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Afghanistan als sicheres HerkunftslandTaliban-Aussagen als Begründung

Auf eine Anfrage der Linksfraktion begründet die Bundesregierung, warum Afghanistan angeblich sicher für abgeschobene Flüchtlinge ist.

Kundus, 15. April 2016: Szene in einem sicheren Land Foto: ap

Berlin taz | Um Abschiebungen nach Afghanistan zu rechtfertigen, beruft sich die Bundesregierung auf Aussagen der Taliban. Das geht aus einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linksfraktion hervor. Darin schreibt das Innenministerium, dass in Afghanistan vor allem westliche Staatsbürger, Soldaten und örtliche Behörden im Visier von Aufständischen seien. Für Zivilisten sei die Bedrohung dagegen geringer, „da die Talibanführung ihre Kämpfer wiederholt glaubhaft und deutlich angewiesen hat, zivile Opfer zu vermeiden und zivile Infrastruktur zu schonen“.

Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke spricht ob dieser Argumentation von einer „Talibanisierung der deutschen Flüchtlingspolitik“. Die positive Darstellung der Sicherheitslage in den Taliban-Hochburgen setze den Darstellungen der Bundesregierung die Krone auf. „Die Regierung nimmt Verlautbarungen der Taliban-Führung, Zivilisten zu schützen, für bare Münze. Seit wann orientiert sich die Bundesregierung an Verlautbarungen der Taliban?“, sagt Jelpke.

Bislang schieben deutsche Behörden fast keine Afghanen in ihre Heimat ab. Im Februar schickte das Innenministerium öffentlichkeitswirksam ein Flugzeug mit 125 abgelehnten Asylbewerbern nach Kabul, diese hatten sich aber freiwillig zur Ausreise gemeldet. Wegen der hohen Zahl der Afghanen, die im vergangenen Jahr als Flüchtlinge in Deutschland ankamen, wollen Innenminister vom Bund und Ländern künftig häufiger abschieben.

Die Bundesregierung verhandelt mit der afghanischen Regierung über ein Rücknahmeabkommen. Laut Innenministerium gebe es „vergleichsweise stabilen“ Gegenden, in die könnten Afghanen zurückkehren. In ihrer Anfrage wollten die Linken-Abgeordnete Jelpke wissen, welche Regionen das konkret sind. Das Innenministerium antwortete: Die Lage in den „meisten urbanen Zentren“ gelte als „ausreichend kontrollierbar“. Für das gesamte Land bestehe aber „eine mindestens abstrakte Gefahr von Kampfhandlungen oder Attentaten“, denen auch Zivilisten zum Opfer fallen könnten

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10 Kommentare

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  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Dieses Bild sagt mehr als alle Stellungnahmen der Bundesregierung. Der Minister als Michelinmännchen in Kabul. Ein "sicheres urbanes Zentrum". Kurze Zeit nach der Ankunft unseres Minsters geht ne Bombe hoch. Der Minister denkt aber weiter, alles sicher!

    http://bilder4.n-tv.de/img/incoming/origs16902731/4292731233-w1000-h960/c64c1b2efbcdf26b6b975c68a225acf1.jpg

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Was wollen Sie? Wenn man sich sicher fühlt, ist das doch die Standardkleidung.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Logisch, die fliehen aus Afghanistan, weil sich's dort sicher leben lässt.

     

    Diese Logik gibt einen Einblick in das Gehirn des Innenministers: Zappenduster...

  • Mit anderen Worten: Die Taliban kämpfen nur gegen Invasoren.

  • Geil, die Taliban helfen uns dabei, europäische Werte zu schützen. Ob das auch bei denen so ist, die den Islam nicht exakt so leben wollen, wie es die Taliban vorgeben?

  • Warum haben wir eigentlich Truppen in Afghanistan stehen, wenn es dort sicher ist und die Taliban lieb sind?

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Eine ähnliche Frage stelle ich mir bezüglich des Kosovo. Deutsche Soldat*innen zum Eierschaukeln in sichere Staaten zu entsenden, ist eine Veruntreuung von Steuergeldern!

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Im Kosovo ist die Situation etwas anders. Ein Protektorat zu haben, verdeutlicht die "gestiegene Verantwortung" Deutschlands und steigert das Selbstwertgefühl der Politiker.

         

        Das soll uns das Geld schon wert sein.

  • "Für Zivilisten sei die Bedrohung dagegen geringer"

     

    ja genau, das ist kein Thema....Wenn wir die selbe Bedrohungslage für Zivilisten hier hätten...dann würde die Bundesregierung die Bundeswehr im Inland einsetzen, ein paar Gesetzte zur Seite verschieben und uns erklären das wir angesichts der "Terrorlage" uns leider von ein paar Grundrechten verabschieden müssen. "Datenschutz is ja gut und schön, aber in diesen unsicheren Zeiten" etc...

     

    Afghanistan, sicher... da fällt dir nix mehr ein.

  • Wir haben heute einen jungen Mann getauft, der ein Hazara ist. Er ist seit 12 Jahren unterwegs gewesen - mit 10 Jahren war er Waise. Die Taliban holen Angehörige der Hazara aus den Bussen und erschießen sie.

     

    Wahrscheinlich gehören solche "Bilder" zu denen, die wir laut Thomas de M. "aushalten müssen".