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Amazonstreik geht in die nächste RundeIm Kampf gegen den Algorithmus

Ein autonomes Protestbündnis will Amazon das Vorweihnachtsgeschäft vermiesen – zur Unterstützung der streikenden Gewerkschafter.

Streikende Mitarbeiter blockieren eine Zufahrt des Logistikcenters in Bad Hersfeld Foto: dpa

BERLIN taz | Zum Start des Vorweihnachtsgeschäfts des Internetkonzerns Amazon kündigt die Gewerkschaft Verdi weitere Streiks an. Und das linksautonome „Make Amazon Pay“-Bündnis ruft für kommende Woche zur Unterstützung der Streikenden auf. Mit einer Aktionswoche will das Bündnis gegen die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen im Zuge der Digitalisierung protestieren.

Amazon ist Marktführer im Internetversandhandel. Dem Umsatz nach rangiert der Konzern auf Platz 26 der größten Unternehmen der Welt. In Deutschland hat er mehr als 16.000 Mitarbeiter. Amazon ist stolz auf seine technologische Vorreiterrolle. Die Warenlager sind nach einem computergesteuerten Chaosprinzip angeordnet. Nur der Handscanner der sogenannten Picker kennt den Standort der zahllosen Artikel und gibt den Mitarbeitern Anweisungen, wie sie die Waren für die Auslieferung finden.

Allen technologischen Erfolgsmeldungen zum Trotz: Es sind Menschen, die die Lieferung der Produkte per Mausklick möglich machen. Und die werden durch die digitale Aufzeichnung, Zergliederung und Planung der Arbeitsprozesse zunehmend austauschbar gemacht.

Durch computeroptimierte Laufwege und die Echtzeiterfassung jedes Handgriffes und jeder verbrachten Arbeitsminute stehen Amazon zudem neue Methoden zur Kontrolle der Beschäftigten zur Verfügung. Jede Abweichung vom algorithmisch perfekten Arbeitsplan wird registriert.

Der Gesundheitswettbewerb

Vor diesem Hintergrund kämpft Verdi für Tarifverträge an den Amazon-Standorten. Doch seit vier Jahren verweigert Amazon hartnäckig die Aufnahme von Verhandlungen, daher kommt es immer wieder zu Streiks. „Amazon will die Beschäftigten vereinzeln, damit sie sich nicht kollektiv für ihre Interessen einsetzen.“ erklärt Thomas Voss von der Gewerkschaft Verdi.

Die gewerkschaftliche Organisierung in dem automatisierten und dennoch arbeitsintensiven Bereich ist schwierig. Amazon beschäftigt zahlreiche Saisonarbeiter, ein Großteil der Verträge ist bis zum 31.12. befristet. Nur die schnellsten Picker und Packer können mit einer Weiterbeschäftigung nach dem Weihnachtsgeschäft rechnen. Der innerbetriebliche Konkurrenzdruck wird zusätzlich durch ein Bonussystem befeuert. Dennoch habe Verdi bei Amazon mittlerweile einen Organisationsgrad von 35 Prozent erreicht, sagt Voss.

Der Kampf der Beschäftigten gehe aber über die Aufnahme von Tarifverhandlungen hinaus. Neben Lohnerhöhungen fordern sie die Erleichterung der Arbeitsbedingungen. Diese führten unter anderem zu einem äußerst hohen Krankenstand, der stellenweise bis zu 20 Prozent erreicht hat, so Voss weiter. Um die bezahlten Krankheitstage zu senken hat sich Amazon eine eigene Strategie ausgedacht, die bestens in die Unternehmensphilosophie passt: Ein Gesundheitsbonus wird an jene Mitarbeiter und Teams ausgezahlt, die die niedrigsten Ausfalltage aufweisen.

Amazons Zukunftsvision

Mit der Aktionswoche möchte das „Make Amazon Pay“-Bündnis die gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung zum Diskussionsgegenstand machen. „Es geht nicht um einen Boykott von Amazon“, erklärt Jonathan Schneider für das Aktionsbündnis. Ziel sei, das Arbeitssystem im logistischen Bereich und die von Amazon vertretene Zukunftsvision zu kritisieren. „Noch im Aufbau“ sieht Schneider den Kontakt zu den Vertrauensleuten der Gewerkschaft Verdi.

Hinter dem Bündnis stehen Gruppen aus dem autonomen und postautonomen Umfeld, wie das linksradikale „Ums-Ganze“-Bündnis und die technologiekritische Gruppe Capulco. Die Aktivisten planen einen Besuch bei den Streikenden des Leipziger Standorts. Zudem hoffen sie auf spontane Beteiligung. Die Gewerkschaft IP (Arbeiterintiative), die hunderte Mitarbeiter in Polen organisiert, hat bereits ihre Unterstützung angekündigt.

Als Höhepunkt der Aktionswoche will das Bündnis das Verteilerzentrum am Berliner Kudamm-Karree blockieren. Eine „angreifbare Garantie“ sieht das Bündnis in der Zusicherung von Amazon, Artikel aus dem Verteilerzentrum innerhalb von zwei Stunden zu liefern.

Amazon äußerte sich auf Rückfrage zu den geplanten Protesten gegenüber der taz nicht.

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9 Kommentare

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  • Die absolute Mehrheit der Kollegen sagt seit Jahren nein zu Verdi. Organisation ist für Verdi aber nur durch und in Verdi denkbar. Wenn die Kollegen sich aber organisieren um gegen Verdi vorzugehen ist es eine von Amazon angezettelte und gesteuerte Kampagne.... Der gestiegene Oranisationsgrad und auch Verdi haben uns in den ersten Jahren deutliche Lohnsteigerungen gebracht und jetzt sorgt es dafür das es zumindest den Inflationsausgleich jährlich gibt. Die Streiks sind aber kontraproduktiv denn bei jedem Streik wird eines deutlich: Es geht auch ohne diese Kollegen. Man freut sich regelrecht wenn gestreikt wird. Endlich in Ruhe durcharbeiten, keine schlecht gelaunten und sich durch Nörgelei vor der Arbeit drückenden Kollegen. Streiktage sind erholsame und ruhige Arbeitstage.

    • @q6g36:

      und danach noch dem Chef das Auto waschen...

  • Alles klar!: Wenn's so ist, wie es ist, dann kauf ich halt bei Amazon nix mehr ein. Nur: Wer oder was, bitte, ist das "postautonome Umfeld" ?

  • Verdi beißt sich seit Jahren an Amazon fest und kümmert sich einen Dreck um Angestellte in der digitalen Wirtschaft, die nicht beim Riesenkonzern arbeiten.

  • 35 % Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb ist leider heutzutage schon außergewöhnlich viel.

    Bei uns sind es 10%.

     

    Bleibt dran!

  • Der Autor lässt aus, dass Verdi den Abschluß eines Tarifvertrages für den Einzelhandel verlangt, während Amazon die Mitarbeiter eher im niedriger bazahlten Bereich Logistik ansiedelt. Wenn man sich dann die Jobbeschreibung aus dem Artikel durchliest ist die Haltung von Amazon mehr als verständlich. Für Verdi scheint es inzwischen um die Existenzberechtigung zu gehen, daher kann sich die Gewerkschaft ein einknicken nicht leisten. Wenn Verdi den Arbeitskampf widererwartend gewinnen sollte, werden die Logistikzentren in Polen ausgebaut. Kann Verdi noch gewinnen?

    • @DiMa:

      Die Logistik nach Polen, warum nicht.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Um die bezahlten Krankheitstage zu senken hat sich Amazon eine eigene Strategie ausgedacht, die bestens in die Unternehmensphilosophie passt: Ein Gesundheitsbonus wird an jene Mitarbeiter und Teams ausgezahlt, die die niedrigsten Ausfalltage aufweisen."

     

    Sozialdarwinismus am Arbeitsplatz, Survival of the Fittest in kapitalistischer Bestform. Passend dazu der SPezialDemokrat Burkhard Jung, OB der Stadt Leipzig, mit seiner menschenverachtenden sozialdarwinistischen Aussage in der LVZ, für die "Massenarbeitslosigkeit" gäbe es "die Logistikbranche".

    Diagnose: Massenmensch. Urteil: Arbeitslager, als Arbeit im Lager, in der Lagerlogistik, als ultra-optimierter Sklave der "freien Gesellschaft" und das bei 100%iger Sanktionsdrohung im Falle der Verweigerung. SIE haben jeglichen Anspruch verwirkt!

     

    Das soziale Emetikum für diese übelschmeckende braune Soße des Kapitals gilt es noch zu finden, aber ich begrüße es sehr, dass zumindest über diese gute Initiative aus der im weiteren Sinne autonomen Szene zu berichten. Würden derartige Solidarisierungskampagnen und -aktionen auf ein breites gesellschaftliches Echo stoßen, wären wir ein ganzes Stück weiter. https://de.wikipedia.org/wiki/Emetikum

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Das ist leider nicht Amazon-spezifisch. Das macht ein örtlicher Fleischereibetrieb auch seit Jahren schon so, und nicht nur der. Interessiert nur Verdi nicht, wenn es kein US-Riesenkonzern ist.