Amazon-Doku „Dance Life“: Die Lust am Leiden
Um Profi zu werden, sind die Tänzer_innen der Bent-Street-Akademie bereit, alles zu geben. Diese Verbissenheit erschreckt und fasziniert.
Beim großen Tanzevent „Light The Way“ kann Arabella nicht dabei sein. Wochenlang hat die Abschlussklasse der renommierten australischen Akademie Brent Street, die für diese Doku ein Jahr lang begleitet wurde, trainiert. Doch kurz vor dem Auftritt verletzt sich die 19-Jährige am Rücken, ein Haarriss vermutet sie. Obwohl jeder Schritt schmerzt, will sie unter Schmerzmitteln auftreten, doch die Coaches verbieten es.
Arabella ist enttäuscht, das Event ist eine große Chance, entdeckt zu werden und den ersten Schritt zur Profi-Tänzerin zu machen. Und einen Plan B zum Tanzen hat sie nicht. Sie setzt alles auf eine Karte, obwohl sie gesundheitlich stark eingeschränkt ist: Sie hat einen Tumor in der Wirbelsäule, der operiert werden muss. Doch nach der OP könnte sie vermutlich nicht mehr tanzen, da ihre Wirbelsäule steif wäre. Für Arabella unvorstellbar. Also hält sie den Schmerz aus und wartet ab, was passiert.
Die Geschichte klingt extrem. Aber die Geschichten der Tänzer_innen der Brent Street klingen alle extrem. Kein Schmerz, kein Schweiß, keine Träne oder Blut ist zu viel, um das Ziel zu erreichen. Die meisten von ihnen tanzen seit dem sie 2 oder 3 Jahre alt sind, haben auf vieles, was zu einem klassischen Teenager-Dasein dazugehört, verzichtet, um an die Akademie zu kommen.
Alle Kritieren erfüllt
Diese Alles-oder-Nichts-Haltung mag faszinieren oder erschrecken, aber vor allem schafft sie Spannung beim Zuschauen. Versehen mit ein paar Liebeleien und Streitereien unter den Schüler_innen und aufwendig inszenierte Choreografien erfüllt „Dance Life“ alle Kriterien für eine unterhaltsame Tanz-Doku.
Wie das geht, hat Netflix 2020 schon mit „Cheers“ gezeigt. Die Doku-Serie über das Cheerleading-Team des Navarro Colleges auf dem Weg zu den Landesmeisterschaften „Daytona“ wurde zum Überraschungserfolg und mit drei Emmys ausgezeichnet.
Einige der Cheerleader wurden im Nachhinein zu erfolgreichen Influencer_innen. Vielleicht ein Plan B, der nun auch Schüler_innen von „Dance Life“ offen steht, sollten ihre Körper irgendwann nicht mehr jede Dehnung und Sprung mitmachen.
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