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Altersarmut durch AktienrenteRente für die Fonds

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die FDP hält an der Aktienrente fest. Ein Irrweg – davon profitieren Fondsgesellschaften und die Finanzbranche, nicht zukünftige Rentner:innen.

Die Aktienrente ist kein geeignetes Mittel gegen Altersarmut, zumindest für die meisten Foto: Arne Dedert / dpa

E s ist eine alarmierende Nachricht: Immer mehr Rent­ne­r:in­nen brauchen die staatliche Grundsicherung, weil sie nicht genug Geld zum Leben haben. Aktuell sind es knapp 650.000 Menschen. Die Zahl der Rent­ne­r:in­nen in Altersarmut wird künftig weiter zunehmen – schon weil der Niedriglohnsektor durch die rot-grünen Arbeitsmarktreformen zu Beginn des Jahrtausends extrem expandiert ist.

Die Forderung der FDP, die Altersvorsorge mithilfe einer Aktienrente auf Vordermann zu bringen, ist angesichts dieser Entwicklung bizarr. Von so einem Projekt profitiert nur die Finanzbranche, die mit Provisionen und Gebühren hohe Gewinne einstreicht – wie bei der Riester-Rente. Das Scheitern der Riester-Rente mit ihren Mini-Ausschüttungen und extremen Kosten für Kun­d:in­nen hat gezeigt, dass die Teilprivatisierung der Altersvorsorge eine ganz schlechte Idee ist.

Die Bindung der Rente an die Kapitalmärkte ist fatal. Verzocken sich die Fonds­ma­na­ge­r:in­nen oder stürzen die Börsen ab, müssen die Beitragszahlenden das zahlen – aber je weniger Einkommen sie im Erwerbsleben und im Ruhestand haben, umso wichtiger ist, dass sie mit ihrer Geldanlage keine Verluste erleiden.

Die gesetzliche Rente wird immer wieder schlechtgeredet, um Banken, Versicherern und Fondsgesellschaften neue Geschäftsfelder zu eröffnen. Dabei ist sie viel kostengünstiger, und sie ist allen Unkenrufen zum Trotz sicher – zumindest solange keine Regierung anfängt, sie zu untergraben. Das Umlagesystem, also die Finanzierung über die Erwerbstätigen, ist anders als die Kapitalmarktfinanzierung krisenfest. Das Argument, dass eine voraussichtlich schrumpfende Erwerbsbevölkerung für die gesetzliche Rente eine große Herausforderung ist, gilt für die Kapitalmärkte noch viel mehr.

Die vielen Milliarden Euro, die die FDP in die Aktienrente stecken will, sollten in etwas anderes fließen: in eine Mindestrente, die zum Leben reicht. Diese Mindestrente sollte je­de:r mit einem Anspruch auf die gesetzliche Rentenversicherung bekommen, unabhängig von dem, was er oder sie verdient hat.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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15 Kommentare

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  • Erst die Rentenkasse plündern ,danach wird sie verramscht.

  • Wenn Reiche Aktien haben werden sie immer reicher.



    Wenn Arbeitnehmer Aktien haben ist ihre Altersvorsorge in Gefahr.



    Versteht jemand diese Logik?

  • 6G
    659428 (Profil gelöscht)

    Der Vergleich mit der Riesterrente hinkt etwas, da die Aktienrente doch von einem staatlichen Find wie in Norwegen verwaltet werden soll, oder nicht?

    "Dabei ist sie viel kostengünstiger, und sie ist allen Unkenrufen zum Trotz sicher – zumindest solange keine Regierung anfängt, sie zu untergraben."



    Was ja schon getan wurde. Außerdem ist unser jetziges Rentensystem auf der Behauptung aufgebaut, das zwei Beitragszahler einen Rentner finanzieren. Das ist ein Schneeballsystem. Wäre das seit Adenauer so, wäre die Bevölkerung Deutschlands irgendwo bei 200mio+ oder mehr.



    Und sicher? Wie sicher ist eine Geldanlage, in die man über 40 Jahre einzahlt, um vielleicht 20 Jahre 60% der Beiträge zurück zu bekommen?



    Mag sein dass die Rente eine Weile funktioniert hat, kenne aber niemanden u40 der davon ausgeht, das er eine ausreichend hohe bekommen wird

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Grundsätzliche Zustimmung zum Inhalt des Artikels.



    Und es kommt ein weiterer (volkswirtschaftlicher) Aspekt hinzu:



    Jeder Euro, der in eine private Rente fließt, ist dem potentiellen Konsum und damit der Nachfrage entzogen - mindestens so lange, bis die Auszahlungen wieder den Einzahlungen entsprechen.



    Das ganze Konstrukt ist so ein hahnebüchener Unsinn, dass man nur den Kopf schütteln kann, wen die beiden großen Ampel-Parteien da mitmachen.



    Und dem Otto-Normalanleger muss doch klar sein:



    Was von der FDP kommt, der Pertei der Wirtschaft und der Besserverdienenden, das nutzt doch wohl nur genau dieser Klientel.



    Dieses geniale Rentensystem, bei dem jeder eingezahlte Euro sofort der Volkswirtschaft wieder verfügbar ist, wurde von Lobbyisen der Arbeitgeber (Beitragsdeckelung und indirekte Beiragserhöhung für Arbeitnehmer durch private Vorsorge), der Versicherungen (Rister- und Rürup-Rente), der Banken und Fonds (w.o.) im Verbund mit der ihnen geneigten Presse kaputt-"reformiert".



    Jetzt kommen genau diese Geselle um die Ecke mit ihren Scheinargumenten ("demograischen Faktor" etc.) und behaupten, das Gesamtgebäude sei marode.



    Dabei haben sie es an allen Ecken ge- und beschädigt.

  • Einige Punkte, die Frau Krüger anführt, sind mir teils zu schlicht und zu platt.

    1. "Von so einem Projekt profitiert nur die Finanzbranche, die mit Provisionen und Gebühren hohe Gewinne einstreicht – wie bei der Riester-Rente": Das ist ja genau NICHT der Plan. Ein vom Bund eingerichteter und verwalteter Fonds ohne zusätzlich Intermediäre dazwischen. Jetzt kommt noch das i-Tüpfelchen: Sowas haben wir sogar schon erfolgreich mit dem KENFO. Und gerade Frau Mikus hat während COVID gezeigt, dass sie ihr Fach sehr gut beherrscht.

    "Verzocken sich die Fonds­ma­na­ge­r:in­nen oder stürzen die Börsen ab, müssen die Beitragszahlenden das zahlen": Die Geschichte hat gezeigt, dass selbst bei wiederkehrenden Krisen über die lange Distanz (20-30 Jahre) immer ein positives Ergebnis stand. Langfristig investieren ist hier das Stichwort

    www.dividendenadel...ld-renditedreieck/

    Abschließend kann der Staat bei der Summe, die sie investiert selber entscheiden, wo und in was investiert wird. Theoretisch nur in Unternehmen Deutschland. Wäre nicht clever, aber anderes Baustelle.

  • Wer angesichts der demographischen Entwicklung immer noch der umlagefinanzierte Rente das Wort redet, verleugnet die Realität - oder nimmt in Kauf, dass zukünftig die Masse der staatlichen Einkünfte für die Sicherung einer ungedeckten Altersrente aufgewendet wird. Angesichts der Renditen in den letzten 400 Jahren - ja, so lange gibt es Aktiengesellschaften bereits - ist die anteilige Aktienrente eine sehr gute Lösung. Deckelung der Rente und Verbreiterung der Basis durch mehr Einzahler wird zwar den Druck auf die Umlagefinanzierung verringern, das demographische Problem aber auch nicht lösen. So einfach ist das.

  • Und weil die umlagefinanzierte Rente so hervorragend funktioniert, beträgt nach aktuellen Zahlen der Zuschuss zur Rentenversicherung rd. 23 % des Bundeshaushalts. Was ist denn daran krisenfest?

  • Danke für den Kommentar.

    Das die FDP zocken an der Börse als Lösungsvorschlag gegen Altersarmut propagiert ist wirklich "bizarr".

    Es gäbe da doch die viel einfachere Möglichkeit eines "Bedingungslosen Grundeinkommens".

    Was damit alles an 10.000den von Sachbearbeitern eingespart werden könnte. Und tausende Behördengebäude, die teuer erhalten und beheizt werden müssen könnten wir einsparen/zu Wohnraum umbauen.

    Müssen nur wollen... . ;-)

    Das Rentenprinzip funktioniert allein aus demographischen Gründen schon jetzt nicht mehr.

    Wieviele Milliarden Euro muß der Staat nochmal jedes Jahr an die Rentenkasse überweisen?

  • Wie sehr die Wirtschaft am Gemeinwohl interessiert ist haben wir ja die letzten Jahre gesehen. Null.



    Zu verantwortungslos für eine solche Aufgabe.

  • Komisch.



    Dachte unser Rentenmodell basiert darauf, dass die Beiträge in die Versicherung sofort an die Rentner ausgeschüttet werden.



    Wo ist da Platz für Aktien ?

  • Eine andere Haltung zur Aktienrente hätte ich an dieser Stelle auch nicht erwartet. Wäre eine Aktienrente schon vor 30 Jahren eingeführt worden mit konsequenter Investition in konservative dividendenstarke Titel oder ETFs auf die weltweite wirtschaftliche Entwicklung dann hätten wir heute kein Problem bei der Rente.

    • @Goodfella:

      Das ist halt ein wenig blauäugig. Im Mittel ist die Rendite recht ordentlich. Das hilft aber nicht, wenn Geld zu einem Zeitpunkt gebraucht wird, an dem der Aktienmarkt gerade im Keller ist.



      Das soll übrigens immer wieder mal vorkommen.

      • 6G
        659428 (Profil gelöscht)
        @Lapa:

        In dem Falle könnte der Staat ja immer noch nachhelfen - wie er es zurzeit regelmäßig tut

      • @Lapa:

        Genau deshalb investieren Sie auch in jungen Jahren in Aktien und schichten diese in den letzten 10 Jahren vor Rentenbeginn Schritt für Schritt um in festverzinsliche Anlagen.

        Von einer staatlich verwalteten Aktienrente halte ich nichts. Am liebsten wäre mir eine optionale, kostengünstige private Zusatzrente wie in den USA mit dem 401(k)-Plan. Ein einfaches System für jeden der es will, ohne Zwang. Kein Riester oder Rürup nötig. Daneben das Umlagesystem für die grundsätzliche Absicherung und alle die sich nicht mit dem Kapitalmarkt beschäftigen wollen.

  • Parallel zu einer Mindestrente braucht es eine Höchstrente, das Einzahlen von Beamt:innen in die gesetzliche Rentenversicherung (es kann ja nicht sein, dass man sich von diesen ein Leben lang gängeln lassen muss, nur um denen dann auch noch die üppige Pension zu finanzieren) sowie eine andere Gestaltung der Beitragsbemessungsgrenze dahingehend, dass diejenigen, die ein niedriges Gehalt haben, stärker entlastet werden, während hohe Gehälter stärker belastet werden und sich nicht ab einem Punkt aus der solidarischen Finanzierung der Rente verabschieden.