Aktionswochenende für Mobilitätswende: Juristisch ausgebremst
Für das Aktionswochenende für die Mobilitätswende sind unter anderem Fahrraddemos auf Autobahnen geplant. Einige davon wurden jedoch bereits verboten.
Aber eine Demo? Nein, die möchte die Stadt Osnabrück da nicht, und die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück gibt ihr Rückendeckung. „Mit unseren 10 Stundenkilometern seien wir zu langsam“, schüttelt Wilke den Kopf. „Schließlich ist die Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen 61.“ Pause. „Man protestiert gegen eine Autobahn, aber diese Autobahn ist für diesen Protest tabu? Das zeigt, wie hoch der Stellenwert des Autos bei uns ist!“ Vor allem die Begründung des Gerichts, es könne zu Auffahrunfällen am Ende des Staus kommen, der sich hinter der Demo bildet, leuchtet ihm nicht ein. Denn dann müssten ja auch Baustellen verboten werden. Oder Staus generell.
Autobahnen seien nicht grundsätzlich „demonstrationsfrei“, räumt das Verwaltungsgericht Osnabrück ein. Komme es jedoch „zur Gefährdung oder Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter“, sei abzuwägen. Dem „Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer an der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs“ komme „eine erhebliche Bedeutung“ zu. Und: Wegen des „absoluten Seltenheitswertes“ der Demo bestehe die Gefahr von „Gaffer-Unfällen“ auf der Gegenfahrbahn. Das Anliegen der Demo könne auch auf der Alternativroute verfolgt werden.
Die FFF-Aktivisten sind damit nicht zufrieden. Wie das Oberverwaltungsgericht über ihren Eilantrag entscheidet, ist noch offen. „Für mich ist das erneute Demonstrationsverbot auf der A 33 unverständlich, zumal die Organisatoren bewusst den eher verkehrsarmen Sonntag gewählt haben“, sagt Daniel Doerk.
Daniel Doerk, Fahrradaktivist
Mit seinem Blog „It started with a fight“ ist Doerk einer der bekanntesten Fahrradaktivisten aus Osnabrück. Das Recht auf Versammlungsfreiheit garantiere, am Ort des Anstoßes protestieren zu können. „Die Demo richtet sich gegen die autozentrierte Verkehrspolitik der Bundesregierung. Mit dem klimafreundlichen und ressourcenschonenden Fahrrad soll gegen den klimaschädigenden und platzraubenden Autoverkehr demonstriert werden. Symbolischer geht es nicht. Und dann gehört da eben auch eine Fahrt über die Autobahn dazu.“
Das „Nein“ des Verwaltungsgerichts findet Doerk bedauerlich. „Autos haben selbst vor Grundrechten Vorfahrt. Dabei sind Demonstrationen über Autobahnabschnitte nichts Unmögliches und vielerorts erfolgreich durchgeführt worden.“
Die Osnabrücker Demo ist eine der über 50 Veranstaltungen des bundesweiten Aktionswochenendes „Sozial- und klimagerechte Mobilitätswende Jetzt! Autobahnbau stoppen!“ Das Bündnis „Wald statt Asphalt“ hat es organisiert. Die Proteste reichen von Aurich bis Stuttgart, von Akteuren wie „Ende Gelände“ bis „Sand im Getriebe“, von der Sternfahrt bis zur Blockade, von der Mahnwache bis zum Trassen- und Waldspaziergang.
„Man spürt, da ist eine große Motivation“, freut sich Lilly Claudi von „Wald statt Asphalt“. Das Demoverbot auf der A 33 bei Osnabrück ärgert sie natürlich. Das Aktionswochenende funktioniere zwar trotzdem, sagt Lilly Claudi, „aber natürlich sind solche Aktionen immer gut fürs Gesamtbild“.
Das Osnabrücker Verbot ist nicht das einzige. Auch die A 2 und A 49 bei Braunschweig sind tabu.
Edmund Schultz, Bürgerinitiative Baumschutz Braunschweig, Versammlungsleiter: „Die Demo ist seit zwei Monaten angemeldet. Und jetzt, ein paar Tage vor Beginn des Ganzen, kommt plötzlich das Verbot?“ Er habe den Eindruck, dass Verwaltungsbehörden und Gerichte sich in ganz Deutschland untereinander abgesprochen haben, damit den Antragsteller:innen keine Zeit bleibe, „den gerichtlichen Weg ganz bis zu Ende zu gehen“.
Aber Schultz gibt sich nicht geschlagen. Auch in Braunschweig läuft ein Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht. „Und wenn wir es diesmal nicht schaffen, dann eben nächstes Mal. Wir haben genug kraftvolle Aktionen in Planung!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga