Allianz für Lkw-Abbiegeassistenten: Mehr Geld für rettende Warnsysteme
Der Fördertopf für Lkw-Abbiegeassistenten wurde in kürzester Zeit ausgeschöpft. Logistikbranche und Fahrradverband fordern nun Nachschlag.
Berlin taz | Eine ungewöhnliche Allianz fordert die Aufstockung der Fördermittel für die Ausrüstung von Lkw und Bussen mit Abbiegeassistenten: Die Verbände der Logistikbranche und der Fahrradclub ADFC wollen, dass die Bundesregierung bei den Mitteln für die freiwillige Anschaffung der Warnsysteme nachlegt.
Abbiegeassistenten warnen FahrerInnen mit optischen oder akustischen Signalen, wenn sich zum Beispiel RadfahrerInnen in ihrem toten Winkel befinden. Durch Unfälle mit Bussen oder Lkw kommen jährlich in Deutschland etwa 900 Menschen ums Leben, 8.500 werden schwer verletzt.
Das Bundesverkehrsministerium hat fünf Millionen Euro für die Aus- und Nachrüstung mit Abbiegeassistenten von Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen bereit gestellt. Nur vier Tage nachdem das zuständige Bundesamt für Güterverkehr die Antragsannahme am 21. Januar freigeschaltet hat, war der Topf ausgeschöpft. „Die für das Förderprogramm im Haushalt 2019 zur Verfügung stehenden Mittel sind durch die bisher eingegangenen Förderanträge gebunden“, teilt das Bundesamt mit.
Deshalb wurde die Antragsannahmen Ende vergangenen Woche abgeschaltet. Laut Verkehrsministerium wurden 560 Anträge für insgesamt 3.709 Abbiegeassistenten bewilligt. „44 Sicherheitspartner haben uns darüber hinaus weitere Zusagen gegeben“, berichtet eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums.
Die Bundesregierung fördert die freiwillige Ausstattung von Lkw und Bussen mit den Warngeräten, weil sie keinen Weg sieht, Halter im nationalen Alleingang zur Ausstattung mit diesen Instrumenten zu verpflichten. Nach ihrer Auffassung kann nur die EU Eigentümer von Lkw und Busse verpflichten, diese Systeme zu montieren. Allerdings sind etliche Unternehmen bereit, ihre Flotten freiwillig mit den Warngeräten auszurüsten. So hat der Discounter Netto erklärt, spätestens in diesem Jahr seinen gesamten Fuhrpark damit auszustatten.
Insgesamt wurden 560 Anträge für 3.709 Alarmgeräte für Lkw bewilligt. Es gibt drei Millionen Laster
„Ganz offensichtlich ist es das richtige Förderprogramm zur rechten Zeit“, erklären fünf Verbände der Logistikbranche in einer gemeinsamen Erklärung, darunter der Bundesverband Paket- und Expresslogistik und der Deutsche Speditions- und Logistikverband. Sie plädieren „dringend für eine Aufstockung“ der Gelder. „Jetzt gilt es, das Förderportal so schnell wie möglich wieder freizuschalten“, heißt es in der Erklärung.
Das sieht auch die RadlerInnen-Lobby so. „Die Förderung muss aufgestockt werden“, sagt Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Die jetzt bewilligten Geräte seien aber angesichts von drei Millionen Lkw auf den Straßen viel zu wenig. „Nur wenn die Abbiegeassistenten verpflichtend eingeführt werden, werden sie auch flächendeckend vorhanden sein“, sagt sie. Die Bundesregierung habe zu viel Zeit in dieser Frage verstreichen lassen und müsse sich auf EU-Ebene mehr dafür einsetzen.
Um mehr Sicherheit für RadfahrerInnen zu erreichen, muss die Verkehrsinfrastruktur verbessert werden, sagt Krone. Dazu gehörten getrennte Ampelschaltungen für Autos und Räder. Damit würde vermieden, dass Rechtsabbieger und geradeaus Fahrende gleichzeitig grün haben. Auch Experten beim Verkehrsgerichtstag im Januar in Goslar, einer der wichtigsten Juristentagungen, haben diese Forderung aufgestellt.
Leser*innenkommentare
Lain Lainsen
Schon wenn LKW irgendwann Flächendenkend damit ausgestattet sind.
Was ich bis heute aber nicht verstehe ist das Verhalten der Radfahrer die sich auf Teufel komm raus an jeder Ampel nach vorne drängen müssen.
Jeder weiß dass LKWs gefährlich sind, kann ich dann nicht einfach mal hinter dem LKW warten( wo ich auch noch von seinen Abgasen verschont werde)?
81331 (Profil gelöscht)
Gast
...Fördermittel?
Grundsätzlich okay, nur, jedes Auto braucht Bremsen, jedes Auto braucht Sicherheitsgurte, da frage ich mich, wieso sind sog. Abbiegeassistenten nicht P f l i c h t für jeden LKW, der auf unseren Straßen rumfahren will/muss?!
Drabiniok Dieter
Nur mal so gefragt: Was verbirgt sich hinter der Aussage, dass die politisch Verantwortlichen Schaden "vom Volke" abwenden sollen? Ist wohl nur so eine Floskel, wie "Ach, du auch hier!"
Und widerspricht es dem EU Recht, RadfahrerInnen und FußgängerInnen vor offensichtlichen und erkannten Gefahren zu schützen? Wenn das mal kein nettes Zückerchen für die nationalistischen Feinde der EU ist.
Es gibt eine Straßenverkehrsordnung und eine Zulassungsbehörde, es gibt demokratische Institutionen in deren Verantwortung es liegt, gesetzliche Vorgaben zu beschließen. Wer mit LKW Geld verdienen will, muss die Fahrzeuge so ausstatten, dass sie verkehrssicher für ALLE Verkehrsteilnehmer sind. Es bedarf keiner Millionen aus dem Steuertopf, außer mal will Steurgeld umverteilen.
BFBS
In der Industrie Standart.
Wieso klappt so etwas in der Maschienensicherheit seit mehreren Jahrzenten??? Nur die Gesetze für die Automobilindustrie ist so Nachlässig.
Die Din EN 13849 würde laut Performancelevel ein D erwarten.
2-Kanalige Sicherheit Ausfallredundant und es wir erkannt wenn eine Sicherheit nicht funktioniert.
Warum passiert da nix???
In Oldenburg ist grad letzte Woche ein 17-Jähriges Mädel überfahren worden.
Rechts abbiegender Kies-Laster.
Was für ein Frust kommt da auf das sich Politiker und die Autobranche so weit aus dem Fenster lehnen können?
Oliver Lange
Eigene Ampeln wären ja gut und schön, aber bis das halbwegs flächendeckend eingeführt ist wird die jetzige Generation der Grundschüler, die dieses Jahr den Radlführerschein machen schon in Rente sein.
Die letzte Änderung der StVO in Punkto Rad und Ampel ist inzwischen auch schon wieder 2 Jahre her. Auswirkungen im meinem Landkreis → keine, zumindest keine positiven für Radfahrer.
Tom Farmer
Detail: Nutzfahrzeuge ab 3,5 t , nicht bis 3,5 t.
Ansonsten LKWs aus den Innenstädten verbannen und alternative Frachtkonzepte entwickeln.