Akzeptanzveranstaltung für TTIP: EU besteht auf Schiedsgerichte
Der Chefunterhändler der EU kündigt an, den Paragrafen zu Schiedsgerichten im TTIP zu reformieren. Auf ihn verzichten will er jedoch nicht.
BERLIN taz | Der wichtigste EU-Vertreter bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA will den ursprünglich vorgesehenen Schiedsgerichtsmechanismus ändern. Das kündigte Ignacio Garcia Bercero am Dienstag in Berlin an. „Die Verfahren vor Schiedsgerichten müssen transparenter sein“, sagte er.
Zugleich gab er bekannt, er wolle strenge Regeln zur Auswahl von Schiedsrichtern entwickeln. „Es darf nicht vorkommen, dass Richter entscheiden, die zuvor als Anwälte möglicherweise eines der beteiligten Unternehmen vertreten haben“, erklärte Garcia Bercero.
Die USA und die EU verhandeln seit 2013 über eine neues Freihandelsabkommen, das private Schiedsverfahren vorsieht. Damit können Unternehmen Staaten verklagen. Kritiker bemängeln, dass solche Schiedsgerichte das Recht von Staaten aushebeln und nur der Durchsetzung von Unternehmensinteressen dienen.
Auf diesen sogenannten Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus verzichten will der Chefunterhändler der EU beim Freihandelsabkommen mit den USA nicht. „Inländische Gerichtshöfe können nur inländisches Recht anwenden“, sagt er. Innerhalb des TTIP sollen für die Schiedsgerichte aber andere Regeln gelten als bei den bisherigen Abkommen.
Garcia Bercero war nach Berlin gekommen, um über die neunte TTIP-Verhandlungsrunde seit Juli 2013 zu berichten, die in der vergangenen Woche in New York stattfand. Dabei ging es unter anderem um den Marktzugang für die Pharma- und Autoindustrie und um gemeinsame Standards für Produkte aus den USA und der EU.
Einheitliche Standards seien aber längst nicht in allen Bereichen gewünscht, sagte Garcia Bercero. So hätten die EU-Unterhändler kein Mandat für Datenschutzfragen oder Regelungen über Kulturgüter.
Diskussion im Wirtschaftsministerium
Am Vormittag diskutierte der Chefunterhändler der EU mit Abgeordneten und dem zuständigen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium über TTIP. Doch statt über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu diskutieren, waren die Gäste damit beschäftigt, für das Lesen der bereits veröffentlichten Positionen der Kommission zu werben und die Angst vor Chlorhühnchen zu beseitigen.
Letztendlich wird die Akzeptanz für TTIP vor allem davon abhängen, ob das umstrittene Investorenschutzkapitel mit den Schiedsgerichten beibehalten wird. Dazu gibt es unterschiedliche Positionen – auch innerhalb der Großen Koalition und der SPD.
Matthias Machnig, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, gehört zu denjenigen, die das Kapitel gerne im Vertrag stehen hätten: „Wir brauchen einen bilateralen Handelsgerichtshof“, forderte er am Dienstag. „Wir brauchen eine Berufungsinstanz und Richter, die öffentlich ernannt wurden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus