Aktivistin über Proteste am Frauentag: „Das Ziel – der Sturz des Regimes“
Auch in Hamburg protestieren viele gegen das iranische Regime. Aktivistin Shadi erklärt, warum sie zur Aktion „Frauen, Leben, Freiheit“ aufruft.
taz: Shadi, wann haben Sie sich entschlossen, Teil der Proteste gegen das iranische Regime zu werden?
Shadi: Als Mahsa Amini im vergangenen September vom iranischen Regime umgebracht wurde, habe ich gedacht: So geht es nicht mehr weiter. Auch für viele andere war das so. Das Fass hatte nur noch ein bisschen gebraucht, um überzulaufen – und das war dann der Tod von Mahsa.
Und dann haben Sie beschlossen, sich hier in Hamburg zu engagieren?
Ich dachte, ich bin jetzt hier in Sicherheit und kann deswegen die Stimme der Männer und Frauen sein, die im Iran auf die Straße gehen und ihr Leben riskieren. Im Gegensatz zu ihnen tue ich ja kaum etwas.
Was ist die Aufgabe des Aktivismus, der hier stattfindet?
Wir unterstützen die Menschen dabei und geben ihnen Motivation, um weiterzumachen und gegen das Regime aufzustehen.
Was sind Forderungen, die Sie an die europäische Iran-Politik haben?
28, stammt aus dem Iran und wohnt seit mehreren Jahren in Hamburg. Sie ist aktiv bei der Protestgruppe „Etehad“.
Das Mindeste, was Europa machen kann, ist die Revolutionsgarden auf die Terrorliste zu setzen. Die Politiker halten sehr schöne Reden, aber wenn es ums Handeln geht, verschwinden sie selber von der Bildfläche. Die Sanktionen wiederum bringen gar nichts. Die Menschen im Iran werden nur darunter leiden. Normale Zivilisten haben nichts mehr zu essen, sie haben kein Geld und keine Arbeit. Die Angehörigen des Regimes werden sowieso von dem Geld gefüttert, das den Menschen gehört.
Die Proteste und demnach auch der Aktivismus hier in Deutschland dauern seit einem halben Jahr an. Was ist in dieser Zeit in Bewegung geraten?
Sehr viele Menschen überall auf der Welt wissen jetzt, dass die Menschenrechte im Iran keine Bedeutung haben. Das Leben dort ist kein Friede, Freude, Eierkuchen. Das Regime bringt seine eigenen Frauen und Männer um.
Menschenkette „Frauen. Leben. Freiheit“ in Hamburg: heute, 18 Uhr, Neuer Jungernstieg, gegenüber Niveahaus
Wie ist die Stimmung unter den Aktivist:innen?
Wir haben alle ein Ziel: den Sturz des Regimes. Am Anfang gab es organisatorische Streitigkeiten, weil alle dachten, sie wüssten besser, wie es funktioniert. Aber das ist schon viel besser geworden. Bei vielen Sachen ist es auch so, dass es inhaltliche Konflikte gibt. Es sind schließlich unterschiedliche politische Lager Teil des Protestes und manchmal ist das Wissen übereinander begrenzt.
In Hamburg gibt es das Islamische Zentrum (IZH), das vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als Außenposten des Iranischen Regimes gilt. Wie stehen Sie dazu?
Wer beim IZH ist, gehört nicht zu uns. Das sind eindeutig Regimeanhänger. Bekannte von mir wurden auch schon Mal von ihnen mit einem Messer bedroht. Die Politik sagt seit Monaten, dass sie dabei sind, das IZH zu schließen. Aber Ergebnisse sieht man nicht.
Morgen ist Weltfrauentag und es finden insgesamt zwei Veranstaltungen unter dem Motto „Frauen, Leben, Freiheit“ in Hamburg statt – eins wurde von der Gruppe „Etehad“ organisiert, der Sie angehören. Die andere Veranstaltung wird von der Kulturbrücke Hamburg durchgeführt. Warum gibt es zwei verschiedene Veranstaltungen?
Zwischen unseren Gruppen gibt es Meinungsverschiedenheiten, ohne ins Detail gehen zu wollen.
Viele Aktivist:innen berichten von Einschüchterung durch den Iranischen Staat. Haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht?
Das Regime hat überall seine Arme, aber das ist mir egal. Ich denke dann an die vielen Menschen, die schon umgebracht worden sind. Ich wurde ein Mal von einem Mann bedroht und habe das auch bei der Polizei gemeldet. Aber meine Familie im Iran hat zum Glück noch nichts von solchen Vorfällen berichtet.
Möchten Sie noch mal in den Iran zurückkehren?
Ich vermisse Iran und meine Stadt Teheran so sehr. Solange das Regime nicht gestürzt ist, kann ich aber nicht mehr zurück. Ich glaube, dass ich schon am Flughafen festgenommen werden würde und dann würde man nie wieder etwas von mir hören.
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