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Ahnungslosigkeit über Fußball-WMIrgendwann reichelt’s wirklich

Was uns Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt alles verrät, wenn er nur mal andere Medien diskreditieren und über Frauenfußball ablästern möchte.

Julian … wer? Foto: Jürgen Ritter/imago

I ch habe ja eine Vermutung, warum Algorithmen mir mit Vorliebe diese überflüssigen Reels aufs Handy spielen, wenn sie von Fußball handeln. Ich gucke sie halt ab und an, diese „kurzen und unterhaltsamen Videos“, wie Instagram den bunten Scheiß definiert.

Aber warum spielt man mir ausgerechnet eine Szene rein, in der ein selbstgefälliger Mann, der sich erst mal erkundigen muss, gegen wen „wir“ 6:0 gewonnen haben – „Marokko, richtig?“ –, mit gespielter Empörung berichtet, der Deutschlandfunk habe von diesem Spiel behauptet, es hätte auch anders ausgehen können? „Bizarr“ sei das, weiß der eitle Grinser, über dem der Schriftzug „Achtung, Reichelt!“ prangt. So verarschten einen die Medien, wo doch jeder Fan wisse, dass bei einem 6:0 die anderen gegen die Wand gespielt worden seien.

Für einen, der nicht einmal den Gegner kennt, ist das ein gewagter Ausflug in Bereiche, in denen es Menschen gibt, die tatsächlich etwas davon verstehen. Aber, weiß der Gockel mit Brille, „Frauenfußball interessiert eh keine Sau“.

Wenn solche Leute von Fußball reden, meinen sie nicht das Spiel – das haben sie ja nicht gesehen, und wenn, dann nicht genossen. Sie meinen das reine Ergebnis. Wie solche Typen, wenn sie mal Chefredakteure sind, nur von Auflage reden und nicht von Texten. Wie solche Männer, wenn sie Geschäftsführer sind, nur von Erträgen reden, nicht vom Nutzen. 6:0 gewonnen, mehr muss ein neoliberaler Wortführer nicht wissen. Wie sich das Spiel entwickelt hat, das ist denen so unwichtig wie der Gegner. Das war doch Marokko, oder?

Dialektik der Arschlochigkeit

Es offenbart sich die Dialektik der Arsch­lochigkeit: Einerseits sind „wir“ selbstredend die Besten und dass „wir“ einen Gegner aus Nordafrika überrollen, scheint zur nationalen Tradition zu zählen. Andererseits kann trotz deutscher Großmäuligkeit keiner garantieren, dass das mit dem Siegen immer so weitergeht. Sollte das DFB-Team verlieren, dann wird schon mal vorgebaut: Es war ja nur Frauenfußball.

Dieser Stolz auf die eigene Dummheit ist Programm.

Das ist schon sehr dreist. Einerseits selbst offenkundig keine Ahnung zu haben, andererseits Leute, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen, als Lügner und Manipulateure hinstellen. Es ist die Logik, die gründlich recherchierende Journalisten aus Social-Media-Kommentaren kennen: „Hätte der Autor nur zwei Minuten gegoogelt, wüsste er …“

Dieser Stolz auf die eigene Dummheit ist Programm: Leute, die sich mit Themen beschäftigen, die die heile Herrschaft des Dreitagebart-Schmierlappens bedrohen könnten, werden diskreditiert, wie aus voller Überzeugung nur jemand diskreditieren kann, der völlig ahnungslos ist. Diesmal ist es der Frauenfußball, der solchen Möchtegern-Diktatoren eh nur als Einfallstor für schlimme Dinge gilt: LGBTQ-Rechte und anderes Bähzeug.

Ich ahne mittlerweile, warum man mir dieses Reel aufs Handy gespielt hat: Weil es so unfassbar viel über diese Gesellschaft verrät. Fußball ist wichtig, aber für Julian Reichelt interessiert sich doch keine Sau.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Was für eine Wohltat!



    Schöner Text, schönes Deutsch.



    Und inhaltlich herrlich.



    Im Gegensatz zu anderen Kommentatoren und Kommentatorinnen finde ich, dass man auf die "Arschlochigkeit" gewisser Personen und Personengruppen gar nicht oft genug hinweisen darf.



    Ich halte das in diesen Zeiten für ein MUSS.



    Danke also für dieses journalistische Highlight.



    Autor/-in habe ich nicht entdeckt. Habe ich übersehen? Würde mich interessieren.

  • D-A-N-K-E🥰

  • Reichelt hat seine mediale Letztverwendung erreicht. Manche einst "grosse" Namen verlieren ihre "originale" Bedeutung und Reichweite aufgrund eigener Fehler. Die Quote der Fans sinkt, die der Hater steigt deutlich. Dann bleibt ihnen immer noch eine Rolle: click bait durch Hater triggern.



    Es ist wie bei T-Shirts. Irgendwann sind sie durch. Dann werden sie Putzlappen. Irgendwann sind sie auch dafür zu schmierig. Die meisten werden dann entgültig entsorgt. Ein oder zwei bleiben: Fristen ein Dasein als Erinnerungsstück.



    Das entsorgen dann Erben und wundern sich, was es war und warum es noch da ist.

    • @Monomi:

      Danke, schönes Bild.

  • "6:0 gewonnen, mehr muss ein neoliberaler Wortführer nicht wissen. "

    Ein toller Kommentar, aber leider eine Beleidigung aller Neoliberalen, mit denen diese "Arschlochigkeit" nichts zu tun hat.

  • Ich finde es überflüssig und kontraproduktiv, Julian Reichelt für jeden Dünnsch*ss, den er abstößt, eine Plattform zu geben. Der Artikel hätte auch bestens funktioniert, ohne Bezug auf ihn zu nehmen. Jetzt assoziiere ich leider Frauenfußball ein bißchen mit ihm, dabei mag ich Frauenfußball total gerne...

  • "Dialektik der Arschlochigkeit": den nehm' ich mit, wenn ich darf.

    • @tomás zerolo:

      Ich nicht. Der ist mir zu intelektuel :-)

    • @tomás zerolo:

      Wenn mir auch fehlt die Verfügungsgewalt -



      Machen’s halt.

      Doch btw - Martin Krauss - mal außenvor.



      Ständs ständs dere tazis-Chor



      Zur causa Springer & sei Personal



      Das will a 🥱 a 🥱 & a 🥱 Hugo walten



      Den Ball ⚽️ doch etwas flach zu halten



      LÜGT als “Zeitung“ ein Verbrechen!



      Und ☕️ ☕️ für Kai 🤮 & Mathias Döpfner zum 25. inne taz.



      Mit sei “Allianzen“ sich ranwanzen! 👹



      Und Das! “Das schwächt mein Schatz!“



      Und - beschließ mal den Reigen =>



      Hola - Kai sei “Pimmel über Berlin“



      Däh! Entgleiste die Chefredakteurin vor sich hin •

    • @tomás zerolo:

      Me Too :-)