Afghanistan und der Vietnamkrieg: Als die Konservativen vorangingen

Die Eroberung Kabuls durch die Taliban erinnert an das Ende des Vietnamkriegs. Auch damals war die Flucht schwierig – und die Politik heuchlerisch.

Eine zahlreiche Gruppe von Geflüchteten Vietnamesen stehen vor einem gelandeten Hubschrauber

Evakuierung amerikanischer Zivilisten und gefährdeter Vietnamesen aus Saigon im April 1975 Foto: Imago

„Das ist nicht Saigon.“ Mit diesem Satz wollte US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag jegliche Analogien zwischen der aktuellen Lage in Kabul und dem Ende des Vietnamkriegs 1975 verhindern. Damit hat Blinken erst recht zu historischen Vergleichen eingeladen. Denn die Bilder, sie ähneln sich.

Damals, am 29. April 1975, warteten verzweifelte Menschen auf einer Außentreppe, die zum Dach der US-Botschaft führte, auf dem ein Hubschrauber stand. Es waren viel zu viele für das kleine Fluggerät, eines der letzten, die damals eine Flucht ins Ausland ermöglichten. Heute sehen wir wieder Hubschrauber, dazu Tausende Zivilisten auf einem Flugfeld in eine der Maschinen drängend. Wieder wissen wir, dass der Platz nicht für alle reicht.

Die US-Niederlage in Vietnam löste damals eine Massenflucht aus. Die neuen Herrscher rächten sich furchtbar an denjenigen, die dem Westen zuvor zu Diensten gewesen waren, allein 200.000 Südvietnamesen sollen hingerichtet worden sein. Wie sich die Taliban verhalten werden, wissen wir nicht – Schreckliches ist zu befürchten.

Der Vietnamkrieg war freilich etwas anderes: Teil der großen Ost-West-Konfrontation. In den USA und Frankreich wuchs rasch die Erkenntnis, dass man den eigenen Unterstützern und weiteren Flüchtenden helfen müsse. Beide Länder nahmen Zehntausende Menschen auf. Die Bundesrepublik war, anders als heute, nicht direkt in den Konflikt verwickelt und reagierte zunächst abwartend.

Konservative waren aufnahmebereit

Es waren die Bilder von den „Boat People“, jenen Zehntausenden Verzweifelten, die versuchten, über das Meer zu fliehen, die diese Haltung änderten. Und es waren vor allem konservative Politiker, die eine Aufnahme anbahnten, an erster Stelle Ernst Albrecht, Vater von Ursula von der Leyen, der 1978 für die Aufnahme eintrat. Es war Rupert Neudeck, der mit seiner „Cap Anamur“ Menschen aus hoher See rettete.

Die westdeutsche Linke, namentlich deren am Ostblock orientierten Vertreter, hielt sich auffallend zurück. Für die DDR derweil galt Vietnam nun als ­sozialistischer „Bruderstaat“ – und die Flüchtlinge wurden als gefährliche Antikommunisten angesehen.

Und heute? Von Linkspartei bis AfD fordern alle die Aufnahme der afghanischen Helfer. Geht es dagegen um weitere Kreise von Flüchtenden, heißt es von Armin Laschet, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe. Nach dem Vietnamkrieg war die Union schon mal weiter.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.