Aktion des Peng-Kollektivs: Die Stimmen der Verdrängten
Geschichten von Mietern, die aus ihrer Wohnung gedrängt wurden, spielt das Künsterkollektiv Peng an die verantwortlichen Vermieter zurück.
Mit Anrufen dieser Art müssen ab Montagmorgen Vermieter rechnen, die durch verschiedene Druckmittel und Schikanen Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt haben. Eine Woche lang, durch einen Bot automatisiert, werden ihre Privattelefone oder Firmenhotlines heißlaufen, 20 Mal am Tag.
Und jedes Mal werden sie konfrontiert mit den Geschichten ihrer ehemaligen Mieter. Der moralische Übergriff ist die neueste Aktion der Berliner Politkünstler vom Peng-Kollektiv. „Haunted Landlords – Die Rückkehr der Entmieteten“, heißt sie; Vermieter sollen also von Gespenstern heimgesucht werden.
40 Schicksale verdrängter Mieter aus sechs Häusern, davon vier in Berlin, haben die Aktivisten gesammelt, anonymisiert und einsprechen lassen. Auf der Website hauntedlandlord.de kann man sich die Ergebnisse anhören – auch ohne Vermieter zu sein. „Die Geschichten sind verblüffend ähnlich“, sagt die Peng-Aktivistin Nora Moll. Ob in Berlin, Leipzig oder Frankfurt – überall ist es lukrativ, Altmieter loszuwerden, um dann teurer weiterzuvermieten oder zu verkaufen. „Entmietungen und Zwangsräumungen sind ein wesentliches Mittel, um Häuser zu räumen und dann Profit zu machen“, so Moll.
Empfohlener externer Inhalt
peng vermieter

Im Haus Mareschstraße 12 in Neukölln, um das es im anfangs zitierten Statement geht, hat sich der Vermieter einer Reihe perfider Maßnahmen bedient, um seine Mieter zu vergraulen – letztlich erfolgreich. Berichtet wird, wie ohne Ankündigung ein Baugerüst aufgestellt und im Hausflur eine Überwachungskamera installiert wurde. Einem ehemaligen Mieter sei am Tag vor Weihnachten die Kündigung unter der Tür durchgeschoben, einem anderen bei Bauarbeiten die Badewanne ausgebaut und zehn Monate nicht ersetzt worden.
Am Ende der Schikanen erfolgte dann in einem Fall die Kündigung einer Wohnung mit der Begründung des Eigenbedarfs, angeblich wollten die Eltern des Vermieters nach Berlin ziehen. Kurz nach der erfolgreichen Verdrängung fand sich die betreffende Wohnung zum doppelten Mietpreis auf einem Immobilienportal wieder. Moll spricht von „extrem skrupellosen Methoden“.
200 Euro für den Auszug
Das gilt auch für die anderen Fälle, etwa in der Berlichingenstraße in Moabit. Dort war mehrere Jahrzehnte lang ein Heim für wohnungslose Männer untergebracht, bis der Eigentümer darauf kam, dass er mit der Unterbringung von Flüchtlingen höhere Einnahmen erzielen könnte. Der Vermieter stellte Heizung und Wasser ab, im Haus wimmelte es von Ratten, den Bewohnern wurden 200 Euro für ihren Auszug geboten. Anderswo werde mehr geboten, so Moll, dabei könne innerhalb eines Hauses die angebotene Summe nach sozialem Status der Mieter variieren.
Möglicher Kritik versuchen die Aktivisten von vornherein zu begegnen. „Ist das Anrufen beim Vermieter ein größerer Eingriff in die Privatsphäre, als Menschen frieren zu lassen, weil man kein Heizöl bestellt?“, fragt Moll rhetorisch. Deutlich wird: Die Sorge vor einer öffentlichen Empörung, weil man den Vermietern zu nahe rücke, ist präsent. Jüngst war das Zentrum für Politische Schönheit von vielen dafür kritisiert worden, in den Intimbereich von AfD-Nazi Björn Höcke eingedrungen zu sein, weil es diesen observiert und seinen Müll durchsucht hatte.
Moll, die mit dem Peng-Kollektiv selber von Verdrängung bedroht ist, verweist darauf, dass sie „keine Hexenjagd“ auf die Vermieter machen wollen, ihre Namen werden nicht genannt. Verhindert werden soll jedoch, dass die „Direktverantwortlichen einfach wegschauen können“, wie es etwa bei öffentlichen Briefen der Fall sei. Und was ist das Ziel? Moll sagt: „Es braucht eine Wohn- und Stadtpolitik, die Verdrängung sanktioniert, sie unrentabel macht, anstatt sie zu belohnen.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder