Altersgrenze für Social Media: Das falsche Verbot
Wer unter 16 ist, soll Apps wie Tiktok nicht mehr nutzen dürfen – das fordert nun auch die Bildungsministerin. Besser wäre etwas anderes.

E s ist gut, dass die neue Bundesregierung endlich gegen den enthemmten Social-Media-Konsum vorgehen will. Zu grell treten mittlerweile die Schattenseiten des ständigen Onlineseins hervor: Grundschulkinder wollen sich nicht mehr bewegen, Jugendliche sind im Dopaminrausch gefangen. Und Tiktok & Co spülen ungefiltert wie nie zuvor Rassismus, Frauenhass und Gewaltverherrlichung in die Teenie-Feeds. Leider zieht das Kabinett Merz aus dieser Realität die falschen Schlüsse: Wer unter 16 ist, soll Apps wie Snapchat und Instagram künftig nicht mehr nutzen dürfen. Das forderte – nach Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) – nun auch Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Eine Altersgrenze für Social Media würde jedoch wenig helfen – schon deshalb, weil sie technisch schwer umzusetzen ist, wie ein Blick nach Australien zeigt. Ob eine EU-weite App zur Altersüberprüfung, an der Brüssel derzeit arbeitet, hier die Lösung bringen kann, bleibt abzuwarten. Doch selbst wenn es Europa gelingt, wäre ein Altersverbot kein guter Weg. Schließlich würden die problematischen Folgen von Social Media dadurch nicht verschwinden, sondern im besten Fall nur aufgeschoben.
Wahrscheinlicher ist es, dass Jugendliche das Verbot, genau wie in Australien, umgehen. Dann hätte die Bundesregierung lediglich erreicht, dass die bisherigen Bemühungen an Schulen, frühzeitig einen gesunden Umgang mit Social Media zu vermitteln, konterkariert oder ganz eingestellt würden – es gibt ja das Verbot. Was das für die digitalen Kompetenzen der Jugend bedeuten würde, kann man sich leicht ausmalen. Und wie so oft wären davon vor allem die Kinder betroffen, die zu Hause weniger Unterstützung erhalten.
Besser wäre es, den Handykonsum an Schulen viel früher und konsequenter zu begleiten. Wenn heute schon Erstklässler:innen Smartphones besitzen, darf der kritische Umgang damit nicht bis zur fünften oder siebten Klasse warten. Und: Die Politik muss die Konzerne in die Pflicht nehmen. Die Plattformen, die suchthaftes Verhalten, psychische Krankheiten und Radikalisierung in Kauf nehmen, sollten ein Verbot fürchten – nicht die Nutzer:innen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!