Amos Schliack über Gedenken an Pogrom: Eine selbsterklärende Atmosphäre
Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938 lädt Grindel-Bewohner Amos Schliack zur Stolperstein-Aktion „Grindel leuchtet“
![](https://taz.de/picture/2376977/14/stolperstein.jpeg)
taz: Herr Schliack, warum haben Sie die Aktion „Grindel leuchtet“ mit gegründet?
Amos Schliack: Als ich 2012, nach über 30 Jahren, zurück in den Grindel zog, fand ich die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig vor, die an die jüdische Vergangenheit des Viertels erinnerten. Das Thema berührte mich, und ich habe mit einigen Freunden überlegt, dass man für die Stolpersteine einen Tag schaffen müsse, an dem sie besonders hervorgehoben würden. Es sollte eine niedrigschwellige Aktion sein, und so kamen wir 2013 auf die Idee, zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht – als organisierte Schlägertrupps deutschlandweit Synagogen anzündeten und Juden misshandelten – Kerzen aufzustellen.
Und warum der Name?
Die Idee ist nicht neu; so etwas gibt es auch in anderen Städten. Allerdings existiert nirgendwo eine Aktion, die als von außen erkennbare Marke funktioniert. Dafür haben wir den Begriff „Grindel leuchtet“ gefunden. Den fanden wir griffig und sympathisch. Aber letztlich ist Grindel überall, wo Stolpersteine sind.
Was genau passiert am heutigen 9.11. im Grindelviertel?
Es ist eine Einladung an alle Grindel-Bewohner, zu Beginn der Dämmerung auf die Straße zu gehen und an den Stolpersteinen Kerzen anzuzünden. Unsere Aktion ist Teil der „sozialen Skulptur“, wie Gunter Demnig seine Stolpersteine nennt.
Wie war der Zuspruch in den letzten Jahren?
Rege. Vor allem junge Eltern nutzen die Gelegenheit, um mit ihren Kindern über das Thema zu sprechen. Die besondere Atmosphäre an diesem Abend scheint eine Träger-Frequenz zu sein, auf der man Botschaften aussenden kann. Es herrscht eine selbsterklärende Stimmung.
Wird es ein zentrales Gedenkritual geben?
In den Vorjahren fand am selben Abend die Mahnwache des Auschwitz-Komitees auf dem Joseph-Carlebach-Platz statt. Diesmal war die Mahnwache schon gestern, weil heute Schüler der Carlebach-Schule eine Installation zeigen, um die riesige einstige Synagoge – bis 1938 die größte Norddeutschlands – zu vergegenwärtigen. Um 19 Uhr wird Rabbi Shlomo Bistritzky ein Gebet sprechen. Ich finde die Aktion gut und stelle mir vor, dass wir beides künftig verknüpfen und aus unseren verschiedenen Aktivitäten eine kleine Choreographie machen.
Haben Sie jüdische Wurzeln?
Nein, obwohl mein Vorname das nahelegt und ich viel in Israel gearbeitet habe. Meine Affinität zu dem Thema entstand dadurch, dass mein Vater in Israel lange als Arzt gearbeitet hat, sodass ich schon als Junge dorthin kam.
Interview Petra Schellen
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