#Truthfindsitsway – trotz Unterdrückung: Ein Haus der Pressefreiheit

Die Organisation Reporter ohne Grenzen erweitert ihr virtuelles Projekt „Uncensored Library“ – und reagiert auf Entwicklungen in Iran und Russland.

Das virtuelle Gebäude.

Die „unzensierte Bibliothek“ – via Minecraft Foto: The Uncensored Library/Reporter ohne Grenzen

Auf einer saftig grünen Insel steht ein Prunkbau von Bibliothek, umringt von einem majestätisch anmutenden Garten. Im Eingangsbereich dieses Gartens steht eine meterhohe steinerne Faust, die einen Stift hält. Betritt man das Gebäude, gelangt man zunächst in den sogenannten Dom mit einer prächtigen Glaskuppel, die Empfangshalle. Kreisförmig sind darin Flaggen von Nationalstaaten angeordnet. Blickt man auf den Boden, so sieht man eine Weltkarte. Manche Länder sind darauf rot eingefärbt und symbolisieren den jeweiligen Pressefreiheit-Index. An den Seiten liest man: „#Truthfindsitsway“ und „The Uncensored Library“.

Die unzensierte Bibliothek, wie sie auf Deutsch heißt, ist ein Projekt der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF). In dieser finden sich Artikel von Journalist:innen, die in ihren Berichtsgebieten zensiert wurden. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein: weil sie politische Missstände aufdeckten, die den Mächtigen nicht passten oder weil die Pressefreiheit gänzlich eingeschränkt ist.

Das besondere an dieser Bibliothek: Man kann sie nicht real betreten, sie existiert nur virtuell im Videospiel „Minecraft“. In „Minecraft“ geht es nicht darum, zu gewinnen oder zu verlieren. Spie­le­r:in­nen können stattdessen Landschaften und Gebäude bauen, neue Welten entstehen lassen. Es sind keine Grenzen gesetzt.

Aber warum ein Onlinespiel für die Pressefreiheit nutzen? Das hat mehrere Gründe: Weltweit ist „Minecraft“ eines der meistgespielten Computerspiele. Für die meisten Menschen ist es also zugänglich. Selbst in solchen Ländern, die repressive Pressegesetze haben. Außerdem erlaubt das Spiel unbegrenzt viele Möglichkeiten, die virtuelle Bibliothek jederzeit zu erweitern. Dies hat RSF nun auch getan.

Ein Raum für Iran

Zum Welttag gegen Internetzensur am 12. März hat RSF nun weitere Räume eröffnet und bestehende aktualisiert. Vor drei Jahren ist das Projekt von RSF bereits gestartet. Damals umfasste die Bibliothek journalistische Texte aus Ägypten, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien und Vietnam, später kamen Belarus, Brasilien und zuletzt Eritrea hinzu. Zusätzlich gibt es nun neue Texte aus Russland und einen Raum für Iran. Mit den neuen Inhalten in der „Uncensored Library“ setze RSF den massiven Einschränkungen der Pressefreiheit in Iran und in Russland Informationen und Hintergründe entgegen, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger.

Begibt man sich vom virtuellen Dom der Bibliothek in den thematischen Raum zu Russland, begegnet einem zunächst eine riesige Krake, die aus einem Wasserbecken ragt. Sie soll wohl eine Anspielung auf die Internetverschärfungen der russischen Regierung seit den Massenprotesten nach den Parlamentswahlen 2011 sein; eine Datenkrake, die den Druck auf kremlkritische Onlinemedien im Netz erhöhte. Mit einem neuen Gesetz wurde hier 2012 eine schwarze Liste für Internetseiten eingeführt. Der gesamte Datenverkehr wird seitdem überwacht. Diese systematische Überwachung von Medien sowie Nut­ze­r:in­nen hat zur Folge, dass selbst schon ein „falsches“ Like zu einer Verurteilung führen kann. Und seit der russischen Invasion in der gesamten Ukraine wurden kritische Medien in Russland fast ausschließlich verboten, zu „ausländischen Agenten“ ernannt und ins Exil gezwungen.

In dem erweiterten virtuellen Raum über Russland finden sich neben Texten der Journalistin Julia Beresowskaja nun auch solche des Mediums Ljudi Baikala. Seit dem 24. Februar 2022 berichtete das aus Irkutsk stammende Medium über gefallene russische Soldaten in der Ukraine und wurde deshalb verboten.

Regime schlägt zurück

Nach Drohungen gegen seine Mit­ar­bei­te­r:in­nen verlegte der regierungskritische und in London ansässige Nachrichtenkanal Iran International seine Produktion in die USA. Der gewaltsame Tod der Iranerin Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei hatte zu landesweiten Protesten geführt. Das iranische Regime geht seitdem nicht nur gegen die Demonstrierenden, sondern auch gegen Medienschaffende vor. Auch Exi­li­ra­ne­r:in­nen sind gefährdet.

Drei Jahre nach Beginn des RSF-Projekts hat es nicht an Bedeutung und Dringlichkeit verloren. „The Uncensored Library“ ist und bleibt ein Monument für die Pressefreiheit.

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