Analyse Macrons Besuch in Washington: Bromance mit Kraftmeierei
Zum Besuch des französischen Präsidenten fährt Trump viel Pomp auf und macht Komplimente. In Sachen Iran- Politik hingegen bewegt er sich nicht.
D onald Trump hat im letzten französischen Präsidentschaftswahlkampf Sympathie für die Rechtsextreme Marine Le Pen geäussert. Emmanuel Macron hingegen war der Favorit von Barack Obama. Der eine stand für „Amerika zuerst“ und für die Wiederbelebung des Nationalismus, der andere für die EU, und die multilateralen Abkommen über das Klima und mit dem Iran und für den Freihandel.
Aber im Jahr danach sind die beiden Präsidenten plötzlich ein Herz und eine Seele. Die Annäherung des rechten Populisten aus Washington und des technokratischen Zentristen aus Paris ist eine jener überraschenden Wendungen in der Diplomatie, die schon oft ungleiche PartnerInnen zusammen gebracht hat. Sie hat die Hoffnung genährt, der beratungsresistente Trump könnte doch fähig zu Kurskorrekturen sein.
Bei Macrons dreitägigem Staatsbesuch in Washington dann erreichte die Männerbeziehung einen Höhepunkt. Trump hofiert Macron wie keineN EuropäerIn zuvor. Er nennt ihn „Freund“, überhäuft ihn mit Komplimenten und berührt ihn – mit Schulterklopfen, Luftküsschen und momentelangem Händchenhalten – auch körperlich. Zu den bizarren Zärtlichkeiten für seinen Gast gehört es auch, dass Trump ihm eine Haarschuppe mit dem Finger vom Anzug wischte. Damit er „perfekt“ sei, begründete er.
Die Beziehung der beiden ist seit jeher durch Kraftmeierei geprägt. Sie begann mit einem Handschlag in Brüssel, bei dem es Macron gelang, die Hand von Trump, der daran gewöhnt ist, von fremden Händen Besitz zu ergreifen, so fest und lange zu drücken, bis dessen Knöchel weiß wurden. Es folgte die Militärparade in Paris zum französischen Nationalfeiertag, die Trump als Macrons Gast verfolgte und von der er so begeistert war, dass er in diesem Jahr eine Kopie in Washington organisiert.
Trump hat Macron zu seinem Lieblingseuropäer gemacht
Dann kam das gemeinsame Bombardement in Syrien, das beide Männer sowohl als militärischen Erfolg als auch als Besiegelung ihrer speziellen Beziehung betrachten. Seither hat Trump Macron zu seinem Lieblingseuropäer gemacht. Er ist der wichtigste Ansprechpartner des US-Präsidenten in der Europäischen Union geworden – und hat damit die Stelle traditionell engsten PartnerInnen in London und Berlin verdrängt.
Dennoch hat der Franzose seine Reise mit den anderen EuropäerInnen abgestimmt . Er will seine besondere Beziehung nutzen, um das Iran-Abkommen gegen die angekündigte Zerstörung durch Trump zu verteidigen. Das Angebot lautet: den Deal beibehalten, aber dem Iran zusätzliche Bedingungen abverlangen. Bislang lässt Trump sich nicht beeindrucken. Selbst während Macrons Besuch setzte er seine Attacken gegen das Abkommen fort, nannte es „schlecht“, „verrückt“ und „lächerlich“.
Zuletzt kündigte er an, das Abkommen am 12. Mai – wenn die Verlängerung ansteht – zu kündigen. Damit der Iran dann nicht erneut Atombomben entwickelt, droht er schon mal unverhohlen mit Militärschlägen. Für die europäischen UnterzeichnerInnen des Iran-Abkommens beginnt damit ein neuer Endspurt. Es ist ein Déjà-Vu: Wie in jenen Tagen, bevor Trump im Alleingang das Klimaabkommen aufkündigte, werden sie in Washington erneut versuchen, das Schlimmste zu verhindern.
Angela Merkel wird direkt nach Macrons Abreise versuchen, den US-Präsidenten umzustimmen. Sie macht zwar nur einen Arbeits- und keinen Freundschaftsbesuch bei ihm, und das Gesprächsklima wird weder so feierlich noch so innig sein wie bei Macron. Aber in Sachen Iran ziehen beide am selben Strang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker