Aktivismus im Profisport: Politische Protestfolklore

Der Profisport wird zur Bühne für Gesellschaftskritik. Mittlerweile organisieren die Verbände selbst die Proteste. Man kann das absurd finden.

Vier Nationalspieler knieen auf dem Fußballfeld des Wembley Stadions

In korrekter Protesthaltung: Spieler von England und San Marino vor dem Anpfiff Foto: PA images/imago

Der Profisport ist weiter im Protestmodus. Es wird fleißig gekniet, und immer häufiger finden sich politische Botschaften auf Sporttextilien, die von Profis in die Arenen getragen werden. Aus dem wütenden Protest einzelner Sport­le­r:in­nen ist längst eine Art Ritus geworden. Die Verbände selbst sind es, die die Botschaften auf der Wäsche ihrer Ath­le­t:in­nen auftragen.

So sind nun nach den Fußballverbänden Norwegens und Deutschlands auch dänische und belgische Nationalspieler mit Appellen für Menschenrechte auf ihren Aufwärm-T-Shirts ins Stadion geschickt worden. Es scheint, als wolle der organisierte Profifußball auch mal zu den Guten gehören. Ganz so leicht ist das natürlich nicht, wenn die Verbände, die Menschenrechtsparolen auf das Feld tragen, gerade versuchen, sich für eine WM in ausgerechnet Katar zu qualifizieren.

In den USA wird der mittlerweile beinahe schon institutionalisierte Protest, der über den Footballstars Colin Kaepernick in den Profisport gekommen ist, gerade auf die Spitze getrieben. Während Kaepernick mit einem Platz im sportlichen Abseits bestraft wurde, weil er es gewagt hatte, durch einen Kniefall während der Nationalhymne auf den Rassismus in der US-Gesellschaft hinzuweisen, hat sich die Basketballliga NBA zu einer wahren „Black Lives Matter“-Show entwickelt.

Das Anliegen ist ernst, und gewiss wird es auch von den Spielern ernst genommen. Orchestriert aber wird der Protest von der Liga, die die Auswahl der Botschaften, mit denen die Spieler auflaufen, selbst bestimmt hat. „Black Lives Matter“; „I can’t breathe“; „Justice“; „Peace“ oder „Equality“ lauten Aufschriften, mit denen die Parolen der Protestbewegung gegen Rassismus und rassistische Polizeigewalt in die Arenen getragen werden.

Die erlaubte Faust

Auch der olympische Sport in den USA hat nun eine offizielle Protestgenehmingung. Das Olympische und Paralympische Komitee der USA hat Richtlinien veröffentlicht, an denen die Teil­neh­me­r:in­nen an Olympiaqualifikationen ablesen können, welche Protestformen zulässig sind. Gegen Rassismus und so­zia­le ­Ungerechtigkeit darf man etwa auf seiner Kappe protestieren. Knien ist ebenso erlaubt wie das Zeigen einer geballten Faust. Der organisierte Protest ist zu einem Be­standteil der Sportkultur geworden.

Kein Wunder, dass sich die Frauen der US-amerikanischen Fußballnationalmannschaft dafür entschieden haben, künftig wieder zu stehen, wenn die Nationalhymne gespielt wird. Außenverteidigerin Crystal Dunn stellte die Frage: „Soll ich noch 30 Jahren niederknien?“ Sie meint, die Leute müssten jetzt endlich wirklich etwas gegen Rassismus unternehmen und nicht einfach mitmachen, um an einem Trend teilzunehmen.

Es gibt indes auch noch Akteure in der Welt des Profifußballs, für die es alles andere als wohlfeil ist, sich an einer der üblich gewordenen Protestaktionen zu beteiligen. So erntete der russische Schiedsrichter Kirill Lewnikow in seiner Heimat einen kleinen Shitstorm, weil er zusammen mit den Spielern vor der Partie England gegen San Marino in die Knie gegangen war. Sein Kollege Sergei Karassjow dagegen wurde gefeiert, weil er jüngst beim Champions-League-Spiel von Manchester City gegen Mönchengladbach den Kniefall verweigert hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.