffee.
Die Großbank Mitsubishi UFJ setzt ab April den Roboterwinzling „Nao“ ein. Der 58 Zentimeter kleine und 5,4 Kilo schwere Mini-Android weist den Kunden den passenden Bankschalter zu. „Nao“ beherrscht 19 Sprachen und könnte sich bei den Olympischen Spielen 2020 um ausländische Kunden kümmern. Und im Juli eröffnet der Betreiber eines Freizeitparks bei Nagasaki ein Hotel, in dem ausschließlich Androiden an der Rezeption und im Zimmerservice ihre Dienste tun.
Japan ideal für Automaten
Roboterpapst Minoru Asada, der schon Maschinen mit seinem eigenen Gesicht und dem seiner Tochter schuf, rechtfertigt die Entwicklung von humanoiden Maschinen: „Unsere Umgebung muss dafür nicht verändert werden und dabei lernen wir uns als Menschen besser kennen.“ Sein Land sei das ideale Feld für solche Automaten, meint „Asada“: „Wir Japaner leben in einer animistischen Welt, in der alle Dinge eine Seele haben.“
Schon im Mittelalter servierte eine aufziehbare Puppe grünen Tee. Im 21. Jahrhundert würden die Roboter den Mangel an Arbeitskräften beheben – die Bevölkerung altert und schrumpft. Sie sollen Senioren betreuen, ihre Einsamkeit lindern und im Notfall den Arzt alarmieren. Im Silikongesicht eines Prototypen von Toshiba imitieren 23 Feinmotoren die menschliche Mimik täuschend echt.
Panasonic hat ein Roboterbett entwickelt: Eine Hälfte davon richtet sich auf Knopfdruck zum Rollstuhl auf. Auch Exoskelette haben eine große Zukunft: Mit den kraftverstärkenden Anzügen können schwache Senioren wieder mobil werden und Bauern auch im hohen Alter noch ihre Felder bewirtschaften.
Mit Hilfe des Roboteranzugs HAL der Firma Cyberdyne heben Pfleger bereits heute bettlägerige Kranke hoch. Ein neuer globaler Sicherheitsstandard fördert die Verbreitung von Exoskeletten und Robotern. Dadurch sinkt das Haftungsrisiko für die Hersteller, falls ihre Maschinen Schaden anrichten.
Zudem sind viele Roboter bereits erschwinglich geworden: Der Android „Pepper“ kostet umgerechnet nur noch 1.400 Euro.
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