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Alkoholverbote in ParksFreifahrtschein für Willkür

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Bei den Corona-Verordnungen sieht kaum noch jemand durch. Das ist gut für die Polizei, aber fatal für marginalisierte Gruppen.

Ist das schon eine Party? Illegal biertrinkende Menschen auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain Foto: dpa

D er Sommer ist da, das Leben auf den Straßen und in den Parks pulsiert, und fast könnte man den Eindruck bekommen, es hätte so etwas wie eine Pandemie nie gegeben. Doch es bleibt immer noch das mulmige Gefühl, irgendetwas falsch zu machen, wenn man mit Freunden nach langer Zeit endlich wieder ein Bierchen im Park trinkt. Viele Ber­li­ne­r:in­nen dürften schon lange den Überblick verloren haben, was jetzt eigentlich erlaubt ist und was nicht. Aber das Bier im Park sollte doch drin sein, oder?

Falsch. Denn auch wenn Freiluftveranstaltungen mit bis zu 1.000 Teil­neh­me­r:in­nen erlaubt sind, verbietet die aktuelle Infektionsschutzverordnung ausdrücklich den Alkoholkonsum in Berlins Grünflächen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) behauptete letzten Monat sogar, das Trinken in Parks sei schon vor Corona verboten gewesen.

Das ist zwar Quatsch, doch die Tatsache, dass Geisel diese Fake News unwidersprochen auch in der taz unterbringen konnte, offenbart ein gefährliches Erbe der Pandemieverordnungen. Denn wenn anstelle klarer und transparenter Regeln ein diffuses Verordnungswirrwarr herrscht, öffnet das Tür und Tor für polizeiliche Willkür.

Exemplarisch dafür steht die Debatte um „illegale Partys“ in Parks. Fragt heute noch jemand, was genau eine Party eigentlich illegal macht, wenn Kontaktbeschränkungen wegfallen? Ab wie vielen Personen zählt eine Runde von Freunden als Party? Wie den wenigsten bewusst sein wird, dürften es vor allem die alkoholischen Getränke sein, die das nächtliche Treffen im Park zu einem illegalen machen.

Leidtragend sind die Marginalisierten

Und wenn die vermeintlichen Delinquenten zufällig doch keine Flasche in der Hand haben, denken sich Ord­nungs­hü­te­r*in­nen womöglich im Notfall einfach irgendeine Verordnung aus. Wenn schon ihr oberster Dienstherr keine genaue Kenntnis der Rechtslage hat, ist nicht zu erwarten, dass die Po­li­zis­t:in­nen es besser wissen. Auch die wenigsten Park­be­su­che­r:in­nen dürften im angetrunkenen Zustand die aktuelle Infektionsschutzverordnung und das Grünflächengesetz herauskramen, um über die rechtlichen Grundlagen zu diskutieren.

Die Verwirrung um die Corona-Verordnung ist die beste Voraussetzung für die Ordnungsmacht, unerwünschte und als störend empfundene Bevölkerungsgruppen aus öffentlichen Räumen wie Parks zu verbannen. Leidtragend dürften all jene sein, die sowieso schon im Fokus der Polizeiarbeit stehen: Jugendliche, Migrant:innen, Obdachlose und Menschen ohne Papiere. Denn um den Infektionsschutz geht es angesichts niedriger Fallzahlen schon lange nicht mehr.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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3 Kommentare

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  • Alkoholkonsum verharmlosen mit nur ein Bierchen im Park ist ziemlich daneben. Drogenkonsum in der Öffentlichkeit muss nicht sein. Ein dauerhaftes Verbot von Konsum in der Öffentlichkeit wäre zu begrüßen. Privat kann sich ja weiter jeder zudröhnen wie er möchte.

    • @Šarru-kīnu:

      Ziehen wir das hypothetische Szenario mal in Betracht wie es wäre, die Bedeutung des Alkohols in unserer Gesellschaft zu schwächen. Wie wäre es, wenn zwar das Trinken von Alk in der Öffetnlichkeit nicht verboten wäre, wohl aber das Betrunkensein in selbiger? Damit wäre das "Bierchen" ok, Alkexzesse aber schon wieder nicht.

  • Kann der Autor ansatzweise belegen, dass unklare Verordnungen irgendwie gut für die Polizei wären?

    Es gibt doch nicht Bescheuerteres für die Polizei, als vom rot-rot-grünen Senat dazu verdonnert zu werden, Gesetze durchsetzen zu müssen, die niemand versteht und dann natürlich auch niemand akzeptiert.

    Und wenn dann die Beschwerden reinkommen, ändert der Senat mal schnell die Verordnung nach dem Motto "Na, so war das nun auch nicht gemeint."