Alternative für extremes Treibhausgas: Saubere Luft statt SF6
Auch Erneuerbare Energien nutzen das klimaschädlichste Treibhausgas der Welt. Die EU-Kommission könnte es verbieten – wenn sie Alternativen sähe.
Nun testet das niederländische Unternehmen Tennet in seinem Umspannwerk Ovenstädt in Ostwestfalen als weltweit erster Übertragungsnetzbetreiber auf Höchstspannungsebene eine Technik, die ohne das Klimagas auskommt.
In Deutschland sind die Anlagen der Stromwirtschaft inzwischen der größte Nutzer dieses synthetischen Stoffs. Für früher beliebte Anwendungsgebiete wie als Füllung für Schallschutzfenster oder Autoreifen darf es inzwischen nicht mehr verwendet werden.
In der Hochspannungstechnik war es schwieriger, Alternativen zu finden. Jetzt sollen aber „SF6-freie Lösungen in Spannungsebenen bis 110 Kilovolt verfügbar“ sein, wie Tennet sagt. Bei höheren Spannungen befinde man sich noch in der Erprobungsphase – mit dem Pilotprojekt Ovenstädt. Dort wird SF6 als Isolierung durch so genannte saubere Luft ersetzt. Diese besteht aus den natürlichen Bestandteilen der Umgebungsluft und wird mit extremem Druck in die Apparaturen eingebracht.
In der Forschung tut sich was
Die Klimawirkung des fluorierten Gases ist lange bekannt. Bereits 2005 hatten sich der Produzent Solvay, sowie die Hersteller und Betreiber von elektrischen Anlagen verpflichtet, die Emissionen zu minimieren. Tatsächlich ist der Ausstoß in Deutschland seither um die Hälfte auf zuletzt rund 12 Tonnen pro Jahr zurückgegangen. Da allerdings der Abbau in der Atmosphäre extrem langsam verläuft – das Umweltbundesamt beziffert die Lebensdauer auf 3.200 Jahre – steigt die Konzentration in der Luft weiterhin an.
Seit dem vergangenen Jahr analysieren das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik die ökologischen und sozio-ökonomischen Auswirkungen des Einsatzes von SF6 in Stromnetzen und untersuchen Alternativen. Zur selben Zeit investierte Eon in das Berliner Startup Nuventura, das SF6-freie Schaltanlagen entwickelt.
Auch in Bestandsanlagen könnten Emissionen vermindert werden, wenn Lecks reduziert würden, rechnet Tennet vor. In der Firma habe man die Verluste von 2016 bis 2019 durch den Rückbau alter Anlagen, eine bessere Ausbildung des Servicepersonals und spezielle Werkzeuge von 0,09 Prozent auf 0,05 Prozent senken können.
Als nächstes ist nun die EU-Kommission gefragt. Sie muss gemäß Verordnung des Europäischen Parlaments (Nr. 517/2014) zum 1. Juli 2020 bewerten, ob es für Mittelspannungsanlagen „kostenwirksame, technisch realisierbare, energieeffiziente und zuverlässige Alternativen“ gibt, um ein Verbot aussprechen zu können.
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