Zeigen von Reichssymbolik im Unterricht: „Nicht akzeptabel“
Ein Uelzener Gymnasiast provozierte durch das Zeigen der Reichsflagge beim Online-Unterricht. Das kann laut Landesschulgesetz verboten werden.

Die Antwort der niedersächsischen Landesregierung ist unmissverständlich. Mit einer Kleinen Anfrage wollten die Grünen-Landtagsabgeordneten Julia Hamburg und Helge Limburg von der SPD-CDU-Regierung in Hannover wissen, ob ein Verbot von Reichssymbolik „im Unterricht und auf Onlineplattformen des Distanzlernens möglich“ sei? „Ja“, antwortet kurz und knapp die Landesregierung – mit allerdings einer bemerkenswert umfangreichen Begründung.
Auslöser der Anfrage war ein Bericht der taz. Im Januar dieses Jahres hatte ein Schüler des 12. Jahrgangs des Lessing-Gymnasiums Uelzen beim Homeschooling über die Plattform „Teams“ die Reichsflagge als Profilbild verwendet und um den Schriftzug „150 Jahre Reichsgründung“ ergänzt.
In einem Brief bat der Jahrgang daraufhin die Leitung des Gymnasiums einzuschreiten. Mit diesem Profilbild werde eindeutiges Gedankengut vermittelt und „mit dem Schriftzug sogar glorifiziert“, schrieb der Jahrgangssprecher. Es sei nicht der erste Vorfall dieser Art und es müsse endlich eine Reaktion vonseiten der Schule geben. Der Gymnasiast mit der Fahne, der aus einer Familie völkischer Siedler kommt, habe gegenüber anderen Gymnasiast*innen offen zugegeben, dass es sich bei seinem Profilbild um eine wohlüberlegte Provokation handele.
Die Schulleitung reagierte per Brief: Die Flagge könnte kaum als „Ausdruck eines auf die Zukunft gerichteten Denkens“ angesehen werden, schrieben Direktor Sven Kablau und sein Stellvertreter Dirk Wübbenhorst. Sie betonen zudem, dass die Fahne kein „verbotenes Symbol“ sei, und stellten fest: „Wir sind der Meinung, dass eine offene Gesellschaft Provokationen aushalten und ihnen im Dialog begegnen muss.“
Dass die Fahne in diesem Kontext nicht verboten sei, bestätigt auch Bianca Trogisch, Pressesprecherin der Regionalen Landesämter für Schule und Bildung. Das Kultusministerium, das im Namen der Landesregierung auf die Anfrage der Grünen reagierte, führt in der Begründung aber aus, dass „das Zeigen der Reichsflagge im unterrichtlichen Kontext“ eine „nicht akzeptable Provokation“ sei.
Der Schüler habe zwar „zunächst“ keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen – da die Reichsflagge aber in der öffentlichen Wahrnehmung „eindeutig in der rechtsextremistischen Szene verankert“ sei, könne nach dem Erlass des Landesinnenministeriums („Hinweis zum Umgang mit dem öffentlichen Zeigen von Reichskriegsflaggen“) dennoch ein Fehlverhalten vorliegen, auf das entsprechend zu reagieren wäre.
Das Landesschulgesetz würde zudem festlegen, dass „Erziehung und Unterricht“ den Werten des Grundgesetzes zu entsprechen habe. Die Reichsflagge würde „nicht nur für eine Ablehnung“ eben dieser Grundsätze stehen, sie sei auch „ein tief in der Tradition des deutschen Rechtsextremismus verwurzeltes Kampfmittel“ gegen den Rechtsstaat.
Die Grüne Jugend hatte den Schulkonflikt nicht nur wegen des Rechtsextremismus aufgegriffen, sondern auch, weil die Schulleitung die Meinung vertrat, dass wenn Reichsfahnen verboten würden, auch „Hinweise auf die Fridays-For-Future-Bewegung“ unterbleiben müssten. Die Landtagsabgeordnete Julia Hamburg begrüßt die Haltung der niedersächsischen Landesregierung. Sie zeige klar, dass für diese Fahne kein „Platz an den Schulen“ sei: „Damit stärkt sie den Schulen den Rücken, aktiv gegen Rechtsextremismus vorzugehen“.
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