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Alleinerziehende ElternKein Steuervorteil im Kindernest

Getrennte Paare profitieren nicht vom Freibetrag, wenn sie Kinder in der Familienwohnung betreuen. Das ergab eine Anfrage der taz.

Er­fin­de­r*in­nen des Nestmodells im hessischen Biebesheim Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin taz | Getrennte Eltern, die ihre Kinder im „Nestmodell“ betreuen, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf den im Einkommensteuergesetz vorgesehenen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. Das haben die Hamburger Finanzbehörde und das Brandenburger Finanzministerium in nahezu wortgleichen Antworten auf eine Anfrage der taz mitgeteilt. Offenbar haben sich die Behörden auch mit anderen Bundesländern abgestimmt. Die Länder sind dafür zuständig, die Steuern einzutreiben.

Beim „Nestmodell“ leben die Kinder dauerhaft im „Nest“ – also in einer Wohnung, in der sich die Eltern abwechseln. Wenn ein Elternteil gerade die Kinder nicht betreut, wohnt es in einer anderen Wohnung. Das hat gegenüber dem klassischen Wechselmodell den Vorteil, dass die Kinder nicht durch dauernde Umzüge belastet werden. Sie können in der Regel auch nach der Trennung ihrer Eltern in der Familienwohnung weiterleben.

Fraglich ist, ob die Eltern im Nestmodell ihr zu versteuerndes Einkommen um den Freibetrag für Alleinerziehende in Höhe von rund 4.000 Euro pro Jahr reduzieren können. Dafür dürfen sie laut Paragraph 24b des Einkommensteuergesetzes keine gemeinsame „Haushaltsgemeinschaft“ haben.

„Beim ‚Nestmodell‘ ist danach im Regelfall von einer solchen Haushaltsgemeinschaft auszugehen, wenn die getrennten Eltern in der ‚Familienwohnung‘ abwechselnd wohnen, aber trotzdem gemeinsam wirtschaften“, schrei­ben die Finanzverwaltungen in Hamburg und Brandenburg. „Ein wesentliches Indiz für das gemeinsame Wirtschaften ist der verfolgte Zweck der Eltern, Kindern ein ausgewogenes, regelmäßiges und gerade nicht von steten wesentlichen Veränderungen geprägtes Zuhause zu bieten. Hierfür ist ein gemeinsames Wirtschaften der Eltern in eben diesem Haushalt unerlässlich.“

Entlastung nur für „echte“ Alleinerziehende

Der Entlastungsbetrag solle nur „echten“ Alleinerziehenden helfen. „Der Gesetzgeber hat dabei unterstellt, dass die alleinige Verantwortung für Kinder die Gestaltungsspielräume bei der Alltagsbewältigung einengt und insbesondere bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit zu einer besonderen wirtschaftlichen Belastung führt, weil keine Synergieeffekte aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung genutzt werden können“, so die FinanzbeamtInnen.

Sie beantworteten die Frage der taz: „Haben Eltern, die ihre Kinder im Nestmodell in jeweils 50 Prozent der Zeit betreuen und nie gleichzeitig in der Nestwohnung wohnen sowie jeweils zusätzlich eine andere Wohnung haben, Anspruch auf den Entlastungsbetrag?“ mit einem klaren Nein. Die Aufteilung der Betreuungszeiten ist nicht relevant“, ergänzten die Finanzbehörden. Wenn die Eltern gemeinsam Kosten für die Nestwohnung wie Miete oder Betriebskosten bezahlen, liege eine „Haushaltsgemeinschaft“ vor, die den Entlastungsbetrag ausschließt. Die Finanzbehörden räumten allerdings ein, dass ihnen bisher weder Erlasse noch Urteile zum Thema Entlastungs­betrag beim Nestmodell vorlägen.

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17 Kommentare

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  • Warum sich überhaupt scheiden lassen, kostet nur Geld.



    Bleibt auf dem Papier möglichst lange zusammen und sucht eine vernünftige Lösung.

  • Haben sie sich schonmal mit dem Finanzamt gestritten? Hier im Osten ist das nichts, was sie mal eben klären. Die wollen sich streiten, sind weder rational noch objektiv - sondern nur rechthaberisch.



    Aber vielleicht habe ich nur Pech.

    Wie sie trotzdem darauf kommen, dass ein Streit durch alle Instanzen mal eben erledigt werden kann ist mir schleierhaft.



    Und Ihnen ist schon klar, dass sie nicht die 4.000 bekommen würden, sondern lediglich ihr zu versteuerndes Einkommen um diesen Betrag reduzieren.

    Zum Glück ist das für mich alles theoretisch, da meine Kinder in keinem Trennungsszenario aufwachsen.



    Andererseits - wenn ich meine Kinder nur jede zweite Woche betreuen müsste - da würde ein Menge Zeit frei werden - "Schatz, wir müssen reden!" :)

    • @Diana Klingelstein:

      "Haben sie sich schonmal mit dem Finanzamt gestritten? Hier im Osten ist das nichts, was sie mal eben klären. Die wollen sich streiten, sind weder rational noch objektiv - sondern nur rechthaberisch." - - > Ja und auch im Osten. Bis hin dazu, dass meine persönliche Sachbearbeiterin mich persönlich anruft. Ich habe auch ein wenig Erfahrung mit westdeutschen Finanzbeamten und kann Ihnen berichten: Beim rechthaberisch sein geben und nehmen sich ostdeutsche und westdeutsche Finanzbeamte absolut nichts.

      Das hat glaube ich mehr mit der Persönlichkeitsstuktur eines Finanzbeamten zu tun statt mit Mentalität.

      Ich bin gegenüber dem Finanzamt noch nicht eingeknickt, solange ich der Auffassung war, dass ich im Recht bin. Bisher sind (Gott sei Dank) immer die Ämter eingeknickt.

      Und zu den 4.000 Euro ist mir das schon klar, das nur das Einkommen reduziert. Aber mit einem Durchschnittssteuersatz von (geringen) 26,5% bedeutet eine Reduzierung des zu versteuernden Einkommens um 4.000 Euro eine Erstattung von 1.060 Euro. Das ist ein Urlaub (Pauschalreise nach Mallorca oder individueller Trip wahlweise an die Ostsee oder die Adria).

      Deswegen meine Aussage zum Stundensatz. Sie können sich ja mal durchrechnen, wie lange Sie für 1.000 Euro netto arbeiten.

  • Da hilft scheinbar nur eines: Viel Geld, Mühe und Zeit in die Hand nehmen und Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen und anschließend klagen. Ist sehr teuer, aber nicht aussichtslos.

    Diese Auslegung dürfte eine systematische Benachteiligung von Eltern sein, die das Kindswohl ihres Kindes hoch gewichten. Angesichts der hohen Stellung des Kindeswohls im Recht (jedenfalls formal) dürfte diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sein.

    Das erkennt aber (wahrscheinlich) frühestens der Bundesfinanzhof.

    • @Kriebs:

      Wieso sollen die Aussichten gut sein, wenn Eltern, die sich zum Glück in der Lage sehen, das Kind weiter gemeinsam zu erziehen, nicht solchen Elternteilen gleichgestellt werden, die ihr Kind allein durchbringen müssen?

      • @Dr. McSchreck:

        Weil der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende dazu dient, erziehungsbedingte Mehrkosten alleinerziehender Eltern abfedern soll und damit den strukturellen Nachteil des Kindes gegenüber der verheirateten Familie abfedern soll.

        Der Gedanke ist hier, dass die Eltern durch ihre Trennung Mehrkosten gegenüber Verheirateten haben (private Entscheidung, private Kosten), dass Kind aber durch eine Scheidung und den Verlust auf Ehegattensplitting, Familienfreibeträge, etc. materiell schlechter gestellt wird, als das Kind verheirateter Eltern und auch schlechter gestellt gegenüber anderen Kindern getrennter Eltern aufgrund des fehlenden Alleinerziehungssteuerfreibetrags.

        Das Kind im Nestmodell wird also gegenüber Kindern verheirateter Eltern und gegenüber Kindern anderer Eltern finanziell ohne Sachgrund benachteiligt. Und wenn inhaltlich Gleiches ungleich behandelt wird, ist das ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot. Hier wird dieses gegebenenfalls noch "garniert" mit dem Verstoß gegen die staatliche Förderungspflicht für Familien und Kinder, da ausgerechnet das kindeswohl-orientiert beste Trennungsmodell steuerlich bestraft wird.

        Mir scheint es daher, dass es gute Sachargumente für die Rechtswidrigkeit der Absprache der Finanzbehörden gibt.

        Aus diesem Grund sehe ich durchaus gute Erfolgsaussichten.

        • @Kriebs:

          Überzeugt mich nicht. Die Mehrkosten der Trennung werden steuerlich dadurch berücksichtigt, dass der unterhaltspflichtige Partner den Ehegattenunterhalt absetzen kann. Der Alleinerziehendenfreibetrag soll ganz bestimmt nicht die Mehrkosten von 2 Wohnungen erfassen, genau die haben Alleinerziehende ja nicht, sondern die besondere Belastung, dass man Geld verdienen und Erziehung allein leisten muss, während bei anderen hier eine Arbeitsteilung stattfindet - auch beim Nestmodell.

          • @Dr. McSchreck:

            "Überzeugt mich nicht. Die Mehrkosten der Trennung werden steuerlich dadurch berücksichtigt, dass der unterhaltspflichtige Partner den Ehegattenunterhalt absetzen kann." --> Es geht hier aber nicht um Ehegattenunterhalt, sondern um Kindesunterhalt.

            Und da gilt: Im Wechselmodell (das Kind lebt abwechselnd bei beiden Eltern zu gleichen Teilen) und im Nestmodell (die Eltern wohnen abwechselnd zu gleichen Teilen beim Kind) wird gerade kein Kindesunterhalt gezahlt, da beide Eltern in diesem Fall den Naturalunterhalt, also Betreuung, Erziehung, Pflege, Verköstigung und Wohnen leisten.

            Daher gibt es in diesem Modell gerade keine steuerlich absetzbaren Zahlungen eines Partners als Barunterhalt, den der empfangende Teil als Naturalunterhalt leistet.

            Schließlich - und das nur am Rande - geht es allgemein nicht um Ehegattenunterhalt und den Splittingtarif, sondern um Kindesunterhalt und den Alleinerziehendenfreibetrag.

    • @Kriebs:

      Haben sie Kinder?



      Ich kann ihnen verraten, mit Kindern hat man für solche Spitzfindigkeiten keine Zeit. Deswegen ist das ganze System an vielen Punkten was Kinder angeht - sagen wir mal - suboptimal ...

      • @Diana Klingelstein:

        "Haben sie Kinder?" --> Ja, zwei sogar.

        "Ich kann ihnen verraten, mit Kindern hat man für solche Spitzfindigkeiten keine Zeit." --> Diese Zeit sollten Sie sich unbedingt nehmen!

        Ich habe mal meinen Zeitaufwand zusammengerechnet, den ich mit Steuererklärung, Nachfragen und Erläuterungen inkl. Meinungsaustausch mit dem Finanzamt und diversen Einsprüchen hatte.

        Dann habe ich die Steuererstattungen durch diesen Zeitaufwand geteilt. Ich kann Ihnen sagen, dass kein Job der Welt mich in die Nähe dieses Nettostundensatzes bringen würde. Mit den Jahren wird man ja besser und ich hatte (insbesondere im Jahr eines berufsbedingten Umzugs) einen vierstelligen Stundensatz.

        Glauben Sie mir, ein Tag Urlaub für die Steuererklärung und die Auseinandersetzung mit dem Finanzamt zahlt gern mal einen Familienjahresurlaub.

  • Man ist ja auch nicht allein erziehend, wenn beide Eltern sich die Erziehung teilen.

    • @Dr. McSchreck:

      Sehe ich ähnlich, allerdings wird sich hier nur auf die gemeinsame Bewirtschaftung der Wohnung berufen. In einem "normalen" Wechselmodell word der Freibetrag gewährt..

  • Am Ende wird es darauf ankommen, wo die ehemaligen Partner in der übrigen Zeit jeweils unterkommen.

    Teilen Sie sich eine weitere gemeinsame Wohnung um dort jeweils dann alleine unter zu kommen, dürfte wohl ein gemeinsames wirtschaften vorliegen (2-Wohnungs-Modell).

    Bezieht dagegen jeder eine andere Wohnung (3-Wohnungs-Modell) dürfte ein gemeinsames wirtschaften ausgeschlossen sein. In diesem Fall währe die Begünstigung zu gewähren. (Hinweis: Zweitwohnungsteuer)

    In der Praxis wird dies jedoch anders gehandhabt. Ein Partner behält die ehemalige Wohnung als (Haupt-)Wohnung und der andere zieht offiziell aus. Das Finanzamt bekommt dann vom Nestmodell nichts mit und gewährt den Freibertag. Das Problem ist daher eher theoretischer Natur .

  • Ich kannte das "Nestmodell" bis heute gar nicht.



    Nun, betrifft mich auch nicht mehr.

    Aber im Ernst, da leisten sich Helikoptereltern also drei Wohnungen, nur um den Kindern eine heile Welt vorzugaukeln. Im Gegenzug haben die Eltern jeweils eine "geheime Welt" abseits vom "Nest" von der das Kind jeweils ausgeschlossen ist.



    Kann mir jemand erklären, wozu so ein Fake gut sein soll anstatt zwei Straßen weiter richtig mit den Eltern zu wohnen?



    Glaubt man im Ernst, die Kinder würden so etwas nicht merken?

    Solche Leute haben nach meinem Gefühl zu viel Geld und in Zeiten der Knappheit sollten man sowas ebensowenig fördern wie überhöhten Trinkwasserverbrauch für den Pool.

    • @Sonntagssegler:

      So wie du die Sache schilderst, ist sie nicht. Den Kindern wird überhaupt nichts vorgemacht, denn die Eltern leben dort zu keiner Zeit gemeinsam.



      Schade, dass es für dich scheinbar eine Schande ist, sich bestmöglich um sein Kind kümmern zu wollen und besagte Eltern als Helikoptereltern darstellst - der Bezug ergibt sich für mich überhaupt nicht.



      Kinder, die in einem solchen Modell leben dürfen, haben wahnsinnig viele Vorteile. Immer die gleiche Umgebung, Freunde, Nachbarschaft. Kein ständiges Umgewöhnen, kein Sachenpacken, kein Sachenvergessen und noch vieles mehr.



      Die Eltern, die sich für ein solches Modell enscheiden, müssen zwangsläufig in der Lage sein, immer noch gut miteinander zu kommunizieren. Weiterer Vorteil fürs Kind.

    • @Sonntagssegler:

      Es ist kein Fake. Glauben sie ernsthaft sie könnten ihre Kinder dauerhaft belügen? Glauben sie ernsthaft es wäre sinnvoll Kinder zu belügen?



      Es ist für Trennungskinder das beste Lebensmodell, gibt's genug Studien zu. Aber in einem Punkt haben sie Recht, man muss es sich leisten können und wollen. Allerdings reden wir hier nicht von drei 4-Raum-Wohnungen, sondern entweder 4-raum + zweimal 1-Raum, oder Wohnungen mit den jeweils neuen Partner - die also nicht "zusätzlich" angemietet werden.

  • Heftig. Warum sollten Modelle, wo beide Elternteile sich engagieren, auch unterstützt werden? Es ist ja wesentlich günstiger, wenn (statistisch meist) Väter sich den Unterhaltszahlungen entziehen und Frauen dann Unterhaltsvorschuss beantragen. Das wäre doch 'mal ein echtes Signal gewesen: Steuerliche Entlastung für verantwortungsvolle Eltern, die sich beide für ihre Kinder einsetzen. Unfassbar.