Aktuelle Stunde zum Mindestlohn: Linke warnt vor Reallohnverlust
Es ist der letzte Tagesordnungspunkt vor der Sommerpause: Am Freitagnachmittag debattiert der Bundestag über die geringe Mindestlohnerhöhung.
„Statt dem zur Schau gestellten Bedauern des Bundeskanzlers und der Bundesregierung über die mickrige Erhöhung des Mindestlohnes sollten sowohl Kanzler als auch Regierung besser ins Handeln kommen“, sagte die stellvertretende Linksfraktionsvorsitzende Susanne Ferschl der taz.
Gegen die Stimmen der Gewerkschaftsvertreter:innen hatte die Mindestlohnkommission Anfang der vergangenen Woche eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns von derzeit zwölf Euro um jeweils 41 Cent zum 1. Januar 2024 und zum 1. Januar 2025 empfohlen. Nach kontroversen Verhandlungen konnte sich damit die Arbeitgeberseite mithilfe der ihr gewogenen Kommissionsvorsitzenden durchsetzen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte daraufhin an, die Empfehlung per Rechtsverordnung umzusetzen, auch wenn er es bedaure, dass der Beschluss der Kommission nicht im Konsens gefallen sei und er verstehen könne, „dass sich einige mehr gewünscht hätten“.
Doch damit will sich die Linksfraktion nicht abfinden. Die geringfügige Mindestlohnanpassung bedeute einen Reallohnverlust für die Betroffenen. Ihr Antrag, den in der EU-Mindestlohnrichtlinie genannten Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns als Mindestlohnuntergrenze festzuschreiben, stieß jedoch am Mittwoch im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales auf die Ablehnung der anderen Parteien. Nach den Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung und dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung hätte eine Orientierung an diesem Referenzwert derzeit einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 13,53 Euro zur Konsequenz.
„Bundeskanzler hatte Respekt versprochen“
In der Befragung des Bundeskanzlers am Mittwoch bekundete Olaf Scholz zwar, er empfinde die beschlossene niedrigere Erhöhung „nicht als den richtigen Schritt“, beließ es ansonsten aber bei dem Appell an die Tarifparteien, sich zusammenzuraufen: „Es wäre schön, wenn die Kommission sich wieder darüber verständigt, nur einvernehmliche Entscheidungen zu treffen.“ Das sei für die Anerkennung und die Akzeptanz von großer Bedeutung.
Das reiche nicht, kritisiert Ferschl. Die Bundesregierung müsse „dafür sorgen, dass der Mindestlohn nicht erneut zum Armutslohn verkommt“, forderte sie. „Millionen Beschäftigte mit niedrigen Löhnen sind von massiven Einkommensverlusten betroffen, hier ist insbesondere der Bundeskanzler, der mehr Respekt versprochen hat, in der Pflicht.“ Stattdessen ließe er sich von der Arbeitgeberseite, die zur Berechnung des neuen Mindestlohnes die gesetzliche Erhöhung auf 12 Euro völlig ignoriert habe, „am Nasenring durch die Manege ziehen“.
Nach den Daten des Statistischen Bundesamts müssen von den insgesamt knapp 41 Millionen Beschäftigten in Deutschland mehr als 11 Millionen mit einem Stundenlohn von unter 13,50 Euro brutto auskommen. Mitgezählt sind dabei auch alle Beschäftigten, die nicht nach dem Mindestlohn bezahlt werden müssen, wie beispielsweise Auszubildende, Praktikanten oder Personen unter 18 Jahren.
Die Aktuelle Stunde zum Mindestlohn ist der letzte Tagesordnungspunkt am Freitag und damit vor der parlamentarischen Sommerpause. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Bundestagsplenum übermäßig gefüllt sein wird.
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