Andreas Speit Der rechte Rand: Wie die AfD Coronaproteste entdeckte
Am 5. März will die AfD Niedersachsen in Hannover „den friedlichen Protest gegen die unsäglichen Corona-Freiheitseinschränkungen auf die Straße“ bringen „Schließen Sie sich der Freiheitsbewegung an und holen wir uns unsere Grundrechte zurück!“, heißt es in einem Aufruf auf Facebook.
Die Aktion in der Landeshauptstadt reiht sich ein in einen bundesweiten Aktionstag der AfD-Kampagne „Gesund ohne Zwang“, mit der die Partei vor allem für eine „freie Impfentscheidung und gegen die Impfpflicht“ eintritt. So will die AfD auch Sympathien bei den „schon Betroffenen der Pflicht in Kliniken, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen“ gewinnen. Bis zum 15. März müssen deren Beschäftigte einen Nachweis über eine vollständige Impfung oder Genesung vorlegen. Die Kampagne begleitet auch eine Plakatserie. „Ich sorge mich um meine Patienten. Aber auch um meine Grundrechte“, sagt eine Frau in einem weißen medizinischen Oberteil auf einem der Plakate.
Im Norden ist in Neumünster eine weitere Kundgebung angekündigt. Kein Zufall: In Schleswig-Holstein ist am 8. Mai Landtagswahl und in Niedersachsen am 9. Oktober. In Neumünster sollen die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch und der AfD-Spitzenkandidat und -Landtagsabgeordnete Jörg Nobis reden, in Hannover der AfD-Bundestagsabgeordnete Jörn König und der Landesvorsitzende Jens Kestner.
Zu Beginn der Pandemie war die AfD mit ihrer Kritik an den Coronamaßnahmen von Lockdowns bis Maskenpflicht auffallend zurückhaltend geblieben. Die Fraktionschefs im Bundestag, Alice Weidel und Tino Chrupalla, hatten lediglich soziale Unterstützung für Betroffene der Maßnahmen gefordert. In der Partei wurde aber bald Unmut laut, die Partei unterschätze und verschlafe den sich anbahnenden Protest. Die AfD erkannte, dass ihr Milieu für Verschwörungsmythen besonders empfänglich ist und dass darüber neue Spektren erreicht werden könnten – und schwenkte auf fundamentale Opposition gegen die staatlichen Maßnahmen um. Offenbar mit Erfolg: Laut Forsa haben 50 Prozent der Nicht-Geimpften bei der Bundestagswahl die AfD 2021 gewählt. In Schleswig-Holstein stieg die Partei in den Prognosen auf sieben Prozent und in Niedersachsen hält sie sich schon länger stabil auf diesem Wert.
Eine neue Studie des auf Rechtsextremismus spezialisierten Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) zeigte im Februar, dass die Protestbereitschaft gegen die Maßnahmen in der AfD-Wahlklientel bei 59,4 Prozent liegt – weit höher als bei Nichtwählenden und Anhänger:innen anderer Parteien.
Die Plakatmotive der aktuellen Kampagne sind auch aus dem Bundestagswahlkampf bekannt. Nur der Slogan wurde geändert und Themen wurden verknüpft. „Andere kommen ohne Pass über die Grenze. Ich möchte einfach nur ohne Pass ins Café“, steht neben einer Frau in Handwerks-Latzhose. Die Verbindung aus Rassismus und Corona-Relativierung kriegt die AfD aber noch knapper hin: „Kontrolliert die Grenzen – nicht die Bürger“ steht auf einem Plakat mit einer Grenzmarkierung am Straßenrand.
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