Altersvorsorge von Freien Beschäftigten: Lücken im Versicherungsverlauf
Immer wieder führen TV-Produktionsfirmen keine Rentenbeiträge für ihre Freien ab. Längst gefundene Lösungen werden nicht umgesetzt.
Arbeitsverhältnisse beim Dreh und in der Produktion von Fernsehserien sind naturgemäß unstet. Das wirkt sich auch auf die Altersvorsorge der Beschäftigten aus. Denn Serien produzieren heißt: zeitlich befristet arbeiten, das heißt freiberufliche Arbeit, Outsourcing, das bedeutet Teams, die nur für die Dauer des Projekts existieren und fürs nächste wieder neu zusammengestellt werden.
Die Öffentlich-Rechtlichen und die Rundfunk-Fernsehen-Film-Union haben deshalb für freie MitarbeiterInnen in den 1970er Jahren die Pensionskasse Rundfunk (PKR) initiiert. Dahin führen die Sender Beiträge für ihre Freien ab. Anfangs waren davon aber diejenigen ausgenommen, die nicht direkt bei ARD oder ZDF beschäftigt waren, sondern bei einer von den Sendern beauftragten Produktionsfirma.
Deshalb hatten sich Öffentlich-Rechtliche und Produzenten geeinigt, wie auch die Freien von Produktionsfirmen bei ihrer Altersversorgung unterstützt werden. Nachdem der öffentlich-rechtliche Rundfunk zunehmend externe Produzenten beauftragte, wurde die Pensionskasse Rundfunk auch für Freie von außerhalb geöffnet. Seitdem führen auch Produktionsfirmen, die von ARD oder ZDF beauftragt werden, Beiträge an die PKR ab. Die Sendeanstalten erstatten diese Beiträge dann vollständig zurück.
Unklarheiten, die dabei durch neue Partnerschaften und Koproduktionsmodelle zwischendurch entstanden, konnten durch die „Limburger Lösung“ geklärt werden: Wenn ARD oder ZDF mit einem anderen Produktionspartner einen TV-Film gemeinsam herstellen, dann teilen sich beide Auftraggeber die Beiträge entsprechend ihrem Finanzierungsanteil.
„Babylon Berlin“-Beschäftigte betroffen
Das schien eine gute Lösung zu sein. Aber die Erfahrung nach gut zwei Jahren zeigt: Die Umsetzung stockt. Immer wieder beklagen Beschäftigte, dass ihre Beiträge nicht abgeführt werden, immer wieder zieren sich Produktionsfirmen, am „Limburger Modell“ teilzunehmen, vergessen es oder lehnen es ab.
Ein Beispiel dafür ist „Babylon Berlin“, eine Ausnahmeserie mit Mega-Budget von 2,5 Millionen Euro pro Folge und großem Erfolg im In- und Ausland. Eine Koproduktion der öffentlich-rechtlichen ARD mit dem Bezahlsender Sky, die Produktion übernahm die Berliner Firma X Filme. Mehrere Beschäftigte bei der dritten Staffel „Babylon Berlin“ beklagen, dass X Filme ihre Beiträge nicht an die PKR abgeführt habe.
Ein Teammitglied, das mehrere Monate beim Dreh beschäftigt war, sagt, dass ihm so einige tausend Euro an Altersvorsorge entgangen seien. „Das wäre dann schon ein wichtiges Standbein für die Rente gewesen.“ Ein anderer Mitarbeiter bestätigt, dass für ihn ebenfalls keine Beiträge abgeführt worden seien, obwohl er explizit nachgefragt habe.
Die Teilnahme an der PKR ist wohlgemerkt weder gesetzlich vorgeschrieben noch vertraglich verpflichtend. Sie ist freiwillig. Trotzdem ist verwunderlich, dass sich Firmen nicht bemühen, vor allem da sie keine Kosten haben. „Das ist überhaupt nicht nachzuvollziehen“, findet auch die Geschäftsführerin des Bundesverbands der Filmschnitteditoren, Silke Spahr. „Den Fernsehkreativen wird damit eine wichtige und notwendige Unterstützung entzogen.“ Auch Mitglieder ihres Verbandes seien davon betroffen.
Freiwilligkeit funktioniert nicht
Auf die Anfrage der taz, warum bei „Babylon Berlin“ keine Beiträge abgeführt worden seien, erklärt eine Sprecherin von X-Filme: Finanzierung und Planung der Produktion seien bereits vor dem Abschluss des neuen Modells – im September 2017 – beendet gewesen. „Für eine mögliche vierte Staffel werden die Regeln des Limburger Modells II natürlich berücksichtigt.“
Die Dreharbeiten für die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ begannen 2018. Vermutlich hätten Beiträge aber in Absprache mit der ARD entrichtet werden können. Dass die freien Beschäftigten eine Altersversorgung bekommen, scheint nicht bei allen in der Fernsehbranche oben auf der Prioritätenliste zu stehen.
„Es gibt ein gutes Dutzend Produktionsunternehmen, die nicht Mitglied in der PKR sind“, schätzt Rechtsanwalt Steffen Schmidt-Hug, der seit Jahren Filmschaffende vertritt. „Das ist verwunderlich, etwa bei der Eikon Media, einer Produktionsfirma der evangelischen Kirche.“ Schmidt-Hug findet, die PKR sollte im Rahmen einer tariflichen Regelung verankert werden, und zwar auch für Privatsender und Kinoproduktionen.
Denn die Freiwilligkeit scheint nicht so recht zu funktionieren. Es mag an Nachlässigkeit liegen oder weil man den Arbeitsaufwand scheut. Oder daran, dass freie Beschäftigte oft nur so kurz für diese oder jene Produktionsfirma arbeiten, dass man sie schlicht nicht so wichtig nimmt.
Altersvorsorge reicht nicht
Aus Sicht der Beschäftigten jedoch heißt das: Lücken im Versicherungslauf. Eine Befragung im Auftrag der Partei Die Linke ergab dieses Jahr: Lediglich 20 Prozent der Freien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern denken, dass sie eine ausreichende Alterssicherung besitzen. Zehn Prozent hatten überhaupt keine Vorsorge für das Rentenalter getroffen.
Es gibt aber Lichtblicke: Bereits jetzt sind sogar einige ProduzentInnen Mitglied in der PKR, die keine Rückerstattung durch die Sender erwarten können. Das betrifft vor allem Kinoproduktionen.
Diese ProduzentInnen unterstützen also auf eigene Kosten die Altersvorsorge ihrer Beschäftigten. Einer von ihnen ist Florian Koerner von Gustorf von der Berliner Produktion Schramm Film Koerner & Weber. „Für uns ist das ein ganz normaler Vorgang, auch wenn wir gesetzlich dazu nicht verpflichtet sind“, sagt Koerner von Gustorf. „Und mit Blick auf das Gesamtbudget eines Films geht es da um überschaubare Summen.“
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