Aktionstag gegen die Erderhitzung: Hunderttausende für prima Klima
In Deutschland kommen viel mehr Protestierende als erwartet: Die Klimastreiks sind so gut besucht wie noch nie. Von unseren Inlandskorrespondenten.
Aus Berlin
In diesen Tagen dreht sich alles ums Klima. Aus dem einsamen Protest von Greta Thunberg in Stockholm ist eine globale Bewegung geworden. Sie ruft zum weltweiten Streik auf. Am 20. September protestiert „Fridays For Future“ in 400 deutschen Städten, weltweit soll es 2.000 Aktionen in 120 Ländern geben. Gleichzeitig stellt die Bundesregierung die Weichen für eine strengere Klimapolitik.
Die taz ist Teil der Kampagne „Covering Climate Now“. Mehr als 200 Medien weltweit setzen bis zum UN-Klimagipfel vom 21. bis 23. September in New York gemeinsam genau ein Thema: Klima, Klima, Klima.
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Im Kanzleramt wird nach einer durchgearbeiteten Nacht soeben das Klimaschutzpaket beschlossen. Eine Schulklasse geht hier auf dem Weg zum Brandenburger Tor vorbei und ruft: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Rentner*innen, Familien, ganze Kindergärten – die Bandbreite der Demonstrierenden für den Klimastreik ist groß. Etliche Organisationen, Institutionen und Gruppen zeigen sich heute solidarisch mit Fridays for Future.
„You will die of old age, I will die of climate change“ („Ihr sterbt wegen des Alters, wir wegen des Klimawandels“), steht auf einem Schild“, „Wäre die Umwelt eine Bank, hättet ihr sie auch schon gerettet“, auf einem anderen. Eine Familie mit Kinderwagen versucht, sich einen Weg durch die Mengen zu bahnen, um an den Rand des Trubels zu gelangen. Eine Rentnerin nutzt die Chance und läuft in der Schneise hinter dem Kinderwagen her. Menschenmengen sind nicht jedermanns Sache, auch nicht, wenn es um den Klimaschutz geht.
Über allem schwebt ein großer schwarzer Ballon mit der Aufschrift: „No black coal“ („Keine Steinkohle“). Und wenn man ganz genau hinhört, kann man aus der Ferne Eckhart von Hirschhausen hören, der auf der Bühne sagt: „Wir müssen nicht das Klima retten, wir müssen uns retten. Schaut in den Himmel: Den teilen wir uns mit allen Menschen.“ (Anina Ritscher)
Aus Köln
Köln meldet Überfüllung: Mit 20.000 Menschen hatten die Veranstalter*innen gerechnet, doch die Zahl scheint weit überschritten. „Wir platzen aus allen Nähten“, schallt es vom Lautsprecherwagen über die Menge. Sie reicht zwei U-Bahnstationen weit stadtauswärts.
Als der Demozug sich in Bewegung setzt, läuft Fridays for Future ganz vorne: Es folgen unter anderem Seebrücke, ein Block gegen Kapitalismus und für Systemwandel, ein Block für Frieden und gegen Waffenexporte – und ganz am Schluss, wie sie gebeten wurden, die Parteien.
Stundenlang zieht der Klimastreik durch die Stadt, zum Teil kilometerlang. Die Straßen sind ein Meer aus Schildern: „Demonstrieren geht über Studieren“, beispielsweise, oder „Wir streiken bis ihr handelt.“ Am Rand wird musiziert, die Menge ruft: „Streik in der Schule, in Uni und Betrieb: Das ist unsre Antwort auf eure Politik!“ Am Schluss schätzen die Veranstalter die Zahl der FFF-Protestierenden auf 70.000. (Anett Selle)
Aus Hamburg
Um 12.30 Uhr, eine halbe Stunde nach Demobeginn, bewegt sich am Jungfernstieg gar nichts mehr. Es sind so viele Demonstrant*innen, dass sie die engen Straßen der Hamburger Innenstadt verstopfen. „Bitte nicht drängeln“, ruft ein Moderator von der Bühne. „Wir sind zu viele!“ Die Polizei hatte im Vorfeld von einem Ausmaß ähnlich der Proteste zum G20-Gipfel im Jahr 2017 gesprochen – allerdings nur, was den Verkehr betrifft.
Bis 16 Uhr ist die Innenstadt autofreie Zone. Im Anschluss sind noch Blockaden angekündigt. Während Fridays for Future selbst bislang nicht zu Aktionen des zivilen Ungehorsams aufruft, will das Bündnis Sitzenbleiben am Nachmittag wichtige Verkehrsadern der Stadt lahmlegen.
Der Verfassungsschutz hatte gewarnt: Linksextremist*innen, denen es gar nicht um den Klimaschutz gehe, würden versuchen, den Schülerprotest zu vereinnahmen und von den Sympathien für Fridays for Future zu profitieren. Das Bündnis reagierte gelassen auf den Diskreditierungsversuch: Man werde sich nicht spalten lassen. Um 14 Uhr schätzt die Polizei die Teilnehmer*innenzahl auf 50.000. Die Spitze der Demo ist schon wieder am Endpunkt, dem Jungfernstieg angelangt – die Binnenalster ist von Klimaschützer*innen umzingelt. (Katharina Schipkowski)
Aus München
An der U-Bahn-Station Königsplatz geht um 12.10 Uhr gar nichts mehr – überall ist es voll bis runter auf den Bahnsteig. Auf der Bühne oben skandiert eine Frau am Mikrophon „hopp, hopp, hopp – Kohle stopp“, es läuft treibende Musik. Hat man sich auf den mächtigen Propyläen des Platzes ein wenig in die Höhe gearbeitet, sieht man ein Menschenmeer mit Fahnen und Plakaten. Wo dann der Demozug Richtung Uni-Viertel und wieder zurück beginnt und wo er endet, ist im friedlichen Getümmel schwer zu sagen.
Am Straßenrand sitzt friedlich eine Frau mit geschlossenen Augen und mit aus ihren Händen geformter Merkel-Raute, sie meditiert. Die Polizei hat die Route kurzfristig verlängert, sonst würden die ersten Demonstranten wieder am Königsplatz angekommen, während die letzten noch nicht gestartet sind. Am Nachmittag werden 40.000 Teilnehmer geschätzt. (Patrick Guyton)
Aus Düsseldorf
Rund 25.000 Klimaaktivist*innen sind am Freitag bei strahlender Sonne aus der Innenstadt zum Landtag an den Rhein gezogen. Das Ziel: Das Landesparlament sollte „eingekreist“ werden, um Druck auf die Regierungsparteien CDU und FDP zu machen. Denn die haben in ihrem Koalitionsvertrag erklärt, die Stellung Nordrhein-Westfalens als „Energieland Nr. 1“ auf jeden Fall verteidigen zu wollen.
Dazu setzt die NRW-Regierung noch immer auf die Braunkohle: Erst am Morgen hatte CDU-Ministerpräsident Armin Laschet die Räumung des Hambacher Walds im Landtag verteidigt. Eine von den Grünen geforderte Bestandsschutzgarantie für Hambach wollte Laschet dagegen nicht abgeben – auf der Demo ließ er sich nicht sehen. „Rote Karten“ zeigten ihm deshalb die Protestierenden: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, riefen sie – schließlich ist NRW nicht nur Sitz der Energiekonzerne RWE und Eon, sondern auch von energiefressenden Chemieunternehmen wie Bayer. (Andreas Wyputta)
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