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Altersunterschied in BeziehungenLiebe im Modell Macron

Trotz gestiegener Toleranz: Viele irritiert es immer noch, wenn der Mann deutlich jünger ist als die Frau. Drei Paare erzählen von ihrem Alltag.

Für Elias Mende ist die Beziehung zu Janina Feuchtner ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden Foto: Quirin Leppert

„Alle haben uns für bekloppt gehalten“

Elias Mende ist 19 Jahre alt. Er findet es omamäßig, wenn seine Freundin Jasmin Feuchtner, 28, Walnusseis bestellt.

Sie: Die ganze Geschichte oder nur die halbe? Man könnte mich für leicht irre halten. Als ich 16 war, war ich mit Andro, Elias’ Halbbruder, zusammen.

Er: Da war ich sieben.

Sie: Andro und ich sind jetzt Freunde, er hat Elias im Sommer öfter mal mitgebracht. Seit einem halben Jahr sind wir zusammen. Anfangs habe ich gedacht: Oh mein Gott, die Mom von den beiden hält mich bestimmt für völlig bekloppt.

Er: Erst mal haben uns sowieso alle für total bekloppt gehalten. Aber wenn man als junger Typ eine ältere Frau abkriegt, die gut aussieht und lässig drauf ist, ist es doch eigentlich das Nonplusultra.

Sie: Ich hätte mich nicht in Elias verliebt, wenn ich glauben würde, er wäre blöder als ich. Ich habe mich wegen ihm von meinem Exfreund getrennt, mit dem war ich sechseinhalb Jahre zusammen. Viele haben gesagt: Der ist doch ein halbes Kind, der überlegt sich das doch sofort anders! Dann bereust du das!

Er: Meine Mom war skeptisch und besorgt, wie halt Mütter so sind: Was, die Jassi? Die ist doch viel zu alt für dich! Ich habe dann gesagt: Hey, voll toll, dass ich mit dir so gut drüber reden kann.

Sie: Für mich war das anfangs echt schwierig, weil ich ja alles hingeschmissen habe. Nach der Trennung bin ich zu Elias und seinen Eltern gezogen. Ich war es nicht mehr gewöhnt, in einem Kinderzimmer zu sitzen.

Wenn man als junger Typ eine ältere Frau abkriegt, die gut aussieht und lässig drauf ist, ist es doch eigentlich das Nonplusultra

Elias Mende

Er: Für mich war die Beziehung ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden. Ein Auto haben, von zu Hause ausziehen. Plötzlich ging es ganz schön schnell.

Sie: Mein Vater hat mich erst mal ausgelacht, aber dann habe ich gesagt: Du bist der Letzte, der da blöd daherreden muss! Seine Freundin ist zwanzig Jahre jünger als er. Ein Mann mit 40 denkt sich bei einer 20-Jährigen: Wenn die blöd genug ist, mit mir altem Sack ins Bett zu gehen, ist mir das Recht. Und eine Frau mit 40 denkt sich bei einem 20-Jährigen: Ach, die Cellulite, ich zieh mich doch vor dem nicht aus. Deswegen kommt es so selten zustande. Weil Frauen eher ein geringes Selbstbewusstsein haben. Ich habe mir auch nicht gezielt einen Jüngeren gesucht.

Er: Ich brauchte eine Freundin, mit der ich vernünftig reden kann und wo nicht so ein pubertärer Schmarrn im Raum steht. Aber das Problem ist natürlich, dass ich Schüler bin, ich mache gerade mein Fachabitur und verdiene nebenher etwas mit Gärtnerjobs. Wir versuchen die Haushaltskosten zu teilen, aber sie zahlt die Miete im Moment noch allein.

Sie: Was so Dinge wie Haushalt angeht, ist Erziehung wichtiger als Alter. Bei meinem Ex hat ­früher alles die Mama gemacht, mit Elias habe ich sogar mehr Unterstützung. Mein Exfreund wollte Kinder. Bei mir ist da Panik ausgebrochen. Ich will jetzt erst mal als Feinmechanikerin meinen Meister machen. Und vielleicht will ich noch studieren. Mein Exfreund fragte: Muss das mit dem Studium wirklich noch sein? Jetzt kann ich das so machen, wie es mir passt. Aber die biologische Uhr tickt ja auch. Irgendwann will ich schon Kinder.

Viele haben gesagt: Der ist doch ein halbes Kind, der überlegt sich das doch sofort anders! Dann bereust du das!

Jasmin Feuchtner

Er: Da bin ich noch viel zu sehr Kind, als dass ich mir so was auch nur vorstellen könnte. Aber ansonsten ist mir der Altersunterschied wurscht. Nur manchmal macht Jassi so Erwachsenendinge, die ich nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel: Wir gehen Eisessen und sie kauft sich ein Walnusseis.

Sie: Und du dir einen Kinderbecher mit Gummibärchen und Smarties. Walnusseis, habe ich inzwischen gelernt, essen nur 150-Jährige! Offenbar spreche ich auch komisch, sage so was wie: nach Adam Riese.

Er: Ich weiß überhaupt nicht, wer das sein soll.

Sie: Ich suche ihm das dann immer im Internet raus.

Als ihre Tochter einen 18 Jahre älteren Freund mit nach Hause brachte, mussten Ulrike Poppelbaum-Lührig und Ralf Lührig schlucken Foto: Mark Muehlhaus/attenzione

„Klar sind späte Schwangerschaften ein Risiko“

Sie war seine Musiklehrerin, kurz vor dem Abitur wurden sie ein Paar. „Das kann nie funktionieren“, dachte sie und trennte sich. Heute sind Ulrike Poppelbaum-Lührig, 67, und Ralf Lührig, 53, seit über einem Vierteljahrhundert verheiratet.

Sie: Wenn mir früher jemand gesagt hätte, dass ich mich in einen Schüler verlieben würde: Ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber es ist so gekommen.

Er: Ich habe die Hauptrolle gespielt in einer Oper, die du aufgeführt hast. Außerdem hast du das Blockflötenquintett gegründet und mir die Tenorflöte aufgedrückt. Wegen der Musik hatten wir viel miteinander zu tun.

Sie: Das ist auch die Basis unserer Beziehung, die Begeisterung für Musik. Ich war die einzige Musiklehrerin damals.

Er: Mit den Blockflöten sind wir dann ins Wochenendhaus deiner Eltern, in den Sommerferien zwischen der 12. und 13. Klasse. Dann haben wir da eine Woche Musik gemacht.

Nach zwei Jahren habe ich gefragt: Hast du mal mit deinen Eltern drüber geredet?

Ulrike Poppelbaum-Lührig

Sie: Da saßen wir mal bis nachts um drei, haben geredet und geredet. Und sehr viel von uns preisgegeben.

Er: Alle anderen waren schon im Bett.

Sie: Da habe ich mich verliebt.

Er: Du warst eine sehr engagierte Lehrerin und hattest was drauf. Ich brauchte jemanden, der mehr konnte als ich, das klingt ein bisschen arrogant, aber es war so.

Sie: Jungs brauchen in der Pubertät oft länger. Das habe ich als Lehrerin beobachtet und es ist bestimmt auch ein Grund dafür, warum die Konstellation ältere Frau, jüngerer Mann selten vorkommt. Bei dir war das komplett anders. Wenn du nicht so reif gewesen wärst, hätte ich mich nie darauf eingelassen. Ich hatte euch in der 10. Klasse übernommen, da bist du gerade 15 geworden. Aber die Beziehung entwickelte sich dann erst nach dem Abitur…

Er: Na ja, vor dem Abitur fing’s an und wir haben es lange geheim gehalten. Als es losging, war ich 19…

Sie: …noch nicht. 18.

Er: Nun sei nicht so kleinlich!

Die Macrons

Die Beziehung: Brigitte Macron unterrichtete Anfang der 1990er-Jahren an einem Gymnasium in Amiens in Nordfrankreich. Sie war mit einem Bankier verheiratet, mit dem sie drei Kinder hat. Emmanuel Macron war Schüler ihrer Theaterklasse. Als Emmanuel Macron auf ein Elitegymnasium in Paris wechselte, hielten sie Kontakt. 2006 trennt sich Brigitte von ihrem Mann und heiratet 2007 Emmanuel. Im Wahlkampf war sie bei fast all seinen Auftritten präsent und als Beraterin Teil seines Strategieteams. „Emmanuel muss in diesem Jahr Präsident werden, 2022 wird ihm mein Gesicht Probleme bereiten“, sagte Brigitte Macron.

Die Reaktionen: Die Beziehung wurde bekannt, als Brigitte Macron ihren Mann 2015 auf einen Empfang begleitete. In Boulevardzeitungen wurde sie im Wahlkampf „Großmutter an Macrons Seite“ genannt und dafür kritisiert, dass sie in kurzen Röcken auftrete. Der Sterntwitterte als Ankündigung eines Textes: „Spoiler: #Macron hat seine Lehrerin geheiratet – er 39, sie 63. #AufAltenPferdenLerntMannReiten“. Der Sternentschuldigte sich und löschte den Tweet. Brigitte Macron ist in Frankreich sehr populär, Hunderte skandierten „Brigitte, Brigitte“ bei ihrem Auftritt am ersten Wahlabend.

Sie: Zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Abi­tur habe ich dich zu einer Fahrradtour eingeladen. Das Körperliche hast aber du angefangen, ganz vorsichtig, mit Kuss und Umarmung. Ich hätte mich das nicht getraut.

Er: Einmal hast du Schluss gemacht.

Sie: Nach zwei Monaten. Ich habe mir die Reaktionen meiner Umgebung vorgestellt und gedacht, das kann nie funktionieren. Eine Freundin sagte aber dann: Ich finde, ihr seid ein tolles Paar. Dann dachte ich: Warum soll es eigentlich nicht funktionieren?

Er: Ich erinnere mich immer noch an ein Konzert, das du gespielt hast, wo ich hin und weg war.

Sie: Ich fand dein Selbstbewusstsein reizvoll, aber auch das Jungenhafte, deinen Witz, das war alles so belebend und hat mich total angezogen. In meinem Alter gab’s schon so alteingesessene Ehepaare, wo ich dachte: Das ist ja so was von verstaubt! Meine Mutter hat allerdings meine Schwester gebeten, mich dazu zu bewegen, die Beziehung zu beenden. Meine Schwester war ganz erbost deshalb. Ich wiederum hatte Angst, dass die Leute denken: Die Alte hat keinen Gleichaltrigen gefunden und angelt sich jetzt so einen Jungen. Dass das in eine Schmuddelecke geschoben wird. Deswegen haben wir sehr lange nicht mit anderen darüber gesprochen.

Er: Und weil ich dein Schüler war. Ich hatte Angst, dass einer sagt: Dein Abitur kann nicht anerkannt werden. Der Altersunterschied an sich hat mich nie gestört. Meine Freundschaften mit Mädchen vorher waren wahnsinnig oberflächlich. Und mit dir mitgehen zu dürfen, zu deinen Freunden zum Beispiel, war für mich eine Ehre. Ich wurde quasi auf eine höhere Stufe gestellt.

Sie: Meine Freunde haben dich sehr gleichberechtigt aufgenommen. Das war jedenfalls mein Gefühl.

Er: Und ich hatte das Gefühl, dass sie das dir zuliebe gemacht haben, mich deinetwegen nicht beleidigt haben. Ich habe mich anfangs sehr zurückgehalten. Das war schon eine komische Zeit. Irgendwie erinnere ich mich ungern daran zurück.

Sie: Ich hatte immer das Gefühl, dass du viel gelassener damit umgehst als ich. Nach zwei Jahren habe ich dich gefragt: Hast du mal mit deinen Eltern drüber geredet?

Er: Machen Jungs nicht.

Ich brauchte jemanden, der mehr konnte als ich, das klingt ein bisschen arrogant, aber es war so

Ralf Lührig

Sie: Ich sagte: Mensch Ralf, wir müssen es ihnen sagen! Dann haben wir deine Eltern eingeladen. Aber die hatten das natürlich längst geschnallt und dachten, wir würden ihnen mitteilen, ich sei schwanger. Dabei kam das erst Jahre später. Ich wäre gern auch schon früher Mutter geworden, wollte aber nichts forcieren. Du solltest dir ganz sicher sein. In meiner Altersgruppe gingen damals die ersten Ehen schon wieder auseinander.

Er: Ich wollte immer drei Kinder.

Sie: Mehr als eins, da waren wir uns einig. Zwei Monate vor meinem vierzigsten Geburtstag habe ich das erste Kind bekommen. Du warst 27. Einerseits fand ich es gut, so spät Kinder zu kriegen, weil ich beruflich alles erreicht hatte, was ich erreichen wollte. Ich blieb dann zehn Jahre zu Hause und hatte nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Aber ich war auch unglaublich verunsichert. Und du warst so unkompliziert.

Er: Irgendwann warst du mal mit einer deiner Schülerinnen im Krankenhauszimmer, ne? Die hat auch ein Kind gekriegt. Da habe ich gesehen, wie die Hebammen und Ärzte mit diesen jungen Damen umgehen und die sich alles gefallen lassen. Das war bei dir nicht so.

Sie: Uns war klar, dass so späte Schwangerschaften ein Risiko sind. Unser zweites Kind war mehrfach schwerstbehindert und starb mit zehneinhalb Monaten. Und Jakob, unser viertes Kind, hat Downsyndrom. Nach der Geburt kamen zum Teil auch fragende Reaktionen: Hätte man das nicht verhindern können? Ich hätte mir nie vorstellen können, ein Kind abzutreiben.

Er: Jakob hat sich dann auch gut entwickelt. Seine besten Erzieher waren seine Geschwister.

Sie: Es gibt Paare, wo das behinderte Kind dafür sorgt, dass der Mann sich vom Acker macht. Ich wusste aber von Anfang an: Wir stehen das zusammen durch.

Er: Wir haben so viel Freude mit Jakob. Aber 90 Prozent der Kinder mit Downsyndrom werden gar nicht erst geboren. In unserer Gesellschaft, die Inklusion auf ihre Fahnen schreibt. Für mich war es toll, dass ich mit dir eine Persönlichkeit hatte, mit der ich alles besprechen konnte. Kein Heimchen, das nur putzen kann und mich bei allem fragt.

Sie: Eigentlich war der Altersunterschied nach den Unsicherheiten am Anfang kein Thema mehr. Na ja: Ich habe mich schon über jedes graue Haar bei dir gefreut. Als die ersten grauen Haare kamen, habe ich auch überlegt, ob ich sie färben sollte.

Er: Dabei macht unser Modell eigentlich auch rechnerisch Sinn, die Lebenserwartung von Frauen ist ja höher. Wir haben das mal mit einem Programm ausgerechnet: 125 Fragen, Krankheiten der Eltern, ob man raucht und so weiter. Das Ergebnis war, du musst noch ein Jahr ohne mich auskommen.

Sie: Ich hatte eigentlich nie das Gefühl, dass jüngere Frauen jetzt eher in deinen Blick geraten sind. Dass ich eifersüchtig sein müsste. Aber vielleicht hab ich es nicht mitgekriegt.

Er: Ich schaue auch schönen Frauen hinterher, klar. Meistens, wenn du gerade nicht guckst. Aber das hat nichts mit unserer Beziehung zu tun. Verschiedene Beziehungen gelebt zu haben, fehlt mir nicht. Aber als unsere Tochter sagte, ihr neuer Freund sei 18 Jahre älter, da dachte ich: Warum sucht sie sich nicht einen Jungen, Frischen? So einen alten Knacker, was soll denn das jetzt? Er ist altersmäßig mir näher als ihr. Aber er hat genauso viel Quatsch im Kopf wie sie.

Sie: Ich habe auch geschluckt. Aber dann kam die Einsicht: Ausgerechnet ich soll irgendwelche Zweifel haben dürfen?

Er: Das ist der Unterschied zwischen Kopf und Bauch. Erst mal rattert der Kopf.

Christa Höfener wehrte sich gegen die Beziehung. Dann rief sie Hartmud Schmid doch an Foto: Steffi Loos

„Ich will auch nicht eher sterben“

Vor 39 Jahren verliebte sich Christa Höfener in Hartmut Schmid. Heute ist sie 85 Jahre alt und er 68. Erst jetzt im Alter macht das einen Unterschied.

Sie: Nächstes Jahr sind es vierzig Jahre, dass wir uns kennen. Willst du das erzählen? Es war 1978, du kamst aus Südafrika zurück und hast einen Bischof nach Berlin begleitet. Ich hatte ein Projekt zur Befreiungsbewegung in Südafrika gemacht. Bei einem Essen saßt du neben mir. Jetzt musst du erzählen!

Er: Alles Zufall!

Sie: Eine Woche später kam eine Postkarte: Ich will gern weiter mit dir über Afrika reden. Dabei kanntest du noch nicht mal meinen Namen. Das herauszufinden war viel für so einen zurückhaltenden Mann wie dich.

Er: Ich bin über mich hinausgewachsen.

Sie: Wir haben uns dann in Kreuzberg getroffen, da habe ich mich verliebt. Ich war 46.

Er: Und ich 16 weniger, also 30.

Sie: Irgendwann hast du mir deinen Betriebsausweis gezeigt, von deinem Job im Senat. Als ich das Geburtsjahr entdeckte, war ich so schockiert, dass ich dich nicht drauf ansprechen konnte. Ich dachte: Das ist das Ende.

Er: Bei mir war das ganz anders. Ich hatte gerade den Film „Harold und Maude“ gesehen und fand, viel wichtiger als das Alter ist die Haltung zum Leben.

Sie: Ich dachte noch, dass am Anfang der Mann der Werbende ist und die Frau zurückhaltend. Das ist natürlich Quatsch. Aber so war ich geprägt. Eine Beziehung, wo der Mann jünger ist, das war für mich unmöglich. Aber irgendwas war zwischen uns schon passiert.

Wir sind schon in unterschiedlichen Phasen der Geschichte aufgewachsen

Hartmut Schmid

Er: Ich habe damals allein in Neukölln gelebt.

Sie: Und ich habe gerade mein Zweitstudium gemacht, Pädagogik. Das war eine ziemlich heftige Zeit. Ich habe mich sehr gegen die Beziehung gewehrt. Es war Winter, saukalt. In meiner Wohnung hatte es neun Grad. Drinnen! An einem Sonntag habe ich dich angerufen – eine enorme Leistung. Wir haben uns dann in einem warmen italienischen Gasthaus getroffen.

Er: Glück gehabt!

Sie: Seitdem habe ich viel intensiver gelebt.

Er: Es kam sicher vor, dass mich Leute für deinen Sohn gehalten haben. Aber wir waren in offenen Kreisen unterwegs.

Sie: Wenn wir nicht in Kreuzberg gelebt hätten, wäre es wohl anders gewesen.

Er: Ich glaube, von uns ging eine Selbstverständlichkeit aus.

Sie: In der sexuellen Beziehung hat der Altersunterschied keine Rolle gespielt. Aber natürlich war ich nie frei von Angst. Du hättest ja deine Sachen packen und doch eine Familie gründen können.

Er: Mich hätte es eher überfordert, Kinder zu haben. Meine Eltern waren ziemlich ungeschickt. Ich hatte Sorge, diese Erfahrungen fortzusetzen.

Sie: Das Thema Kinder war ja bei uns gelaufen. Ich hab das später schon bedauert. Aber ich musste erst meinen eigenen Weg finden. Sonst wäre ich in alte Muster gefallen wie: Mann verdient Geld, sie kriegt Kinder.

Er: Bei mir war die afrikanische Erfahrung wichtig: Jedes Kind braucht ein ganzes Dorf. Ich muss mich nicht auf eigene Kinder fixieren.

Sie: Wir haben dein Patenkind in den Urlaub eingeladen. Ich habe als Lehrerin sehr gern mit Kindern gearbeitet und das hat mich auch satt gemacht.

Er: Mittlerweile gehören wir zur Großelterngeneration. Bald werde ich 70, ich kann mir das gar nicht vorstellen!

Sie: Macht es für dich einen Unterschied, dass ich die Nazis miterlebt habe und du nicht?

Er: Wir sind schon in unterschiedlichen Phasen der Geschichte aufgewachsen. Aber Lebenserfahrung fand ich attraktiv. Ich hatte immer eher Beziehungen mit älteren Frauen.

Sie: Bei mir gab es auch mal einen Mann, der war sieben Jahre jünger als ich. Ich habe dir die Geschichte nie erzählt.

In der sexuellen Beziehung hat der Altersunterschied keine Rolle gespielt. Aber natürlich war ich nie frei von Angst

Christa Höfener

Er: Spannend!

Sie: Er war geschieden und hat mir gesagt: Wenn er sich noch mal auf eine Beziehung einlässt, dann sollte das eine jüngere Frau sein. Die sieben Jahre waren ein Hindernis. Aber als mein Bruder eine fünf Jahre ältere Frau geheiratet hat, fand ich das auch noch problematisch. Weil es wirkte, als habe sich die Frau den Mann geschnappt. Das war in den Sechzigern. Heute finde ich meine Reaktion seltsam.

Er: Dabei sind Altersunterschiede bei jüngeren Leuten ja oftmals gar nicht so augenfällig.

Sie: Ich bemerke den Unterschied erst jetzt so richtig, weil ich nicht mehr so viel Energie habe. Das belastet mich auch. Vor drei Jahren hatte ich eine Hüft-OP und brauche nun einen Stock.

Er: Vieles, was mit Bewegung zu tun hat, mache ich allein – Fahrradtouren etwa.

Sie: Ich bin jetzt häuslicher. Was die Zukunft angeht, bemühe ich mich sehr, gelassen zu bleiben. Ich fände es schlimm, wenn Hartmut eher sterben würde. Aber ich will auch nicht! Ich muss noch an Reife zulegen, um das Leben loszulassen.

Er: Wir reden nicht viel darüber, aber das bewegt uns. Vielleicht verdränge ich es auch.

Sie: Wir haben noch keine Patientenverfügung gemacht. Und wir müssen uns noch als Erben einsetzen.

Er: Ich will mich damit nicht beschäftigen. So weit bin ich nicht.

Sie: Aber wenn du mich doch pflegen müsstest, dann würden wir uns alle Hilfe organisieren.

Er: Das ist nichts, was mir Angst machen würde.

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