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Alternativen zu Stuttgart 21Der Ausstieg wäre billiger

Stuttgart 21 stoppen und den Kopfbahnhof verbessern – das würde Milliarden sparen. So die Berechnungen, die S21-Gegner in Auftrag gaben.

Da geht noch was: Das Gleisvorfeld des Stuttgarter Hauptbahnhofes aktuell Foto: dpa

Berlin taz | Angesichts der jüngsten Kostensteigerungen beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21), mit denen sich am Mittwoch auch der Aufsichtsrat der Bahn beschäftigte, drängen Kritiker erneut auf einen Abbruch der Arbeiten. Neue Argumente dafür liefert ihnen ein Gut­achten, das sie beim renommierten Verkehrsberatungsbüro Vier­egg-Rössler in Auftrag gegeben haben. Demnach wäre ein Ausstieg aus S21 auch jetzt noch weitaus günstiger als der Weiterbau.

Die Bahn hatte kürzlich eingeräumt, dass die Kosten für S21 auf 7,6 Milliarden Euro steigen und sich die Fertigstellung auf das Jahr 2024 verzögern würden. Ursprünglich sollte der neue unterirdische Durchgangsbahnhof, der den bisherigen Kopfbahnhof ersetzen soll, inklusive der notwendigen Neubaustrecken 4,5 Milliarden Euro kosten.

Vieregg-Rössler schätzt die Kosten mit 9,8 Milliarden Euro aufgrund neuer Verzögerungen und Probleme noch höher ein als die Bahn. Bei einem Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt wären davon 3,2 Milliarden Euro an bereits angefallenen Kosten verloren. Die Umsetzung des von den S21-Gegnern erarbeiteten Konzepts „Umstieg 21“, das einen stark aufgewerteten Kopfbahnhof mit neuen S-Bahn-Strecken unter anderem auf der für S21 geplanten Trasse zum Flughafen vorsieht, würde zusätzliche 1,2 Milliarden Euro kosten. Die schon ausgehobenen Tunnel und Gruben sollen dabei anderweitig genutzt werden. Eine modifizierte Lösung mit einer zusätzlichen Neubaustrecke, die Vieregg-Rössler selbst erarbeitet hat und die S21 nach Angaben des Planungsbüro „verkehrstechnisch deutlich überlegen“ wäre, würde rund 2 Milliarden Euro kosten.

Die Kostenschätzung der Bahn

Selbst im Vergleich zur aktuellen Kostenschätzung der Bahn wären die Alternativen also 2 bis 3 Milliarden Euro günstiger als der Weiterbau. Wenn die Kostenprognose der Kritiker stimmt, läge die Ersparnis sogar bei 4 bis 5 Milliarden Euro.

Ein Gutachten der Bahn selbst hat die Kosten eines Ausstiegs aus S21 laut Handelsblatt gerade mit 7 Milliarden Euro beziffert – was fast den kompletten geplanten Baukosten entspräche. „Das sind Mondzahlen, mit denen die Bahn jede Umstiegsdebatte zu ersticken versucht“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisse gegen Stuttgart 21, Eisenhart von Loeper.

Die Verkehrsexpertin der Linken im Bundestag, Sabine Leidig, sieht sich durch das neue Gutachten in ihrer Kritik an S21 bestätigt. Es zeige, dass ein Ausstieg „auch jetzt absolut sinnvoll und machbar ist“. Bei Fortsetzung des Projekts begingen die Verantwortlichen Untreue, warnte Leidig. Auch der SPD-Abgeordnete Marco Bülow kritisierte die „mangelhafte Transparenz der Bahn“ bei Stuttgart 21 und forderte: „Angesichts der neuen Zahlen muss man das Projekt noch einmal neu bewerten und dann schnell über Abbruch oder Weiterbau entscheiden.“

Die Bahn selbst äußerte sich zur Aufsichtsratssitzung am Mittwoch nicht. Eine Entscheidung, wie mit den Mehrkosten umgegangen wird, gab es dort nicht; diese soll auf einer Sondersitzung des Gremiums Ende Januar fallen. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart, die Projektpartner von S21 sind, wollen sich an den Mehrkosten nicht beteiligen. Ob sie sich damit am Ende in einem möglichen Rechtsstreit durchsetzen können, ist aber offen.

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11 Kommentare

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  • Es kann keinen Ausstieg geben. Das Ganze ist doch kein Verkehrsprojekt. Vielmehr geht es darum, die freiwerdende Trasse teuer zu bebauen. Planer haben jeden Centimeter schon mehrfach mit Gebäuden zugestellt.

     

    Es profitieren zu viele und sie sind zu einflussreich, als dass sich dieser Ausverkauf noch stoppen ließe. Natürlich wird weiter von Verkehrsoptimierung gefaselt, doch die Gentrifizierung Stuttgards ist der eigentliche Antrieb. Solange das stillschweigend akzeptiert wird, wird Stuttgard 21 weitergehen.

  • Die S21-Gegner sind doch nicht dumm.

    Natürlich ist ihre Kostenberechnung so gering, dass es sich für einen Ausstieg lohnt.

     

    Genauso wie die Kostenplanung der Bahn so gering war, dass dieses Projekt nicht schon von vornerein als "zu teuer" tot ist.

    Kostensteigerung bei öffentlichen Projekten sind doch normal. Wären die Kosten ehrlich (oder zumindest nicht für den Idealsfall geplant) wären öffentliche Bauprojekt überhaupt nicht mehr realisierbar.

    Wir sehen es ja an S21 - jeder gelangweilte Rentner in Stuttgart kann einen Bahnhof günstiger, schneller und besser bauen als die Trottel von der Deutschen Bahn.

    Am 10er Stammtisch sitzen ja auch immer 11 bessere Bundestrainer (ok bei Jogi nur noch 9).

     

    Ich persönlich glaube weder der Kostenberechnung der Deutschen Bahn noch die der Parkschützer.

    Und erst recht nicht glaube ich, dass mir irgendeiner ausrechnen kann ob nun 5, 7 oder 10 Milliarden Euro Kosten sich in 50 Jahren rentieren oder nicht.

     

    Weder die Deutsche Bahn, noch die Parkschützer und erst recht nicht die Politik.

  • Vielleicht sollte man wieder einige "Volksabstimmunmgen" und umfangtreiche Hearings bringen...

    So bis zum Sankt Nimmerleinstag.

    • @Hartz:

      Damit es nicht dazu kommt sollten wir die Volksabstimmungen irgendwie einschränken - z.B. dass sie nur dann gültig ist wenn die "richtige" Seite die Mehrheit hat.

  • Es ist doch klar, was solche Berechnungen ergeben:

    Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, was gespielt wird!

    ...

     

    Und S21 wird unter einem "grünen" Ministerpräsidenten gebaut!

  • Gerade S21 beweist wie sehr sich unser Ziel "Demokratisierung" in Richtung Demokratur verändert hat:

    Die die dazu bestimmt wurden Repräsentanten des Volkes zu sein, machten sich zu Junkies 'unbekannter' Bestimmer!

    Lustig: da kreischen sofort die Parlamentsäle, owehe das Volk will was, dieselben warten aber hechelnd und demütig auf Zuruf von "oben"!

     

    Die Bahn, die Aufsichtsräte sind Dienstleister! Doch hier dürfen die Knechte bestimmen, welche fiskalischen Entscheidungen die Repräsentanten des Souveräns zu tätigen haben?

     

    Nochmal: die Bahn ist kein eigenständisches Privatunternehmen! Ein kleiner Tante Emma Laden, der nahezu unbemerkt pleite machen kann!

    Das Volk ist nicht nur Volleigner, sondern auch Vollhafter!

  • Weiterbauen Kosten können m.E. nur valide berechnet werden, wenn endlich ALLE Kosten auf dem Tisch liegen!

    Hierbei müssen nicht nur die geringen Anteilskosten der Bahn berücksichtigt werden, sondern auch die vielen, vielen Mauschelkosten seitens der Stadt, des Landes, des Bundes, der Region, der SSB, des Flughafens, aber auch die Anschlußverwendungskosten (z.B.Feuerwehr, z.B.Unterhalt der Tunnel, z.B. Dauerbeleuchtung der Tunnelhaltestelle, Sicherheitsgefühl-erstellen im Untergrund) müssen berücksichtigt werden!.. Und keine Ahnung wer noch so am Kuchen rumknabbert!

     

    Es braucht dringend eine Soko S21, die die ganzen Briefkastenfirmen bzgl dieses Projekts aufdeckt! Der Hütchentrickspielerei ein Ende setzt!

    Denn...es mag ja Jungsig sein,"uns" nicht alles verraten zu wollen.... wenn aber auch die politischen, verwaltokratischen und medialen Instanzen nicht mehr durchsteigen ist es brandgefährlich!

  • Betrug, Wählertäuschung, betrügerische Gutachtenß

     

    Bei jedem anderen Unternehmen wären Krisensitzungen angesagt.

    Doch was macht der Bahn-Aufsichtsrat?

    Er vertagt abermals wichtige Entscheidungen und vergrößert damit den Schaden für die Bahn. Auch Nichtentscheidungen sind strafbare Entscheidungen ähnlich wie Insolvenzverschleppung.

     

    Weiterhin drängt sich die Frage auf, ob nicht auch die Bahngutachter betrügerische Gutachten fertigen, denn die vorgelegten Zahlen widersprechen sich und dem gesunden Menschenverstand.

     

    Stuttgart21 wurde mit hoher krimineller Energie mit betrügerischen Zahlen und Wählertäuschung durchgesetzt.

    Durch jede weitere Verzögerung der Entscheidungsfindung macht sich daher der Aufsichtsrat strafbar.

     

    Redaktioneller Fehler: Ursprünglich sollte Stuttgart21 2.5 Mrd € Kosten (Stand 2005), nicht 4.5. 1995 wurde der Bevölkerung, Stadt und Land gesagt, durch Immobiliengeschäfte sei Stuttgart21 umsonst. Das konnte widerlegt werden, so das 1999 das Projekt wg Unbezahlbarkeit von damals erwarteten 5 Mrd € von der Bahn auf Eis gelegt wurde.

  • Sofortiger Ausstieg ja.

     

    Mit dem eingesparten Geld könnte man dann etwas wesentlich Sinnvolleres bauen: z.B. eine Cheopspyramide 2.0 in der Lüneburger Heide....

  • Der Unterschied von "Stuttgart 21" zu den ähnlich in Kritik stehenden Bauten der Elbphilharmonie in Hamburg und dem Willy-Brandt-Flughafen in Berlin ist, dass die Hamburger nun eine qualitativ hochwertige Philharmonie, und die Berliner dann einen guten Flughafen haben, während in Stuttgart für ein minimaleres Angebot, für einen schlechteren Bahnhof sehr viel Geld "in den Sand gesetzt" und "verbuddelt" wurde.

     

    Was "S21" auch zeigt ist, dass die, die dagegen waren und dagegen sind, keinesfalls die schlechteren Argumente hatten und haben - hätte man staatlicherseits (die Bahn war ein Staatsunternehmen und gehört auch heute, nach der Umgestaltung, zu 100 % dem Staat) auf die Gegner gehört, hätte man sehr viel (Steuer-) Geld gespart. Aber bei Merkel, Schäuble & Co. müssen nur immer die Anderen (= das eigene Volk, die anderen EU-Staaten usw.) sparen, während sie selbst für ihre Projekte das (Steuer-) Geld mit vollen Händen ausgeben und aus dem Fenster werfen.

    • @Der Allgäuer:

      Der arme Willy ;)

      Sorry aber auch der Flughafen ist Murks! Wenn man neu baut sollte wenigstens für die Zukunft gebaut werden! Aber schon jetzt weiß man der BER reicht nicht! Die Pläne, Tegel zu erhalten, den Flughafen zu erweitern werden doch längst diskutiert!

       

      Elbphi und Schloß: Deutsche können nur Rückwärtsgewandtes! 'alten Liedern ne Halle geben (da verändert sich kaum was!) und altem Wissen ne neue Hülle verschaffen! (Ein bißchen mehr aufgepeppt, mehr Worthülsen begleitet von musealen Mitspielprogrammen...dat geht!)