Analyst über Wahl in der Elfenbeinküste: „Für ganz Westafrika von Bedeutung“
Der politische Analyst Gilles Yabi erklärt, was bei der Wahl in der Elfenbeinküste auf dem Spiel steht – und warum er dennoch keinen Krieg erwartet.
taz: Herr Yabi, wie beschreiben Sie die Situation in der Elfenbeinküste unmittelbar vor den Wahlen?
Gilles Yabi: Sie ist von großer Unsicherheit geprägt. Das Risiko gewalttätiger Ausschreitungen ist da; in welchem Maß, lässt sich aber nur schwer vorhersagen.
Warum ist die Situation so angespannt?
Das liegt an den Rahmenbedingungen. Schon bevor Präsident Ouattara beschloss, erneut anzutreten, gab es Streit, vor allem über die Zusammensetzung der eigentlich unabhängigen Wahlkommission. Es gab zahlreiche Unstimmigkeiten zwischen der Regierungspartei und der Opposition. Am bedeutendsten ist aber die Entscheidung von Präsident Ouattara, für ein drittes Mandat anzutreten. Die alte wie die neue Verfassung haben das Prinzip der Limitierung auf zwei Mandate.
Die Regierungspartei RHDP hat Ouattaras Kandidatur mit dem Tod von Premierminister Amadou Gon Coulibaly begründet, der eigentlich als Kandidat vorgesehen war. Sie sagt, es sei nicht möglich gewesen, in der Kürze der Zeit einen neuen Kandidaten aufzubauen. Was halten Sie davon?
In jeder politischen Partei lässt sich ein Präsidentschaftskandidat finden. Wenn man eine Verfassung hat, ist der Tod eines Bewerbers kein ausreichender Grund, sie nicht zu beachten. Als 2016 die neue Verfassung angenommen wurde, sagte die Regierungspartei, dass Ouattara nicht erneut Kandidat sein kann. Er selbst erklärte, dass er das nicht wünscht. Der Wechsel dieses Standpunkts lässt sich heute nicht mit dem Tod von Amadou Gon Coulibaly begründen.
Mit Laurent Gbagbo und Guillaume Soro sind zwei äußert bekannte ivorische Politiker im Exil und von den Wahlen ausgeschlossen. Welche Rolle spielen sie dennoch in der Elfenbeinküste?
Im geopolitischen Spiel der Elfenbeinküste gab es in den vergangenen 20 bis 30 Jahren einige Akteure, die dabei waren. Das sind Alassane Ouattara, Expräsident Henri Konan Bédié, Expräsident Laurent Gbagbo und Guillaume Soro, der Chef der Rebellen war und zum militärischen Sieg Ouattaras gegen Gbagbo nach den umstrittenen Wahlen 2010 beigetragen hat. Soro hat eine politische Basis. Allerdings ist es schwierig zu sagen, an welchem Punkt diese wichtig wird. Er hat Verbindungen zur Jugend und einige Hochburgen im Norden.
Gilles Yabi, 41, stammt aus Benin und gründete 2014 den Westafrika-Thinktank WATHI in Senegals Hauptstadt Dakar. Zuvor, unter anderem während des Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste 2010-11, leitete er jahrelang das Westafrika-Büro der International Crisis Group.
Und Gbagbo?
Auch Gbagbo hat weiterhin politisches Gewicht. Auch wenn seine Ivorische Volksfront (FPI) in den vergangenen zehn Jahren sehr geschwächt worden ist, bleibt sie einflussreich.
Warum haben Henri Konan Bédié und Pascal Affi N’Guessan – die beiden wichtigsten der drei zugelassenen Oppositionskandidaten – nun mitten im Wahlkampf den aktiven Boykott angekündigt? Sie hätten doch schon früher die Wahlen boykottieren können.
Generell haben die Oppositionsparteien Probleme, eine Strategie zu entwickeln. Auch hat sich die Situation durch die Kandidatur Ouattaras geändert. Alles dreht sich nun darum, ob diese legal ist. Ich denke, dass die Opposition die internationalen Akteure auffordern wollte, Druck auf Ouattara auszuüben, um in einen Dialog einzutreten und die Wahlen zu verschieben. Erfolgreich war das nicht: Am 31. Oktober wird gewählt.
Welche Bedeutung hat die politische Stabilität der Elfenbeinküste über die Landesgrenzen hinaus?
Eine große. Die ganze Region schaut auf die Elfenbeinküste gerade. In der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) ist es nach Nigeria und Ghana die drittwichtigste Volkswirtschaft. Innerhalb der frankophonen Staaten und der CFA-Zone spielt es die größte Rolle. Auch ist es ein Land, das zahlreiche Migranten anzieht. Das politische Gleichgewicht ist deshalb für die ganze Region von Bedeutung.
Könnte es passieren, dass es nach den Wahlen zu einer ähnlichen Krise wie 2010 kommt? Damals starben mehr als 3000 Menschen.
Seit der Ankündigung Ouattaras, erneut zu kandidieren, hat es bereits Tote gegeben. Das Risiko, dass die Gewalt weiter ansteigt, ist höher als noch vor einigen Monaten. Wir befinden uns in einer Vorwahlkrise. Trotzdem gibt es einen Unterschied im Vergleich zu vor zehn Jahren: Damals wurde die Wahl zum Krieg, weil beide politischen Lager Armeen hatten. Gbagbo kontrollierte formal die ivorischen Streitkräfte. Ouattara, Soro und die Opposition konnten die alten Rebellen mobilisieren. Das war eine echte militärische Auseinandersetzung. Auch waren französische Streitkräfte sowie die Vereinten Nationen vor Ort. Heute ist die Lage anders: Die Sicherheitskräfte stehen unter staatlicher Kontrolle und auf Seiten Ouattaras. Das Risiko von Gewalt ist zwar gegeben. Das wird aber nicht in einer militärischen Auseinandersetzung enden.
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