Alltagsrassismus in der Kneipe: Einladung an die rechte Szene
Nach einem taz-Bericht über die rassistische Getränkekarte der „Union-Stuben“ in Bremerhaven beleidigt der Geschäftsführer seine Kritiker*innen.
Auf Facebook platzierte der Geschäftsführer der Gaststätte nebst Kiosk „aus aktuellem Anlass der hitzigen Diskussion“ eine Werbung für ein neues Getränk: „Rotgrüner Faschist“. Wieder für 1,80 Euro zu bestellen.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hieß es neben einer an Mussolini angelehnten Karikatur: „Gepanschter aus billigen grünem Waldmeister (pelzigen Kobold Pippi Nachgeschmack und rotem Waldfrucht Likör schmeckt so süß wie die dumme Überheblichkeit ohne Fundamentale Kenntnisse) nen Schuß Linker Beutel Wacholder verstärkt den pelzigen Abgang nach dem die anfängliche dumme Süße gegangen ist nochmal damit einem auch nachhaltig klar wird was einem hier seinem Geschmack aufzwängt.“ Bemüht lustig wird die in rechten Kreise so verhasste „Political Correctness“ angegriffen – und die Kritiker als Faschisten bezeichnet.
Dass die Karte mit dem rassistischen Getränkenamen einen Rückgriff auf die Kolonialzeit darstelle, wie Silke Betscher, Ethnologin und Kulturwissenschaftlerin an der Universität Bremen, der taz im Juli sagte; dass die Begriffsverwendung eine Einladung sei, „rassistisch zu sprechen“ – das scheint einfach zu weit zu gehen. Zu viel Political Correctness darf es eben nicht sein. Der Post der „Union-Stuben“ verschwand allerdings nach einigen Stunden, nachdem das Portal „nord24“ berichtet und dabei die taz-Berichterstattung mit aufgegriffen hatte.
Anzeige wegen Volksverhetzung
Auf die Getränkekarte der „Union-Stuben“ war das Bündnis „Bremerhaven bleibt bunt“ aufmerksam geworden. Das Gründungsmitglied Hannelore Beutel stellte gegen den Geschäftsführer eine Anzeige wegen Volksverhetzung. In den sozialen Medien wird die 63-Jährige nun angefeindet.
Die Polizei prüft nun zunächst den Sachverhalt, bevor die Staatsanwaltschaft Bremen, die für politisch motivierte Taten zuständig ist, weitere Verfahrensschritte einleitet. Skeptisch äußerte sich im Juli Sönke Florian Gerhold, Professor für Strafrecht an der Universität Bremen über die Aussichten auf Erfolg. „Diese Getränkekarte mag geschmacklos und politisch nicht korrekt sein“, sagte er, doch „sie ist strafrechtlich nicht relevant.“ Weil sie nicht den Tatbestand der Beleidigung oder der Volksverhetzung erfülle, im Falle einer Beleidigung müsste eine ausreichend abgrenzbare und überschaubare Personengruppe betroffen sein.
Eins dürfte aber sicher sein: In Bremerhaven weiß die rechte Szene, wo sie einkehren kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann