Als Erwachsener Trompete lernen: Tüüüü, teeee, blubber, blubber
Unser Autor nimmt seit kurzem Trompetenunterricht. Das Posthorn-Solo aus Mahlers 3. Symphonie spielt er zwar noch nicht. Aber bald. Bestimmt.
Ich öffnete die Tür und betrat den Raum. Ein Schlauch, halb so groß wie eine Garage, Nadelfilz auf dem Boden, ein Klavier, Fenster zum Hof, zwei Stühle, zwei Trompeten, ein junger Mann – der Trompetenlehrer. Ich schloss die Tür, und das schien ihn zu verwundern. Wo ist das Kind, das Trompete lernen möchte, fragte er mit seinen Augen. Ich sagte: „Hallo, ich bin Felix, ich möchte gerne Trompete ausprobieren.“ – „Ah, super! Gerne!“ Sein fragender war einem offenen, freundlichen Blick gewichen.
Schnuppertag in der Musikschule Oldenburg, alle Instrumente können ausprobiert werden. Schnuppern klingt wie: für Kinder. Und ich hatte meinen Kindern auch von dem Tag erzählt; eine Tochter war noch auf der Suche und wollte vielleicht Geige oder Flöte spielen. Ich dachte: Och, gehe ich mit. Gute Gelegenheit, mal in eine Trompete zu blasen. Hatte ich schon länger drüber nachgedacht. Ich würde, während meine Tochter Geige probiert, ins Trompetenzimmer huschen.
Na ja, ich ging dann alleine, weil sich meine Tochter lieber mit einer Freundin treffen wollte. Dafür war ich gleich sehr entschlossen und sagte dem Trompetenlehrer: „Ich habe ein Ziel. Ich würde gerne eines Tages so gut Trompete können, dass ich das Posthorn-Solo aus Mahlers 3. schaffe.“ Nun veränderte sich sein Blick wieder – ein Oh-da-hast-du-dir-aber-ganz-schön-was-vorgenommen-Blick, aber durchaus auch ermunternd, meine ich.
Das Posthorn-Solo aus Mahlers 3. Symphonie gehört für mich zu den schönsten Episoden in der ganzen großen Welt der klassischen Musik. Es heißt Posthorn-Solo, aber es wird meist auf dem Flügelhorn oder auch der Trompete gespielt. Magisch, wenn sich aus einem flirrenden Klangteppich des Orchesters über Geigen, hoher Klarinette, Trompete, Flöte und Oboe diese wunderbar sehnsüchtige, nostalgische, emotional ergreifende Melodie erhebt und durch den Konzertsaal schwebt, mehrmals verhallt und wieder auftaucht. Der Komponist und Dirigent Russell Steinberg beschreibt diese Passage, die sich über zehn Minuten erstreckt, als einen „Moment, der die Zeit anhält“.
Mahler hat hier einen einfachen Trick angewandt: Der Solist soll „wie aus weiter Ferne“ spielen, er sitzt also nicht mit im Orchester, sondern irgendwo anders. In der Berliner Philharmonie, in der ich Mahlers Dritte schon drei Mal gehört habe, gibt es dafür keinen festen Platz, sagt mir die Pressesprecherin Elisabeth Hilsdorf. Wer dirigiert, entscheidet. Mal wird das Posthorn-Solo hinter dem Orchester auf derselben Ebene bei geöffneter Tür gespielt, mal weiter oben auf einem der scharounschen Balkone, dort dann im Saal oder auch draußen vor der Tür, zumeist aber irgendwo „oben rechts“, sagt Hilsdorf.
Zurück zum Schnuppertag in der Oldenburger Musikschule. Der Trompetenlehrer gibt mir ein Mundstück und ein Bällchen, ich soll in die kleinere Öffnung blasen und das Bällchen in die weite Öffnung des Mundstücks halten. Wenn man es richtig macht, umfließt die Luft den kleinen Ball so, dass er nicht herunterfällt, sondern im Luftzug schwebt. Ich schaffe es, der Lehrer ist begeistert. Ich scheine Talent zu haben. Der erste Schritt auf dem Weg zum Posthorn-Solo.
Der zweite: Ich setze das Mundstück in die Trompete und fühle mich in diesem Moment schon ein wenig wie Guillaume Jehl, der Solotrompeter der Berliner, auf einem Flur der Philharmonie auf seinen Einsatz wartend. Ich blase, es kommen Töne. Gar nicht so schwer, nur am Ende etwas wackelig. Könnte Free Jazz sein. Kurz danach: fast Kreislaufkollaps. Puh, anstrengend!
Nach zehn Minuten ist die Schnupperstunde vorbei. Der Lehrer ermuntert mich, mit Trompete anzufangen. Er sagt nicht, dass ich das Posthorn-Solo eines Tages spielen werde. Aber ich glaube, er denkt es.
Seit einem halben Jahr ungefähr habe ich jetzt Unterricht. Manchmal muss ich „Tü-“ in die Trompete singen und „te“ blasen; manchmal sagt der Lehrer: „jetzt blubbern wir“, dann stecke ich das Mundstück in einen Gartenschlauch und blase in eine Wasserflasche. Den Schlauch habe ich mir bei Obi gekauft. Ich kann jetzt schon C, D, E, F und G spielen und kleine Lieder.
In der Musikschule bin ich der einzige Erwachsene, der nur ein Instrument dabeihat und nicht auch noch ein Kind. Die meisten anderen sind Mütter – immer Mütter – mit Kindern und winzigen Geigen oder Gitarren.
Ich kann das Posthorn-Solo noch nicht spielen, noch lange nicht. Gerade übe ich den „Cowboy-Song“, Nummer 38 im „Trompetenfuchs. Die geniale und spaßige Trompetenschule“. Aber ich habe schon drei Dinge gelernt:
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
1. Man kann auch als Erwachsener noch mit einem Instrument anfangen. Es ist gut, dabei ein klares Ziel zu haben.
2. Ich ermahne meine Kinder nicht, für ihr Instrument zu üben. Ich bin ganz entspannt. Ich übe nämlich auch zu wenig und stehe dann nervös vor dem Lehrer, der aber immer sehr freundlich ist.
Und 3. Der Trompetenlehrer hat mir einen Profi-Trick verraten. Manche Posthorn-Solisten spielen das Stück mit Trompete, weil’s einfacher ist, und haben dann zum Schlussapplaus vorne auf dem Podium ein Posthorn dabei, weil’s besser aussieht.
Mache ich dann auch.
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