Alkoholverbot um Bremens Hauptbahnhof: Der Wunsch nach sozialer Säuberung
Zum Wohle der Volksgesundheit den Alkoholkonsum zurückdrängen? Da gäbe es viel zu tun. Bremens Verbot aber zielt nur auf Vergrämung Hilfsbedürftiger.
K ennen Sie noch Edmund Stoiber (CSU)? Das war der bayrische Ministerpräsident, der sich gegen das peinliche Gerücht zur Wehr setzen musste, er stemme stets nur Maßkrüge voll Kamillentee. Ulrich Mäurer (SPD), dem Bremer Innensenator, auf dessen Betreiben Bremen jetzt in Bahnhofsnähe Alkoholkonsum verbietet, wird so etwas nie unterstellt.
Er ist ein gern fotografierter Volksfestbierfassanstecher. Und im Mai 2023 hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) im Bürgerpark mit gekonnten Holzhammerschlägen den Zapfhahn in ein Haake-Beck-Fässchen getrieben.
Damit hatte die Biergartensaison begonnen, also die Zeit, in der die Gastronomie den öffentlichen Raum fröhlich besetzt, um Leute mehr oder minder gepflegt abzufüllen: Bremen ist ja ein Bier-Ort. Bremer Bier ist eine geografisch geschützte Herkunftsbezeichnung. Und vielfach wird klar gemacht: Saufen ist hier eine geradezu erwünschte Tätigkeit, wenn nicht gar eine lokalpatriotische Pflicht.
So hat der örtliche Fußballverein keine Promillegrenze für den Stadionbesuch erlassen, und dem Innensenator ist es wichtig, für anreisende Fans eine Alkoholverbotsausnahmeregelung zu formulieren. Zudem hängt die Stadt voller Plakate, die zum Alkoholkonsum ermutigen. Auch im, am und um den Bahnhof herum. Also da, wo künftig Alkohol an den Bushaltestellen verboten sein soll.
Mit Alkoholverboten gegen Crack? Klingt logisch!
Nun mag sein, dass sich Bremens räumliches Verbot, anders als die in Berlin-Buch, Freiburg und so weiter, als gerichtsfest erweist. Schließlich gibt es ein massives Crack-Problem im Bahnhofsumfeld. Da ist es nur logisch, Alkohol zu verbieten, denn Crack ist ja bereits verboten. Zudem beobachtet die Kriminalitätsstatistik einen massiven Anstieg rauschbedingter Straftaten, den Fachleute dort lokalisieren: Eine abstrakte Gefahr wäre demnach vorhanden.
Auch will man keine so delirierend ausufernde Prohibitionszone einrichten, wie Hamburg sie plant. Schwierig wird indes zu argumentieren, dass es keine milderen Mittel gegeben hätte, gefährlichen Alkoholkonsum zurückzudrängen, Mittel, die Arme weniger diskriminieren und Menschen ohne Obdach weniger verdrängen würden.
Verwunderlich ist das nicht. Denn die Regelung verfolgt kein gesundheitspolitisches Ziel. Sie ist getragen vom Wunsch nach sozialer Säuberung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen