Leipziger Stadtprotokoll: „Die Stadt hat mich nie losgelassen“

Seit vierzehn Jahren lebt Schmuckdesignerin Alexandra Pauly in Leipzig. Nun fürchtet sie, dass die Stadt durch den Hype ihren Charme verliert.

Schmuckdesignerin Alexandra Pauly

In Leipzig meistens bester Laune – Schmuckdesignerin Alexandra Pauly Foto: Anne Katrin Hutschenreuter

LEIPZIG taz | „Obwohl ich hier weder geboren noch aufgewachsen bin, ist Leipzig für mich mittlerweile meine Heimat. Es ist eine unheimlich bunte und vielfältige Stadt und eine, die sich wahnsinnig schnell entwickelt.

Das war früher anders. Als ich im Jahr 2004 angefangen habe, in Leipzig zu studieren, hat sich kaum einer für die Stadt interessiert. Und auch ich bin eher zufällig hier gelandet: Ich hatte mich für ein Zahnmedizinstudium beworben und habe hier einen Platz bekommen.

Ich bin in einem 600-Einwohner-Dorf in der Nähe von Erfurt aufgewachsen. Leipzig war für mich einfach eine der größeren Oststädte, die man so kannte. Ich habe mich hier zwar schnell sehr wohlgefühlt, aber ich hatte nie das Gefühl, am place to be zu sein.

Das änderte sich erst 2012. Für eine Festanstellung als Fernsehredakteurin bin ich nach Berlin umgezogen. Dort war Leipzig auf einmal Gesprächsthema. Die Leute haben mich über die Stadt ausgefragt: Wie lebt es sich bei euch? Wie viel Miete zahlt ihr? Ist die Stadt wirklich so grün? Und auch mich hat Leipzig nie losgelassen. Jedes Wochenende bin ich zurückgefahren. Dass die Berliner Redaktion nach zwei Jahren geschlossen wurde, war für mich wie eine Erlösung – endlich hatte ich einen Vorwand, um wieder zurückzugehen.

Wie der Hype die Stadt verändert

Als ich mich dann 2014 als Schmuckdesignerin selbstständig gemacht habe, war Leipzig auf einmal Hypezig. Was das bedeutet, habe ich bei der Wohnungssuche gemerkt. Vor meinem Umzug habe ich in Connewitz in einer 80-Quadratmeter-Wohnung mit Stuck, Parkett und Südbalkon gewohnt und dafür 400 Euro gezahlt. Nun fand ich mich auf Sammelbesichtigungen wieder, wie ich sie bis dahin nur aus Berlin kannte.

Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.

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Wenn ich die ganzen Veränderungen in der Stadt sehe, bin ich zwiegespalten. Auf der einen Seite freue ich mich und denke: Cool, jetzt geht hier endlich was los. Ich habe euch die ganze Zeit gesagt, wie schön es hier ist, und jetzt begreift ihr das endlich. Aber wenn ich die ganzen Baustellen sehe, habe ich schon Angst, dass Leipzig seinen Charme verliert, diese Gelassenheit von früher, wo jeder einfach sein Ding gemacht hat.

Vor Kurzem war ich auf der Suche nach einem Workshopraum für meinen Schmuckladen. Die Leute, die aufgrund des Hypes um die Stadt in Immobilien investiert haben, vermieten jetzt für Summen, die niemand zahlen kann. Meine größte Sorge ist, dass die Menschen, die jetzt hier leben, irgendwann kein Teil dieser Entwicklung mehr sind.“

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